Autor Thema: Gerd Schultze-Rhonhof  (Gelesen 36277 mal)

waldi44

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #45 am: 06.03.10 (16:44) »
Moin

Ansonsten hat der Vergleich mit den Flugzeugen einen kleinen Haken - Produzierte Flugzeuge müssen
auch bemannt werden (wie auch Schiffe) - Es gab auf Seiten der Briten ja auch Piloten anderer Nationen
die dort im Einsatz waren.

Gruß

Dafür hatte Deutschland ein grösseres Menschenpotential und man konnte und hat auch, von der vormilitärische Ausbildung der HJ profitiert.
Der tatsächliche Haken dabei war, dass deutsche Verluste fast immer Totalverluste waren- Flugzeug futsch, Besatzung futsch. Die Briten konnten oft noch eine Notlandung schaffen oder sich per Fallschirm auf eigenes Gebiet retten und selbst wenn sie im Meer runterkamen, war die Chance von britischen Rettungskräften geborgen zu werden grösser, als von deutschen.

Nomen Nescio

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #46 am: 06.03.10 (16:56) »
Kurz: Der Mann stellt die historischen Tatsachen schlichtweg auf den Kopf!
Nee, Waldi. Soweit ich es bis jetzt sehe, aber ich muß das Buch noch weiter lesen, stellt er nur nicht Fragen. Auch wenn das angebracht wäre.

Daß er es vom deutschen Standpunkt betrachtet ist logisch. Nur läuft er dann Gefahr , daß er mit Augenklappen vor etwas beurteilt.

Nomen Nescio

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #47 am: 07.03.10 (13:15) »
Dumm, dumm, dumm!!
Ich vergaß eine andere Stelle (von Seite 40) zu kopieren. Dann wird deutlich, warum ich Fragezeichen stellte bei der Furcht der Britten für die deutsche Flotte.
 
Zitat
Frankreich will die Niederlage von 1870-71 tilgen und Elsaß-Lothringen zurückerobern. Außerdem strebt es danach, militärisch wieder erste Landmacht auf dem Kontinent zu werden.
 
England empfindet sein Kolonialreich und die von ihm beherrschten Handelswege durch den deutschen Flottenbau gefährdet. Es sieht im Bau der deutschen Bagdad-Bahn und in den deutschen Erdölförderkonzessionen im Irak einen unerwünschten Zugriff auf eine Wirtschaftszone, die es bis dahin für die seine hielt. Die deutsche Erdölförderung bei Mossul und die neue Eisenbahnverbindung dorthin könnte England unterbinden lassen, wenn Serbien in einem Kriege auf der Seite Englands die deutsche Bahntrasse auf dem Balkan unterbrechen würde. Und nicht zuletzt ist Deutschland strategisch Großbritanniens potentieller Gegner Nummer eins, seitdem es Frankreich als erste Macht des Kontinents in fast jeder Hinsicht eingeholt beziehungsweise überrundet hat.
Da schreibt SR selbst, daß es nicht eine imaginäre Furcht ist, ein Vorwand also.

Wichtig finde ich, daß SR hier auch den Begriff «potentiell» verwendet. Denn dieser Begriff ist meist bestimmend beim Handeln von Staaten. Nicht was ein Land tut ist wichtig, sondern was es unter Umständen tun könnte.

Ich habe nicht umsonst schon jetzt die Beitrage in diesem Thread eingestellt. Da kann man lesen, daß es Frankreich war, daß Rußland einen Blankoscheck hinsichtlich Serbien gab. Nicht GB. Manchmal ist SR nachlässig. Und das finde ich doch bedenklich.

Ein anderes Beispiel (Seite 43):
Zitat
So steht dem Leichtsinn Wilhelms II. mit seiner Bündnistreueerklärung an Habsburg der gleiche Leichtsinn Poincarés mit solch einer Zusicherung an Rußland gegenüber.

Bei Poincaré war gar nicht Rede von Leichtsinn, sondern von reiner Berechnung. Er wollte den Serbischen Krieg, denn dann mobilisierte Ö-U, und war automatisch die Mobilisation von Frankreich und Rußland eine Tatsache, laut des Vertrages.

Solche Fehler, denn das sind es m.E. doch, sorgen dafür, daß ich das Buch sehr kritisch lese und versuche jede Behauptung zu prüfen.

Walter23

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #48 am: 07.03.10 (13:32) »
Moin

Zitat
[..]
England empfindet sein Kolonialreich und die von ihm beherrschten Handelswege durch den deutschen Flottenbau gefährdet. Es sieht im Bau der deutschen Bagdad-Bahn und in den deutschen Erdölförderkonzessionen im Irak einen unerwünschten Zugriff auf eine Wirtschaftszone, die es bis dahin für die seine hielt.
[..]

Evtl. ist hier auch ein Unterschied der verschiedenen Kolonial-Mächte bei der "Behandlung" ihrer 'Handelspartner' zu sehen und
das britische Empire (Imperium...) hatte kein Interesse daran, dass die bisherigen 'Handelspartner' zu einer anderen Macht hin
streben könnten. Die Mittel und Wege, dies zu unterbinden waren dann wohl "vielfältig". Häufig hält eine Bündnisstreue nur bis zum
Zeitpunkt eines (vermeintlich oder offensichtlich) besseren Abschlusses mit einem anderen Partner.

- - - - -

Bzgl. des Leichtsinns ist SchulzeRhonhof evtl. nicht so der Ansicht, dass der französische Staatschef ein derartige 'Kriegstreiber' ist oder
er möchte sich hier nur vorsichtig ausdrücken. Dies würde ich nicht zwangsläufig als Fehler einsortieren, denn hierzulande gilt es
im "Allgemeinwissen" recht fest geschrieben, dass der dt. Kaiser die Haupt/Alleinschuld trägt.

Gruß


Nomen Nescio

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #49 am: 07.03.10 (14:10) »
Bzgl. des Leichtsinns ist SchulzeRhonhof evtl. nicht so der Ansicht, dass der französische Staatschef ein derartige 'Kriegstreiber' ist oder er möchte sich hier nur vorsichtig ausdrücken. Dies würde ich nicht zwangsläufig als Fehler einsortieren, denn hierzulande gilt es im "Allgemeinwissen" recht fest geschrieben, dass der dt. Kaiser die Haupt/Alleinschuld trägt.
Seit in den 50. Jahre eine internationale Kommission Historiker in Verdun tagte und da als Urteil fällte, daß Deutschland nicht die Alleinschuld hatte an WK I, darf man m.E. das auch in Deutschland sagen.
Für mich ist es ohnehin gestattet, weil ich im Ausland wohne und Ausländer bin. Außerdem habe ich auch noch Gründe angegeben.

Wenn SR aber schreibt, daß der Krieg viele Väter hat, dann akzeptiert er damit nicht die «allgemeine Meinung». Und eben dann darf ich erst mit Recht über einen Fehler von ihm reden.
Ich kann es (noch) nicht beweisen, aber bekomme den Eindruck, daß er eher GB als F als den Kriegstreiber sieht. Und dann irrt er sich m.E.

waldi44

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #50 am: 07.03.10 (15:16) »
Bzgl. des Leichtsinns ist SchulzeRhonhof evtl. nicht so der Ansicht, dass der französische Staatschef ein derartige 'Kriegstreiber' ist oder er möchte sich hier nur vorsichtig ausdrücken. Dies würde ich nicht zwangsläufig als Fehler einsortieren, denn hierzulande gilt es im "Allgemeinwissen" recht fest geschrieben, dass der dt. Kaiser die Haupt/Alleinschuld trägt.
Seit in den 50. Jahre eine internationale Kommission Historiker in Verdun tagte und da als Urteil fällte, daß Deutschland nicht die Alleinschuld hatte an WK I, darf man m.E. das auch in Deutschland sagen.
Für mich ist es ohnehin gestattet, weil ich im Ausland wohne und Ausländer bin. Außerdem habe ich auch noch Gründe angegeben.

Wenn SR aber schreibt, daß der Krieg viele Väter hat, dann akzeptiert er damit nicht die «allgemeine Meinung». Und eben dann darf ich erst mit Recht über einen Fehler von ihm reden.
Ich kann es (noch) nicht beweisen, aber bekomme den Eindruck, daß er eher GB als F als den Kriegstreiber sieht. Und dann irrt er sich m.E.
Hm, irgendwie wird hier alles durcheinandergeworfen :o? WKI. ist doch die Kriegsschuldfrage ein "Alter Hut" und was zu WKII zu sagen hat,  stellt die historischen Tatsachen schlichtweg auf den Kopf! Sagte ich weiter oben schon.

Balsi

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #51 am: 07.03.10 (15:26) »
gebe aber Nomen dahingehend recht, das er die Schuld doch eher bei Frankreich und England sieht..zumindest als Verursacher. Für mich stellt sich dabei jedoch die Frage..wenn man sich einig ist, das der 1. WK zumindest viele Väter und Brüder hat.. wieso musste Dtll dennoch bis 2010 Reparationen allein zahlen und der Artikel "Alleinschuld" wurde nie getilgt? Man at sich zwar wissenschaftlich geeinigt, dennoch bleibt alles beim Alten.. grundsätzlich irgendwie ungerecht. Ich meine dann zieht man ja eben aus der Geschichte eben keine positiven Lehren...

waldi44

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #52 am: 07.03.10 (15:36) »
Vielleicht deshalb, weil niemand offiziell daran gerüttelt bzw. etwas beantragt hat.
Ist vielleicht so wir mit der Sonne und er Erde - noch lange nach der wissenschaftlicher Erkenntnis, dass die Sonne der Mittelpunkt unseres Sonnensythems ist, drehte sich für die Kirche alles um die Erde und obwohl schon lange klar war, dass die Erde eine Kugel war, blieb sie für die Kirchenoffiziellen eine Scheibe.

Walter23

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #53 am: 07.03.10 (17:51) »
Moin

Nunja ich bin ja quasi bei der Flottenpolitik hier eingestiegen und die war eben vor WK #1
;-)

Und hier wird es wohl doch irgendwie klar, dass es einen doch nicht unerheblichen Unterschied
zwischen politischer und wissenschaftlicher Geschichtsbetrachtung gibt ;-)

Wenn ich mir TV-Dokus so anschaue ist der Anteil der "politischen" Betrachtung irgendwie immer
noch deutlich spürbar - Auch wenn von dieser absoluten Alleinschuldszuweisung abgerückt wird,
so scheint es dennoch eine Art des Rechtfertigens zu geben und dass liegt wohl u.a. daran, dass
es (wie geschrieben) finanzielle/wirtschaftliche Verpflichtungen bis in die heutige Zeit hinein gibt.
Also an den (unterschlagenen) Tatsachen zu rütteln ist eben höchstpolitisch -  ::)

In diesem Kontext ist wohl auch das Buch von SchulzeRhonhof nicht unbedingt als ein rein Historisches
zu betrachten, sondern es der politische Aspekt, der bis heute mehr oder minder Entscheidungen und
(Be)Wertungen beeinflusst, behandelt.


Bzgl. Beantragungen
Tja - da unter den Staaten alles mehr oder minder mit Verträgen/Absprachen unterm Deckel gehalten wird
kommen solche Aspekte dann eher bei privaten/zivilrechtlichen Prozessen zu Tage, aber die WK1-Generation
ist davon nicht mehr betroffen ;-)

Nomen Nescio

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #54 am: 07.03.10 (18:43) »
Für mich stellt sich dabei jedoch die Frage..wenn man sich einig ist, das der 1. WK zumindest viele Väter und Brüder hat.. wieso musste Dtll dennoch bis 2010 Reparationen allein zahlen und der Artikel "Alleinschuld" wurde nie getilgt?
Eine Vermutung, mehr auch nicht. Vllt ist dies ein indirektes Erbe Hitlers.

WK II hat solche Verheerungen verursacht, daß die Länder überhaupt nicht daran dachten, um auch nur ein Augenblick Milde zu zeigen. Sie brauchten das Geld auch um die VS zurückzuzahlen (Marshallplan) und für Reparaturen und Restaurierungen im eigenen Land.

Nomen Nescio

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #55 am: 08.03.10 (14:04) »
SR schreibt auf Seite 61
Zitat
Um die Deutschen zu beruhigen und auch weiterhin zu einem Frieden zu bewegen, schiebt Wilson am 5. November 1918 folgende Erklärung nach:
„Die alliierten Regierungen ... erklären ihre Bereitschaft zum Friedensschluß mit der deutschen Regierung aufgrund der Friedensbedingungen, die in der Ansprache des Präsidenten an den Kongreß vom 8. Januar 1918 niedergelegt sind.“
 
Damit hat Wilson vorgetäuscht, auch die Regierungen Englands und Frankreichs hätten seine 14 Punkte akzeptiert.

Wenn ich  dagegen lese, was Andriessen in diesem Artikel schreibt, welcher Artikel unzählige Quellen nennt, dann steht da etwas anderes:
Zitat
De plannen van de president werden hem door de geallieerde regeringen bepaald niet in dank afgenomen. De Franse premier Clemenceau kon niet nalaten spottend op te merken dat de Here God slechts 10 punten nodig had gehad om tot een betere wereld te komen. De Britten reageerden ontzet. Vrijheid op zee betekende een regelrechte aantasting van hun tot dan toe steeds erkende machtspositie op de wereldzee. En wat zou het voorstel tot zelfbeschikking voor de Britse koloniale bezittingen betekenen?

Aan de andere kant, de geallieerden hadden niet veel keus. President Wilson had dat zeer duidelijk gemaakt door te dreigen een aparte vrede met Duitsland te sluiten als zijn plannen zouden worden afgewezen.

De Duitsers hadden zijn plan inmiddels geaccepteerd op voorwaarde dat de geallieerden het zelfde zouden doen.
Pas op 4 november antwoordden de geallieerden dat ze bereid waren het plan te aanvaarden met uitzondering van de clausule over de vrije zee en voorts eisten ze dat Duitsland schadeplichtig zou zijn.

Er was nogal wat vooraf gegaan aan deze acceptatie door de geallieerden. Men was mordicus tegen Wilson’s plan maar de sluwe Lloyd George had ontdekt dat het rammelde aan alle kanten en in de praktijk ruimte liet voor vele interpretaties.
Hij was er dan ook van overtuigd dat er tijdens de onderhandelingen voldoende ruimte zou zijn om concessies af te dwingen en adviseerde zijn partners een in principe positief antwoord aan de Amerikaanse president te zenden, en dat was wat geschiedde.
Hier steht ganz deutlich, daß Lloyd George die Partner empfahl Wilsons 14 Punkteplan zu akzeptieren. Und daß das geschah. Nur, und das ist die Crux, sagte Lloyd George ihnen auch, daß der Plan multi-interpretabel wäre.

Zitat
Kolonel House, de persoonlijk adviseur van Wilson, noteerde op die dag in zijn dagboek, ik citeer: „De geallieerden zijn nu niet meer vrij om met de Duitsers te doen wat ze willen. Nu ook Duitsland het plan aanvaard heeft zijn de geallieerden moreel en wettelijk gebonden aan de belofte vrede te sluiten op basis van het 14 puntenplan van de president”. Einde citaat.

Op 5 november lichtte Wilson de Duitsers over het geallieerde antwoord in waarop een Duitse wapenstilstandscommissie naar Compiègne vertrok om van maarschalk Foch de voorwaarden te vernemen.
Oberst House, der persönliche Berater von Wilson, notierte an jenem Tag in seinem Tagebuch, ich zitiere «Die Allierten sind jetzt nicht mehr frei mit den Deutschen zu machen was sie wollen. Nun auch Deutschland den Plan akzeptiert hat, sind die Allierten moralisch und gesetzlich an dem Versprechen gebunden Friede zu schließen auf Basis von dem 14 Punktenplan des Präsidenten». Ende Zitat.

Darum folgert Andriessen denn auch
Zitat
Toen de geallieerden het 14 puntenplan van Wilson hadden geaccepteerd, waren ze legaal en moreel aan dit verdrag verbonden. Nadat in Duitsland de revolutie was uitgebroken en geheel aan de wil der geallieerden was overgeleverd, verbraken die hun belofte en voerden een politiek van volledige destructie. Het was generaal Smuts die later schreef dat de geallieerden daarmede de oorlog op dezelfde manier beëindigden als ze begonnen werd nl. door het verscheuren van een heilig verdrag en het schenden van hun belofte af te doen als „just a scrap of paper”.
Als die Allierten den 14 Punktenplan von Wilson akzeptiert hatten, waren sie legal und moralisch an diesem Vertrag gebunden. Nachdem in Deutschland die Revolution ausgebrochen war, als es völlig der Wille der Alliierten ausgeliefert war, brachen sie ihr Versprechen und führten eine Politik der kompletten Destruktion. General Smuts schrieb später, daß die Alliierten damit den Krieg auf dieselbe Weise beendeten als sie begonnen wurde, nämlich durch das Zerreißen eines heiligen Vertrages und das Brechen ihres Versprechens und das zu betrachten als «just a scrap of paper».

Hier macht SR einen entscheidenden Fehler. Und das bei diesem wichtigen Punkt. Darum stelle ich jetzt die Frage «Wie zuverlässig ist sein Buch»?

Nomen Nescio

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #56 am: 11.03.10 (22:16) »
Er lügt ja nicht, er lässt nur viel weg und konstruiert dadurch neue Sichtweisen. Als Unterhaltungslektüre interessant, meinungsbildend sollte es nicht werden.
Jetzt verstehe ich was Du meinst. Du hast Recht.

SR schreibt auf Seite 103 u.a. über Seyß-Inquart. Weil SI Reichskommissar für die Niederlande war, wußte ich mehr über ihn. Zuerst was SR schreibt
Zitat
Im April 1937 setzt Schuschnigg auf deutsches Drängen einen Vermittler zwischen der Regierung und den Kräften der sogenannten Nationalen Opposition ein, um diese, wie versprochen, zur Mitwirkung an der politischen Verantwortung heranzuziehen. Der Vermittler ist der junge und parteilose Rechtsanwalt Dr. Seyß-Inquart, der sowohl das Vertrauen seines Bundeskanzlers Schuschnigg hat als auch bald das von Adolf Hitler. Seyß-Inquart macht keinen Hehl aus seinem Wunsch nach einem Anschluß Österreichs an das Deutsche Reich.

Anmerkung:  Seyß-Inquart tritt erst 1938 der Nationalsozialistischen Partei Österreichs bei.
Wenn man das liest, wird suggeriert, daß SI integer ist. Und genau da darf man Fragezeichen setzen.

Zitat
Seit 1931 engagierte er sich in österreichischen Organisationen, die der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) nahe standen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Arthur_Seyss-Inquart

Zitat
ab 1931
    Er baut Kontakte zur österreichischen Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP) auf.
http://www.dhm.de/lemo/html/biografien/SeyssInquartArthur/index.html

Zitat
stand ab 1931 mit der NSDAP in Kontakt (Beitritt 1938).
http://www.aeiou.at/aeiou.encyclop.s/s557667.htm

Liest man in Kershaws Biographie über Hitler, dann wird da geschrieben, daß SI ein Nazi-Sympathisant war und Hitler verriet, zu welche Konzessionen Schussnig bereit wäre. (Weinberg, ii, S 290). Kershaws Buch ist mit sehr viel Fußnoten versehen, die durch das IfZ (München) geprüft wurden. Darum glaube ich diese Behauptung.


Etwas weiter auf Seite 103 schreibt SR
Zitat
Trotz des Deutsch-Österreichischen Abkommens vom Juli 1936 und der Vermittlungstätigkeit Seyß-Inquarts läßt der Druck der Diktatur im Donau-Staat nicht nach. Die Dokumentation eines Wiener Rechtsanwalts vom Juni 1937 legt Zeugnis davon ab, wie Gerichte, Parteibehörden, Gendarmerie und Polizei 1936 und 37 mit den Personen umgehen, die sich im Sinn der ersten österreichischen Verfassung von 1918 nach wie vor zur Einheit mit dem Deutschen Reich bekennen. Die Dokumentation „Justitia fundamentum regnorum“ , die Bundeskanzler Schuschnigg zugeleitet wird, umfaßt 264 Beispielfälle von Rechtsbrüchen und Verfolgung an Angehörigen der „Nationalen Opposition“. Diese Sünden-liste ist beachtlich. Sie umfaßt
liste ist beachtlich. Sie umfaßt
?   Haftstrafen ohne Gerichtsverfahren,
?   Einweisung in Konzentrationslager ohne Gerichtsverfahren und Urteil,
?   Untersuchungshaft ohne richterliche Anordnung,
?   Beugehaft für Verwandte von Beschuldigten,
?   Haft- und Geldstrafen ohne Schuldbeweis,
?   Haftstrafen ohne Vorliegen eines Straftatbestandes,
?  Doppelbestrafung in zwei getrennten Verfahren wegen ein und derselben Straftat,
?   zusätzliche wirtschaftliche Nebenstrafen wie Vermögenseinziehung,
? Führerscheinentzug oder das Erheben von Verpflegungs- und Unterbringungskosten bei Konzentrationslager-Haft,
?   Umkehrung der Beweislast in Strafverfahren,
?   Geständniserpressung,
?   körperliche Mißhandlung von Inhaftierten,
?  Unterlassung von medizinischer Behandlung erkrankter oder verletzter politischer Gefangener, zum Teil mit Todesfolge,
?  Aberkennung der österreichischen Staatsbürgerschaft nach ungenehmigten Reisen nach Deutschland,
 ?  Einziehung von Handwerks- und Gewerbegenehmigungen sowie Zulassungen für akademische Berufe bei Personen mit „mangelnder staatsbürgerlichen Verläßlichkeit“ und
?  Entlassung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes wegen des „Verdachts der nationalen Gesinnung“ ohne Pensionen und Arbeitslosenhilfe.
Die Gründe dieser Strafen liegen immer ähnlich. Es sind die Zugehörigkeiten zu verbotenen Parteien, meist zu den österreichischen Nationalsozialisten, oder zu einem der vielen deutsch gesonnenen Gesangs- und Sportvereine oder auch nur der Wunsch des Angeklagten nach einer deutsch-österreichischen Vereinigung und manchmal auch nur ein Verdacht in dieser Richtung.
Das klingt ja sehr schlimm. Da wird ein Bild von Österreich gezeigt, daß es ein Land war, wo das Recht wenig bis nicht zählte.

Dennoch muß man hier etwas dazu sagen. Warum schweigt SR über die Rechtsvergewaltigung in Deutschland. Nicht umsonst habe ich daran sogar einen Thread gewidmet.

Zusammen mit Kershaws «Hitler» wird Evans «The Third Reich» als maßgebend betrachtet.
Wohlan, was schrieb Evans über Deutschland und die Gegner der Nazis? Ich übersetze gleich vom Niederländisch:
Zitat
1933 wurde in kurzer Zeit ein riesiges Apparat von Überwachung und Kontrolle organisiert, um jeder, der gegen das Nazi-Regime war ausfindig zu machen, zu verhaften und zu strafen, einschließlich mehr als eindrittel der Wählerschaft, die bei den letzten freien Wahlen in Deutschland links gewählt hatte.
Kurz: SR berichtet nicht genau, läßt manches bis viel weg. Dadurch zeigt er ein falsches Bild. Es ist tendenziös.
Jeder hätte das selbst entdecken können, wenn er die Fakten hätte prüfen wollen.
Ich lese sein Buch weiter, werde aber nicht mehr berichten, was ich noch mehr entdecke. Ich habe meine Meinung über sein Buch gesagt.

Niwre

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #57 am: 12.03.10 (10:12) »
Ich lese sein Buch weiter, werde aber nicht mehr berichten, was ich noch mehr entdecke.
Kannst Du ruhig machen, schaden kann es nicht.

waldi44

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #58 am: 12.03.10 (13:25) »
Ich lese sein Buch weiter, werde aber nicht mehr berichten, was ich noch mehr entdecke.

Mach ruhig! Vielleicht treffen wir uns doch noch bei meiner (und nicht nur meiner) Behauptung: Er stellt die Tatsachen auf den Kopf!

Stahlgewitter

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Re:Gerd Schultze-Rhonhof
« Antwort #59 am: 12.03.10 (23:20) »
Kurz: SR berichtet nicht genau, läßt manches bis viel weg. Dadurch zeigt er ein falsches Bild. Es ist tendenziös.
Jeder hätte das selbst entdecken können, wenn er die Fakten hätte prüfen wollen.

Das ist reine Ansichtssache. Sein Buch verstehe ich als Ergänzung zur allgemeinen Geschichtsschreibung in den letzten 65 Jahren, die selbst gewollt unpräzise und tendenziös ist. Gerade diese Lücken werden durch sein Buch gefüllt.

Es ist nicht erforderlich dass SR hier die bereits zigfach durchgekauten 'offiziellen' Aussagen zum Ausbruch des Zweiten Weltkriegs auch noch mal litaneiartig runterleiern muss, braucht er gar nicht, schliesslich folgen bereits 99% der aktuellen Veröffentlichungen zum besagten Thema der offiziellen Geschichtsschreibung.
Sein Buch beleuchtet vielmehr die bis dato absichtlich verschwiegenen und großzügig ungenannten Tatsachen und Hintergründe.

 

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