Autor Thema: 'Der Brand' - Jörg Friedrich  (Gelesen 5806 mal)

Nightwish

  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 770
'Der Brand' - Jörg Friedrich
« am: 08.06.06 (21:55) »
Außer dem Untergang beschäftigt mich im Moment noch die Literatur über den Luftkrieg. Genauer über den Bombenkrieg gegen Deutschland.

Im Jahr 2002 wurde, nach Vorveröffentlicheungen in der Bildzeitung, 'Der Brand' veröffentlicht. Friedrich hat fast minutiös, teils sehr detailliert und was die Technik betrifft, teils stark vereinfacht manchmal falsch, aber immer sehr verständlich, den Weg von den Anfängen der Luftkriegsführung bis zum Ende der Schlacht um Deutschland beschrieben. Nach der Lektüre weiß man sehr genau, was welcher Stadt wann wiederfahren ist, zumeist auch wieso, und was alles verlorengegangen ist.

Damit erfolgte im Grunde das, was Sebald 1999 in 'Luftkrieg und Literatur' gefordert hat, nämlich eine Literatur über den Luftkrieg zu schaffen, die die nicht kommunizierte nationale Erniedriegung kommuniziert, weil es eine solche noch gar nicht gebe.

Friedrich sagt ähnliches, bzw. spricht den meisten Veröffentlichungen, die er aber zahlreich zitiert, ihre wissenschaftliche Fundiertheit ab.

Wie seht ihr das? Gab es schon vor Seebald/ Friedrich eine aussagekräftige Literatur über den Bombenkrieg über Deutschland?

Und, hat Friedrich damit ein Werk herausgebracht, auf das die deutsche Seele gewartet hat? Und war es an der Zeit ein solches Buch zu schreiben? Oder hat der Springer Verlag nur so geschickt an der Werbetrommel gedreht, dass man meinte es sei so?

Nightwish
lerne leiden, ohne zu klagen

... wenn man sonst nichts Wertvolles [sic!] beizutragen hat...

Richtschuetze

  • Gast
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #1 am: 09.06.06 (17:05) »
Ich habe das Buch sowie das 2 Werk mit Bilder der Städte!Nun ich denke das er damit schon aufzeigt die Leiden der Deutschen im 2 Weltkrieg ohne zu übertreiben wie man es vielleicht Irving oder Czerny unterstellen könnte!

Ob die deutsche Seele auf dieses Buch gewartet hat nun vielleicht!! ;)


Gruss

P.S besonders gut hat mir gefallen wie Friedrich auf die Geschichte der jeweiligen Städte eingeht!

Niwre

  • Moderator
  • Stammmitglied
  • *****
  • Beiträge: 4527
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #2 am: 10.06.06 (15:35) »
Wie seht ihr das? Gab es schon vor Seebald/ Friedrich eine aussagekräftige Literatur über den Bombenkrieg über Deutschland?

Klar gab es die, wenn ich Dein "aussagekraeftig" richtig interpretiere. Friedrich hat ja nichts anderes gemacht, als ein emotional ueberschwaengliches Buch aus anderen Werken zusammenzuschreiben. Leider hat er aktuelle Literatur (besonders wissenschaftl. Artikel) "uebersehen".

Zitat
Oder hat der Springer Verlag nur so geschickt an der Werbetrommel gedreht, dass man meinte es sei so?

Das ist der Hauptpunkt. Geschickt an der Werbetrommel geruehrt, schoen auf die Traenendruese gedrueckt und komplizierte Sachverhalte stark vereinfacht (mundgerecht) zusammengeschrieben. Neue Erkenntnisse bringt er nicht und alte Fehler wiederholt er.

Nightwish

  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 770
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #3 am: 14.06.06 (02:02) »
Hm, ich hoffte auf mehr Beiträge... aber danke an die beiden Schreiber  :) !

Ich denke, dass Friedrich auf einen gewissen Niveau, welches nicht dem von ihm selbst geforderten leider nicht entspricht, ein umfassend informierendes Werk geschaffen hat. Auch was die vernichteten Werte angeht, eine beeindruckende Sammlung. Allerdings kann man es irgendwann nicht mehr lesen, weil man das Gefühl hat, dass man es immer wieder liest. Das kann man als schlechte literarische Leistung sehen, oder als Folge, der von Friedrich ausgelösten 'zweiten Entfesselung des Bombenkrieges'. Letzteres wäre dann ja ein 'Lerneffekt' für die später geborenen.

Leider ist vieles mit Fehlern behaftet, und interessanterweise ohne eine Archivquelle. Er bedient sich der Quellen, die er im Editorial niedermacht, bzw. die es ja gar nicht gibt, nach Seebalds und seiner Meinung, und führt seine hohen Ansprüche ad absurdum.

Seine Wortwahl ist zwar gewaltig, aber auch zum Teil bedenklich. Z.B. Einsatzgruppen, Schlächter... Auch die Personifizierung des Bomber Command (er lässt chronisch das Personalpronomen weg) und der deutschen Städte, wirkt entweder aufgesetzt oder dumm. Dumm kann es aber nicht sein, denn schreiben kann er durchaus. Also will er gezielt Emotionen wecken. Und dass ist meiner Ansicht nach trivial oder banal, nicht wissenschaftlich. Naja, er übertreibt nicht, aber sein Stil hat eine eindeutige Opfer-Täter Zuordnung.

In Brandstätten ist mir der Zusammenhang von Fotos und Zitaten nicht klar. Irgendwie wirr und 'stimmungsmachend'. Zum Teil auch falsch und wiedersprüchlich. Wehrmachtssoldaten werden einmal als 'Russenkommando' und einmal als 'SS-Wachmanschaften' tituliert.

Wenn er in der Brand seinen eigentlich angenehmen Stil durchgezogen, wissenschaftlich korrekt gearbeitet und nicht so stimmungshaschend/ -machend formuliert hätte, wäre es ein wirklich gutes Buch.

Zur 'deutschen Seele': Ich weiß nicht, ob sie gewartet hat. Aber sicherlich wurde das Buch hochgespielt.

Weitere Meinungen?

Nightwish
lerne leiden, ohne zu klagen

... wenn man sonst nichts Wertvolles [sic!] beizutragen hat...

Hoover

  • Gast
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #4 am: 14.06.06 (11:43) »
das Buch "der Brandt" wurde für den normalen Leser geschrieben und hat in meinen Augen nicht den Anspruch, rein histroische Informationen zu vermitteln.

Ich habe es gelesen,a ber ab der Mitte etwa werden die Informationen zu bloßen Zahlenaufreihungen, eher langweilig und ermüdend.

Bücher wie "Feuersturm über Hamburg" von Hermann Brunswig ist zwar nur auf Hamburg gemünzt, aber in meinen Augen weit informativer und auch spannender zu lesen.

The Real Blaze

  • Gast
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #5 am: 14.06.06 (18:03) »
Zitat
das Buch "der Brandt" wurde für den normalen Leser geschrieben


Das heißt also du gehörst nicht zu den normalen Lesern? "Der Brand" lag den Briten schwer im Magen, es wurde rumlammentiert in der englischen Presse, ob den die Briten jetzt Kriegsverbrecher wären. Die Grundaussage dieses Buches ist, das Anprangern des Bombenterrors und das Töten Unschuldiger. Ich hab das jedenfalls so verstanden, wie wahrscheinlich jeder andere normale Leser.

Es ist die grundaussage die wahrscheinlich wurmt, oder? Und da dieses Buch recht deutlich wird ,was für Kriegsverbrechen die Briten und Amerikaner in Deutschland begangen haben, ist das natürlich ein fragwürdiges Buch für Hoover...

PS: das Buch heißt Der Brand und handelt nicht von Willy Brandt  War wohl gedanklich eine recht einleuchtende , aber falsche Querverbindung  8)
« Letzte Änderung: 14.06.06 (18:05) von The Real Blaze »

IM

  • Moderator
  • Stammmitglied
  • *****
  • Beiträge: 7695
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #6 am: 14.06.06 (18:58) »
Mir ging es beim Lesen des Buches ähnlich wie Hoover. Der Anfang war sehr gut und sehr interessant, spätestens ab der Mitte wiederholte sich jedoch alles und es wurde sehr träge, lies sich dann irgendwie schlechter lesen.

Das ist meine eigene Meinung, aber wenn man dies weggelassen hätte, wäre das Buch um einiges dünner geworden, ohne an der eigentlichen Grundaussage etwas weggelassen zu haben.

Richtschuetze

  • Gast
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #7 am: 14.06.06 (19:09) »
Zitat
Die Grundaussage dieses Buches ist, das Anprangern des Bombenterrors und das Töten Unschuldiger

nun ich sehe das zb so!Aber das muß jeder für sich ausmachen.

Zitat
Ich habe es gelesen,a ber ab der Mitte etwa werden die Informationen zu bloßen Zahlenaufreihungen, eher langweilig und ermüdend

Ja da muß auch ich Hoover recht geben!Oft mußte ich die Seite wieder neu Anfangen weil ich nicht mehr mit gekommen bin!

Mein Fazit kein "Knaller"aber doch lesenswert! ;D

Gruss


Nightwish

  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 770
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #8 am: 15.06.06 (00:57) »
Friedrich selbst hat den Anspruch erhoben, dass es sich bei 'Der Brand' um ein, im Gegensatz zu den meisten anderen Werken über den Bombenkrieg, die es aber eigentlich gar nicht gab, wissenschaftliches Werk handelt.

Aber gut/ interessant, dass ihr auch der Meinung seit, dass es 'längen' hat, die etwas anstrendend sind.

Ja, die Brits reagierten etwas allergisch.
lerne leiden, ohne zu klagen

... wenn man sonst nichts Wertvolles [sic!] beizutragen hat...

Hoth

  • Gast
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #9 am: 15.06.06 (07:33) »
Entscheidend ist doch, daß so ein Buch überhaupt in Deutschland erschienen ist. Eines das wohl kaum den absoluten Anspruch eines wissenschaftlichen Grundlagenwerkes erhebt, aber in seiner Eindeutigkeit und Eindringlichkeit auf jeden Fall präzise beschreibt und schockiert. Und natürlich ist auch die Schreibweise gewünscht, denn hier wurde sich nicht wie zumeist sonst auf einige "effektvolle" große Angriffe konzentriert, sondern in der nüchternen Aufreihung und Beschreibung von Angriff auf Angriff den alltäglichen und vielfachen Terror und Horror beschrieben.
« Letzte Änderung: 15.06.06 (09:56) von Hoth »

merlin61

  • Stammmitglied
  • ***
  • Beiträge: 1019
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #10 am: 15.06.06 (19:38) »
Selbst bei Amazon sind sich nicht alle einer Meinung über "Der Brand - Deutschland im Bombenkrieg 1940-1945":
http://www.amazon.de/gp/product/customer-reviews/3548604323/028-8598574-1658116?s=books

Krass ist dabei natürlich die völlig unterschiedliche Bewertung des Buchs von 1 bis 4 und 5 Sterne.
Eine Bewertung dazwischen - also 2 oder 3 Sterne - ist in den ganzen Rezensionen nicht zu finden...

Ich würde jetzt mal grob schätzen, dass über 95% dem Buch mindestens 4 Sterne gegeben haben.
Von daher hat es wohl bei den meisten nicht den selben Eindruck hinterlassen wie bei einigen hier.


---


* Ergänzung *

Als Erweiterung zu "Der Brand ..." empfiehlt Amazon dieses Buch (= welches wohl eher ein Sammelband der Sichtweisen "auch" dazu darstellt ...)

Lothar Kettenacker: Ein Volk von Opfern? Die neue Debatte um den Bombenkrieg 1940-45

Zitat

Kurzbeschreibung

Seit Jahren hat keine historische Debtte die Öffentlichkeit so stark beschäftigt wie die Kontroverse um die Rolle der Deutschen als Opfer im Zweiten Weltkrieg.
Die Leiden der Vertreibung und des Bombenkrieges sind erst seit kurzem Gegenstand einer öffentlichen Auseinandersetzung. Doch schon regt sich Widerstand:
Waren denn nicht Bombenkrieg und Vertreibung die gerechtfertigten Reaktionen auf den Angriffskrieg, der von Deutschland ausging?

Dieser Band versammelt die wichtigsten Beiträge führender Historiker, Publizisten und Schriftsteller aus England und Deutschland mit kontroversen Standpunkten und persönlichen Erfahrungen



Quelle: http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3871344826/ref=pd_bxgy_text_2/028-8598574-1658116
« Letzte Änderung: 15.06.06 (21:03) von merlin61 »
Optimismus ist ein Mangel an Information.
Ein Pessimist ist ein Optimist mit Erfahrung.

Hoover

  • Gast
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #11 am: 16.06.06 (00:21) »
Bei Amazon kann jeder eine Rezension schreiben. Also ist das bei Amazon nicht wirklich aussagekräftig.

Es ist bei den Rezensionen meistens: Ja oder nein. Mittel gibt es selten.

Zitat
Das heißt also du gehörst nicht zu den normalen Lesern? "Der Brand" lag den Briten schwer im Magen, es wurde rumlammentiert in der englischen Presse, ob den die Briten jetzt Kriegsverbrecher wären

Ja, ich habe mich verschrieben (kommt, weil ich ein Buch über Willy Brandt gelesen habe, das wirkt nach). "Der Brand" ist nun wirklich nichts Neues für den, der schon andere Literatur zu dem Thema gelesen hat. Nur zusätzliche Informationen. Daher halte cih es für überflüssig, dass Friedrich das Thema emotionalisiert. Aber es ist Geschmakchssache. ich war etwas enttäuscht, weil ich mir nach all der Aufregung mehr versprochen habe.

The Real Blaze

  • Gast
Re: 'Der Brand' - Jörg Friedrich
« Antwort #12 am: 16.06.06 (11:30) »
Für mich war das Buch eine gute Zusammenfassung, wenn auch längst nicht alle Bombenverbrechen der Alliierten aufgelistet waren. Da reicht ein Buch bei weiten nicht, nachdem was die auf deutsche Städte abgeladen haben. Zumindest war es aber immerhin den Engländern wert darüber öffentlich zu diskutieren, auch wenn es heute noch viele uneinsichtige Harris-Jünger gibt. Irgendwann wird es die große Maße begreifen, daß der alliierte Bombenkrieg gegen Zivilisten, Kirchen und Krankenhäuser abscheuliche Kriegsverbrechen im Namen der Demokratie waren. Die englische Spendenresonnanz beim Wiederaufbau der Frauenkirche zeigt, daß dort ein Umdenken im Gang ist.

 

post