Ich habe mir Band 14 aus der Reihe "Schlachten des Weltkrieges" zur Hand genommen. Es ist dies der Titel "Die Tragödie von Verdun 1916 - Teil 2 - Das Ringen um Fort Vaux". Darin wird die Fehlmeldung und die Geschichte ihrer Entstehung sehr ausführlich beschrieben.
Es ist höchst umstritten, ob an jenem 9. März 1916 deutsche Soldaten überhaupt das Fort Vaux betreten haben. Französische Quellen bestreiten dies heftig. Es gab wohl vereinzelte deutsche Rückkehrer, die angaben, in das Fort eingedrungen und anschließend wieder hinausgeworfen worden zu sein. Die Geschichte wird so ausführlich im Buch behandelt, daß ich sie hier auch ausführlich, wenn auch stark gekürzt wiedergeben möchte.
Den Kampf um Fort Vaux führten Anfang März 1916 die 6. Infanteriedivision und die 9. Reservedivision. Vor dem 9. März 1916 waren erste Angriffe bereits gescheitert. In der Nacht vom 8. auf den 9. März 1916 schwirrten zum ersten Mal Gerüchte und Meldungen über die Wegnahme des Forts Vaux durch die Drahtleitungen von und zu den Kommandostellen. In den Stäben der beiden Divisionen harrte man deshalb ungeduldig der letzten Bestätigung, daß das Fort wirklich in deutscher Hand sei. In dieser Stimmung nahm der Kommandeur der 9. RD, General der Infanterie Hans von Guretzky-Cornitz, am 9. März 1916, 8.20 Uhr, persönlich auf dem Gefechtsstand seiner Division durch Fernsprecher eine Meldung von Oberstleutnant von Gersdorff, dem Kommandeur des ihm unterstellten Reserve-Infanterieregiments 6, entgegen. Dies hatte folgenden Wortlaut:
"Rittmeister von Scheele meldet: Habe mit drei Kompanie 7.00 Uhr Fort Vaux erreicht. Habe links Anschluß an 14. / RIR 6, rechts an II. / RIR 19. Trete Vormarsch mit einer Kompanie (4. / RIR 16) weiter an."
Diese Nachricht stammte vom Hauptmann d.R. Pohl, I. / RIR 6, der sie schriftlich auf Meldekarte an den Regimentskommandeur weitergegeben hatte. General von Guretzky ging mit der Meldung des Oberstleutnants sofort zu seinem Generalstabsoffizier, Hauptmann Sichting, und rief ihm schon von weitem zu: "Wir haben Fort Vaux genommen, Gersdorff hat es soeben gemeldet." Guretzky wollte dies sofort selbst an das Generalkommando weitergeben.
Interessant ist auch, wie wohl die Sichtweise im Stab der 9. RD war. Man sah Fort Vaux infolge das schwersten deutschen Beschußes als unbesetzten Trümmerhaufen an. Das deckt sich natürlich nicht ganz mit der Euphorie, mit der jetzt die Meldung von der Einnahme weitergereicht wurde. General von Guretzky informierte fernmündlich auch Oberstleutnant Smalian, den Brigadeführer seiner Sturmregimenter. Dieser äußerte jedoch sogleich Bedenken über die Richtigkeit der Meldung und stellte umgehende Ermittlungen in Aussicht.
Inzwischen wurde der Stab der 9. RD in seiner Siegeszuversicht durch weitere Nachrichten verstärkt. Der Generalstabsoffizier der benachbarten 6. ID teilte mit, daß nach Meldung der vorderen Truppen die 9. RD Fort Vaux genommen habe. Ein Artilleriebeobachter habe angegeben, auf dem Fort wehe die schwarz-weiß-rote Fahne. Sichtmeldungen dieser Fahnen trafen anschließend weitere ein. Auch vom Gefechtsstand der 9. RD aus wurde durch das Scherenfernrohr diese Fahne gesehen. Daher gab die 9. RD um 9.50 an das Generalkommando die Meldung ab: "Auf Fort Vaux weht eine schwarz-weiß-rote Fahne."
Kurz darauf war man sich auf dem Gefechtsstand der 9. RD sicher, durch das Scherenfernrohr erkennen zu können, daß deutsche Mannschaften auf dem äußeren Fortwall in einzelnen Gruppen herumstanden. Nun war man sich absolut sicher. Meldungen, die bestritten, daß das Fort in deutscher Hand sei, blieben unbeachtet.
Im KTB des V. Reservekorps wurde für den 9. März 1916 10.05 Uhr eingetragen, daß am Morgen des 9. März 1916 Rittmeister von Scheele mit mehreren Kompanien des RIR 6 erneut in das Werk eingedrungen sei, dort drei Kompanien gelassen habe und mit den übrigen weiter nach Süden vorgestoßen sei. Weiterhin wird in dieses KTB ebenfalls die Meldung eingetragen, man hätte deutlich einzelne Leute, ohne Gewehr umhergehend, beim Fort gesehen und auf dem Fort wehe die schwarz-weiß-rote Fahne.
Etwa ebenfalls um 10.00 Uhr rief der Chef des Generalstabes des V. Reservekorps die 9. RD ab und fragte, ob er nunmehr die Meldung über die Einnahme des Forts weitergeben könne. Im Stab der 9. RD wurde ihm noch einmal versichert, man könne mit absoluter Sicherheit erkennen, daß deutsche Sturmtruppen auf dem äußeren Fortwall seien. Der Chef des Generalstabes antwortete, daß ihm dies genüge. Gleichzeitig äußerte auch er den Satz, daß das Fort wohl gar nicht besetzt gewesen sein muß.
10.15 Uhr ging dann eine Meldung vom V. Reservekorps an das Armeeoberkommando 5. Von da aus empfing die Oberste Heeresleitung die Siegesnachricht und telegraphierte sie in die Heimat. Postwendend verlieh der Kaiser den PLM an General von Guretzky-Cornitz. Die Auszeichnung wurde ihm auch sofort vom Kronprinz als Armeeführer persönlich überbracht.
Also, dies ging echt rasend schnell. Wie ich schon schrieb, die Auszeichnung erhielt der Divisionskommandeur, der sich während des Kampfes auf seinem rückwärtigen Gefechtsstand aufgehalten hatte, aber dies war halt so. Die Verleihung des PLM erfolgte spontan innerhalb kürzester Zeit. Erstaunlich finde ich jedoch auch, daß sich der Kronprinz sofort auf den Weg machte und den Orden auch persönlich überreichte. Trotz der doch eher spärlichen Verleihungen schien der PLM wohl an der Front sofort zur Hand zu sein.
Kaum hatte der Kronprinz den Gefechtsstand der 9. RD verlassen, meldete sich Oberstleutnant Smalian mit dem zugesagten Lagebericht. Erkundende Offiziere und zu den Regimentern entsandte Meldegänger hätten festgestellt, daß von einer Besetzung des Forts keine Rede sein könne. Diese Nachricht erweckte nun erhebliche Aufregung. In der Heimat wurden bereits Extrablätter verbreitet.
Um die Mittagsstunde (man beachtet diese Zeitangabe, selbst die Überreichung des PLM war bereits vorüber) erschien ein verwundeter Offizier des RIR 6 auf dem Gefechtsstand der 9. RD. Er habe gehört, die Division sei im Glauben, das Fort wäre genommen. Dies sei ein Irrtum. Er sei selbst bei den vordersten Kampftruppen gewesen und als einer der ersten in das Fort eingedrungen. Ein Gegenangriff aus dem Fortinneren habe sie zurückgeworfen, wobei er schwer verwundet worden sei. Die Truppen lägen noch unmittelbar am Fort auf der äußeren Umwallung, der Kern des Forts sei jedoch wieder im Besitz der Franzosen.
Diese Unterredung warf die bisherige Beurteilung der Lage im Stab der 9. RD über den Haufen und wirkte auf die Verantwortlichen erschütternd. Noch hoffte man, man könne die bereits verkündete Lage im Laufe des Tages doch noch herstellen. So erging um 13.25 Uhr an die Brigade Smalian die Weisung, Fort Vaux sei in Besitz zu nehmen. Gleichzeitig meldete man jedoch auch an das V. Reservekorps: "Gegen 11.00 Uhr im Innern des Forts ein heftiger Kampf entstanden. Ob das Werk noch im Besitz der Divisions, ist ungewiß. Anscheinend jetzt in der Hand der Franzosen. Wo Franzosen hergekommen, ist ungeklärt. Näheres nicht bekannt."
Erst jetzt begab sich General von Guretzky persönlich zu Fuß zum Gefechtsstand von Oberstleutnant Smalian. In schwerem feindlichen Artilleriefeuer arbeitete sich der General sprungweise den Hang des Hardaumont hinauf. Er hoffte wohl, noch eine andere Wendung der Lage feststellen zu können. Dies ist zumindest auch ein Widerspruch zu meiner gestern zitierten Quelle. Dort wurde geschrieben, die Verleihung des PLM sei auch ohne die Einnahme des Forts gerechtfertigt gewesen, da der General seine Truppen persönlich herangeführt habe. Nun, dies zumindest scheint er nach der jetzigen Schilderung nicht getan zu haben.
Somit gab es nicht nur eine Verleihung der höchsten Auszeichnung ins Blaue hinein, die Einnahme von Fort Vaux wurde auch im deutschen Heeresbericht gemeldet, was zu heftigen Protesten durch die Franzosen führte. In der öffentlichen Berichterstattung griff man daher auch die Notlüge aus dem Stab der 9. RD recht schnell auf, daß das Fort infolge eines französischen Gegenangriffes wieder verlorengegangen sei, was im Heeresbericht des folgenden Tages verkündet wurde. Dies führte zu erneuten Protesten durch die Franzosen.
Im Buch wird erwähnt, daß es nach dem Krieg nicht festzustellen war, ob am 9. März 1916 wirklich deutsche Soldaten das Fortinnere betreten haben. Wie bereits erwähnt, gab es die vereinzelten Aussagen deutscher Rückkehrer aus der vordersten Linie. Auf der anderen Seite wird im Buch darauf hingewiesen, daß die Franzosen selbst nach dem Krieg in keinster Weise darauf zu sprechen kamen, und sie würden es sicher erwähnt haben, wenn sie das Fort gegen einen deutschen Angriff gehalten hätten haben können.