Nochmal zum Thema: Ziel war es, einen Einblick in die Arbeit der Historikerkommission zu geben. Zahlen oder Zwischenergebnisse wurden nicht genannt, da die Kommission, wie schon mehrmals erwaehnt, vollkommen ergebnisoffen arbeitet.
Log'weise kann (oder will) ich hier keine detaillierte Zusammenfassung einer fuenfstuendigen Vortragsreihe geben. Aber ein paar Eckdaten hab ich mir natuerlich aufgeschrieben. Interessant waren die Vortraege alle, beruecksichtigt aber, dass meine Aufzaehlungen teilweise unvollstaendig sind.
Thomas Kübler: Sachstand der Quellenauswertung im Stadtarchiv DresdenEr gab einen kleinen Einblick, wieviele laufende Meter Akten gesichtet und welche Archive und Materialien beruecksichtigt werden.
Dazu gehoeren: Hauptstaatsarchiv, Landesarchive, Bundesarchiv, auslaend. Staats- und Militaerarchive, Nachlaesse (zB. Weidauer), Sammlungen (zB. Irving) und das neue Zeitzeugenarchiv (04.05.06 Uebergabe an Stadtarchiv).
In den Archiven werden beruecksichtigt: Akten vom Kriegs(sach)schaedenamt, Bestattungsamt, Ernaehrungsamt, Amt fuer Soz. und Wohnungsbau, Gesundheitswesen, der Oberbauleitung, Zoolog. Garten, Schulamt, Garten(bau)amt, Krankenakten...
Eine Anfrage an Duma- und Mil'archiv in Russland Ende der 90er, bzgl. Dresdner Akten, war erfolglos. Trotzdem wird jetzt vor Ort nochmal eigenstaendig gesucht.
Die Blattstaerke gegen Ende des Krieges betrug 15-20g/qm - da passen wirklich viele Blaetter in tausende Meter Akten.
Matthias Neutzner: Bergung und Bestattung der Luftkriegstoten im Stadtarchiv Dresden/ Organisation und VerlaufEr ist auf Akten gestossen, die noch von _keinem_ der Autoren zum Thema ausgewertet wurden (Er fand zB. 7301 Kennzettel von Toten beim Standesamt.) und beschrieb die vorschiftsmaessige Vorgehensweise bei der Bergung von Luftkriegstoten. Der Reihe nach:
Leichenbergungsdienst: Bergung der Toten und Verschuetteten, unterstand dem Luftschutzleiter und der (Luft-)Schutzpolizei mit Hilfe von Technischem Notdienst und der Wehrmacht
Identifizierungsdienst: Kriminalpolizei
Leichenbefoerderungsdienst: Stadtverwaltung (8 Trupps), bringen Leiche zu nahegelegenen Sammelplaetzen
Bestattungsdienst: Stadtverwaltung
Polizeilicher ... Dienst: da war ich abgelenkt
Vermisstennachweisdienst: nach dem Hamburger Vorbild, besorgten Akten aus Fluechtlingssammelstellen und Krankenhaeusern (auch aus Umgebung und weiter weg) und halfen beim Klaeren von Schicksalen
Waere alles nach Plan verlaufen, waere eine identifizierte Leiche 8x in den Akten festgehalten, eine nicht identifizierte Leiche 6x. Leider lief nicht alles nach Plan (zB. wurden die Toten erst auf dem Friedhof identifiziert). Die haben uebrigens auch die Ringe in Eimern gesammelt, um evtl. Leichen zu identifizieren. Die wurden also schonmal gezaehlt, um endl. eine alte Frage zu klaeren.
Es wurde aber angesprochen, dass einige Autoren die versch. Akten zusammenrechnen und so einzelne Opfer achtmal mitrechnen. Inwiefern von den Ablaeufen abgewichen wurde, versucht man jetzt genauer zu klaeren. Man hat Bspe. fuer den Idealfall aber auch ehem. Mitglieder des Ident'dienstes, die ein anderes Vorgehen bezeugen.
Friedrich Reichert: Schriftliche Quellen und ihr Verhaeltnis zum bisherigen GesamtbildEr ist nochmal auf die verschiedenen Quellen und Archive eingegangen. ZB. wurden 9889 Todeserklaerungen mit Bezug 13./14.2. gefunden (Tuch/Schmidt: auch im neuen Dresdenheft). Alle geben den Todeszeitpunkt mit 14.2. 24:00 an. Die Antraege wurden deutschlandweit gestellt, umfasst also nicht nur in DD gebliebene Familien.
Des weiteren gab es damals ('46) schon Anfragen an andere Staedte, wo Verletztentransporte hingingen und wieviele dann ausserhalb gestorben sind (Anfragen bis nach Augsburg, Rudolstadt...). Die Antworten:
Pirna: 129
Bad Schandau: 66
Berggiesshuebel: 37
Geising: 31
Ottendorf-Okrilla: 31
Seiffen: 8
Kreischa: 5
Weixdorf: 5
Stolpen: 1
Markt Tuerkheim: 23
Er fuehrte dann noch als Beispiel einer stark zertoerten Strasse die Mathildenstrasse an (331 ident. Tote, 81 Unbekannte (wahrsch. mit Dopplungen zu den 331 Toten), 68 zerstoerte Haeuser).
Die Zahl der Todeserklaerungen nach 1950 ist noch nicht bekannt und wird noch untersucht.
2416 Tote liegen nicht auf den Hauptfriedhoefen. 17728 auf dem Heidefriedhof, 3666 auf dem Johannisfriedhof, ~300 wurden seit 1950 aus den Truemmern geborgen.
Auch fuehrte er auf, dass die Akten des Kriegsachschaedenamtes noch nicht erfasst sind. Rund 50000 Antraege gab es wohl, 30000 sind ueberliefert. Diese Akten koennen Auskunft ueber Ueberlebende geben.
Judith Oexle: 15 Jahre Grabungen in der Dresdner Innenstadt. Ein Ueberblick ueber die Befunde des zweiten WeltkriegsSie zeigte Bilder von Grabungen, Bebauungsplaenen, gefundenen Gegenstaenden und sprach ueber die allgem. Herangehensweise der Archaeologen. Hinzu kamen Photos versch. Keller und deren Brandschaeden (Brandrisse, Roetungen im Sandstein, Russverfaerbungen...). In der ganzen Innenstadt wurde keine Skelette oder Tote aus dieser Zeit gefunden, obwohl diese durch den kalkhaltigen Boden bestens konserviert waeren. Die Bergakademie Freiberg nimmt Untersuchungen an Mauerresten vor, um Temperaturen etc. zu bestimmen.
Zusammenfassend: es gibt ein vollkommen heterogenes Schadensbild. Was in einem Keller gilt, kann im Nachbarkeller schon wieder vollkommen anders sein. Die meisten Keller wurden geraeumt und dann verfuellt, einige wurden ueberbaut ohne Verfuellung.
Rolf-Dieter Müller: Die Rolle der Wehrmacht bei der Bewaeltigung der Katastrophe vom 13./14. Februar 1945 in DresdenEr hat nochmal die wichtigsten Personen (Mehnert, Matthes, Schwedler, Reinhard, Graeser, zu Gilsa) vorgestellt und deren Ziele und Aufgaben. Heute kam das "interessante" Ergebnis von der WaST, bloederweise hat er am Ende vergessen das Ergebnis zu nennen, wenn ich es nicht ueberhoert habe. Die Wehrmacht hatte wohl ~100 Tote zu beklagen.
Er ging auch nochmal auf die versch. milit. "Zeugen" ein, die 74000, 140000, 168000,... Tote "zuverlaessig" von Vorgesetzten kennen. Auf Matthes ging er speziell ein, da er ja Jahrzehnte spaeter die Zahl 253000 veroeffentlichte. Er wies ein paar Widersprueche in seiner Erzaehlung nach und bezweifelte zB. die Meldung nach Berlin. Er verwies hier zB. auf das Werk von Loringhoven: "Dans le bunker de Hitler" und die Beachtung der Dresdner Vorgaenge bei den hohen Mil'dienststellen. Dort ging man von 25-35T Toten aus und setzte alles daran, Dresden als Festung weiter auszubauen.
Vlt. ganz interessant: man holte aus Berlin Festungsbataillone nach Dresden in privaten Autobussen. Berlin hatte Anfang '45 wahrsch. ein paar ueber.
Helmut Schnatz: Luftkriegsopfer bei Flaechenangriffen der RAF 1942 bis 1945 im VergleichIn typsich schnatz'scher Akribie hat er 255 Angriffe verglichen und sich _nur_ die reinen Zahlenwerte angesehen. Er hat Beispiele der Mastercards gezeigt und den Effizienzzuwachs der Bombardierungen anhand der Toten/Tonne belegt.
238 Daten waren verwertbar (zB. gibt es von Koeln: 2.3.45 keine Daten, weil die Alliierten vor der Tuer standen). Jetzt zu den doch interessanten Zahlen:
Die Spanne reicht von 0,00 bis 14,5 (Hamburg):
Tote/t | Anteil der Angriffe in Prozent |
0,09 | 26,9 |
0,1-0,9 | 63,4 |
1-1,9 | 5,9 |
2-4,9 | 1,3 |
5-5,5 | 1,3 |
11,3-14,5 | 1,3 |
Besonders viele Opfer gab es in Wuppertal, Remscheid, Freiburg, Hanau, Magdeburg, Schwandorf, Darmstadt (der einzige Ausreisser nach HH), Hamburg, Pforzheim, Heilbronn, Kassel...
Er zog dann einen Vergleich zu Dresden:
angenommene opferzahl | Tote/t |
25000 | 9,3 |
35000 | 14,9 |
50000 | 18,7 |
100000 | 37,3 |
135000 | 50,4 |
600000 | 223,8 |
Die Zahlen hat er frei gewaehlt. 25000 als Untergrenze weiss man, der Rest meinte er, sind Zahlen aus dem Netz. Wie gesagt, es beachtet keine Bebauung etc., aber man kann schon die Grenzen ziemlich gut festlegen. Die 50000 mag man als Obergrenze noch akzeptieren, der Rest ist weit weg von der Realitaet. Noch ein Beispiel:
In 3 Jahren, wurden 200350 Menschen getoetet, 338227,7t Bomben abgeworfen und 93641 Flugzeuge eingesetzt. Das soll man auch mit 2680,8t, 770 Flugzeugen schaffen?
Beispiel Amerikaner: der Durchschnitt lag bei 0,4 Toten/t. Das wuerde fuer Dresden am 15.2. 170 und am 14.2. 315 Tote bedeuten.
Es ist klar, dass dies nur eine Statistik ist und nur einen ganz groben Rahmen gibt, da weder Bebauung noch Angriffziel und Bombenarten beruecksichtigt wurden.
Thomas Widera: Moeglichkeiten der Analyse der BrandtemperaturenDie hoechste Temperatur herrschte zwischen Schloss und Rathaus. Betroffen waren vor allem Buergerhaeuser mit viel Fachwerk und einige moderne Bauten. Es gibt keine Angaben ueber die Dauer und Flaeche der Braende. Man nimmt an, dass kurzzeitig 1000-1100 erreicht wurden, gaaanz selten evtl. 1300. Zusammengearbeitet wird hier mit Brandtechn. Instituten in Karslruhe(?) und Leipzig, Rechtsmedizinern, der Akademie in Freiberg und es wird wohl daran gearbeitet, eine Computersimulation des Brandes zu erstellen.
Die 1000-1100 Grad wurden wohl nur unterhalb der Zimmerdecke in hoeheren Stockwerken erreicht und das auch nur sehr kurz. Selbst die Frauenkirche mit 1000Grad (nicht wie frueher angenommen 2000 und mit 300 Kubikmeter Holz "befuellt" (Stuehle...)) erreicht keine Temperaturen, um Keramik zu erzeugen (1800) Grad. Fenster, Sauerstoffmangel in Kellern, Truemmer, Feuersturm etc. verhinderten solch hohe Temperaturen und Zeiten.
Es wurden versch. Versuche durchgefuehrt, Funde ausgewertet... Leichen werden bei ~1000Grad im Krematorium 1h verbrannt. Die kalzifizierten Knochen und Zaehne bleiben erhalten. Die maximal Tempraturen haben wahrsch. nicht laenger als 10 min geherrscht.
Weiterhin benutzt man die Bergungsberichte (x Mann haben bei y am Tag t z Leichen mit n Todesursachen gefunden...).
Alexander von Plato: Methodische Probleme der Interpretation von Zeitzeugenberichten ueber den 13. Februar 1945Er hat nochmal die Probleme aufgezeigt, wie sich Geruechte, Medien etc. in die eigenen Erlebnisse einschleichen. Wie man die Umgebung (Ost, West, Russland, England) beachten muss, um Einfluesse zu erkennen und eine Beurteilung der Aussage vornehmen zu koennen.
Befragt werden Buerger, russ. Zwangsarbeiter, die bei der Bergung und dem Wiederaufbau halfen, evtl. demnaechst auch eng. Piloten. Zusaetzlich versucht man Reichsbahnakten zu analysieren, um Fluechtlingsbewegungen und -aufenthaltsdauer festzustellen. (Gibt ein eigenes Projekt, das nur untersucht, wie die Fluechtlingsstroeme aussahen. Wer wann wohin unterwegs war etc.)
Momentan laeuft ein Antrag bei der Thyssen-Stiftung, um vlt. eine Unterstuetzung bei der Finanzierung zu erhalten.
Niwre unterwegs Aus der einstigen Kommission, die jetzt schon fertig sein sollte, ist eine internat. beachtete Kommission geworden (zB. Japan ist sehr interessiert). Noch nie gab es ein Projekt, dass so detailliert einen aehnlichen Sachverhalt untersuchte. Immer wieder findet man neue Zeugen und Archive, die ausgewertet werden wollen und so wird sich die Arbeit noch einige Zeit hinziehen. Die naechste Vorlesungsreihe (evtl. schon mit Zwischenergebnissen) findet wahrsch. im Februar 2007 statt.
Neben den ganzen Archiven und Instituten sind auch: DRK, Feuerwehr, Museen, Vertriebenenverbaende, Wast, Kampfmittelraeumdienst, Stadtplanungsamt, Vermessungsamt, IG 13. Februar... eingebunden. Der Kampfmittelraeumdienst wird wohl die Baeume im Grossen Garten untersuchen, ob Projektile von Tieffliegern vorhanden sind. 845 Staedte wurden angeschrieben und um Mithilfe gebeten (ehem. Dresdner, Fluechtlinge, Verwundete zu finden). Einzelschicksale sollen geklaert werden... Wie gesagt, man arbeitet vollkommen ergebnisoffen und hat daher heute
keine Zahlen genannt.
Anwesend waren ua. auch Bergander und Boog - der interessierte Hobbygschichtler erkennt die nat. sofort. :] Mit Boog habe ich mich nach der Veranstaltung noch 20min sehr angeregt unterhalten. Er hat gerade seine 800-900 seitige Monographie fertiggestellt (wird dieses Jahr wohl nicht mehr erscheinen). Seine Mng. ueber Junge Freiheit, F. Taylor und andere Historiker, Political Correctness und Co. waren sehr interessant.
NPD und Zeitzeugen waren naturellement auch wieder anwesend. Einige waren eher peinlich, andere auch ganz "brauchbar". Die Pause habe ich nat. genutzt.
Das war's jetzt auf die Schnelle. Am Text kann ich leider nicht mehr feilen und Fehler suchen, ich muss gleich weg...
Edit: Tippfehler