Autor Thema: Jüdische Brigade in Bir Hakeim  (Gelesen 10881 mal)

steffen04

  • Gast
Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« am: 12.01.11 (18:35) »
In Irvings Rommel-Bographie bin ich darauf gestossen, daß in Bir Hakeim eine jüdische Brigade (nicht die "Jüdische Brigade"mit etwa 1.000 Soldaten gekämpft hat, wohl (auch?) Deutsche. Ein Teil davon geriet in Gefangenschaft. Es gab einen Erschiessungsbefehl Hitlers (wie auch gegen die Freifranzosen), der aber nicht ausgeführt wurde (Irving meint, Rommel hätte den Befehl schlicht verschwinden lassen).

Die Freifranzosen wurden in Folge als reguläre Soldaten behandelt, obwohl Nazi-Deutschland nur Vichy-Streitkräfte als reguläre französische Soldaten akzeptierte.

Weiss jemand, was aus den Juden wurde?

IM

  • Moderator
  • Stammmitglied
  • *****
  • Beiträge: 7695
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #1 am: 12.01.11 (19:02) »
Vielleicht sollte man die Frage zuerst etwas allgemeiner angehen. Was geschah mit den alliierten Kriegsgefangenen auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz überhaupt ?

steffen04

  • Gast
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #2 am: 13.01.11 (08:34) »
Vielleicht sollte man die Frage zuerst etwas allgemeiner angehen. Was geschah mit den alliierten Kriegsgefangenen auf dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz überhaupt ?

Ja, möglich. Bin über jeden Recherchetip dankbar.

Ich kam über zwei Biografien auf die speziellere Bir Hakeim-Thematik. Hier die Zitate:

1, Cook, Charles de Gaulle, S. 203f.: "Am 12. Juni verbreiteten die Deutschen im Rundfunk die Meldung: "Die weissen und farbigen Franzosen, die in Bir Hakeim gefangengenommen wurden, gehören keiner regulären Armee an und werden daher nach dem Kriegsrecht, dem sie unterstehen, hingerichtet." ...........................
Noch am Abend des gleichen Tages verkündete der Berliner Rundfunk:: "Hinsichtlich der im Laufe der Kämpfe um Bir Hakeim gefangenen französischen Soldaten General de Gaulles werden als Soldaten behandelt." Dabei blieb es auch."

2. Irving, Rommel, S. 228: "Am 9. Juni sandte das OKW folgendes geheimes Fernschreiben an die Panzerarmee: "Nach vorliegenden Meldungen sollen sich bei den freien französischen Verbänden in Afrika zahlreiche deutsche politische Flüchtlinge befinden. Der Führer hat angeordnet, daß gegen diese mit äußerster Schärfe vorzugehen ist. Sie sind daher im Kampf schonungslos zu erledigen. Wo das nicht geschehen ist, sind sie nachträglich auf Befehl des nächsten deutschen Offiziers sofort und ohne weiteres zu erschiessen,....."

......In Rommels Akten befindet sich keine Kopie dieser Anweisung ....... darf man wohl annehmen, daß er (Rommel) den Führerbefehl vernichtet und ihn niemals gegenüber seinen Kommandeuren erwähnt hat."

Sowohl den Freifranzosen wie auch deutschen Kombattanten auf allierter Seite wurde also zuerst die Erschiessung angedroht. Diese wurden nicht durchgeführt. Aber wie ging´s dann weiter? Die deutschen die in der jüdischen Einheit oder der Legion gekämpft haben, dürften den Krieg wohl Kaum in einem PoW-Camp überlebt haben.

Balsi

  • Moderator
  • Stammmitglied
  • *****
  • Beiträge: 6622
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #3 am: 13.01.11 (08:42) »
@ Steffen..zu Deiner Frage scheint laut google hier etwas zu stehen: Kampf auf Leben und Tod - Das Buch vom Widerstand der Juden 1933 - 1945


steffen04

  • Gast
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #4 am: 13.01.11 (09:46) »
hab´s bestellt, danke dir

IM

  • Moderator
  • Stammmitglied
  • *****
  • Beiträge: 7695
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #5 am: 13.01.11 (09:51) »
Ich beschäftige mich auch gerade mit dem nordafrikanischen Kriegsschauplatz. Mir stellte sich allgemein die Frage, was geschah mit den alliierten Kriegsgefangenen ?

Der Kampf wogte ja über hunderte Kilometer im Bewegungskrieg hin und her. Transportraum auf deutscher Seite war immer knapp. Gab es ein zentrales Lager für die Gefangenen ??

Weiß da vielleicht jemand mehr ?

Niwre

  • Moderator
  • Stammmitglied
  • *****
  • Beiträge: 4527
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #6 am: 13.01.11 (10:21) »
1500 jüdische Kriegsgefangene gab es auch in Griechenland und auf Kreta: Palestinan POWs In German Captivity by Yoav Gelber.

StefaHHn

  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 108
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #7 am: 13.01.11 (22:25) »
Ein paar Gedanken dazu:

Es gab einen OKW Befehl von Ende 41 der alle Frei-Franzosen als Freischärler, die sofort zu erledigen sind, ansah. Als dann bei Bir Hachein die ersten France Libre (und die jüdischen, rotspanischen etc.) Truppen in die Hände der dt. fielen wurden alle Gefangenen als Kombattanten behandelt  und "ordnungsgemäß" als Kriegsgefangene behandlet.
Der Befehl vom 1941 und die Konkretisierung vom 09.06. wurden offensichtlich ignoriert. Irving hat da recht, in den Memoiren Westphals steht dazu "der Befehl vom 09.06 sollte mündlich an die Verbände weiter gegeben werden, wurde aber auf Befehl Rommels im AOK verbrannt" (abgedruckt in DRZW, Bd. 6, S. 620).

Interessant ist dann aber das die Freifranzosen auch danach an allen Fronten (Italien/Frankreich) als Kombattanten behandelt wurden obwohl ihr rechtlicher Status recht fraglich war, so wurde De Gaulles Komitee ja auch von den Allierten erst als franz. Regierung anerkannt als alles vorbei war (so Ende 44). Hitler äusserte sich wohl sogar mehrfach positiv über die France Libre (bei Lieb, Kriegführung und Partisanenbekämpf. in Frankreich, S. 178). 
Also dürften die meisten Gefangenen auch überlebt haben. Wer nicht in einem Kgf. Lager gelandet ist (Franzosen), sondern wie z.b. die "Rotspanier" oder andere kommunistische Kämpfer an die KZ´s überstellt, Buchenwald war zu einem erheblichen Teil mit solchen ehem. Soldaten (die dann nicht den "vollen" Kgf.Status bekamen belegt). Von planmäßigen Erschiessungen (auch der Juden später) habe ich nichts gefunden.

Allerdings steht auch bei Lieb (2007): "Eine wissenschaftl. Studie zu den Kriegsgefangenen der Deutschenausserhalb der SU steht noch aus."   

steffen04

  • Gast
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #8 am: 14.01.11 (10:57) »
Alles hochspannend. Ich habe auf die schnelle Niwres Yad Vashem-Link durchgearbeitet:


- bei Bir Hakeim wurden laut der Yad Vashem- Studie nur 24 jüdische Soldaten gefangen

- jüdische Freiwillige, die in der britischen Armee Dienst taten und in Gefangenschaft gerieten (etwa 1.500), wurden nach anfänglichen Irrungen bis zur Niederlage wie alle anderen POWs behandelt und haben das Kriegsende zum grossen Teil erlebt

- währenddessen ihre Kameraden, die  z.B. in Griechenland als Briten gefangen genommen wurden, dann aus POWLagern entflohen und später wieder als griechische "Zivil-"Juden geschnappt wurden, ins Gas gingen

- auch die Freifranzosen wurden als rechtmässige POWs behandelt, obwohl, wie Stephan richtig schreibt, die nicht einmal von ihren amerikanischen Verbündeten als legitime Vertreter Frankreichs  anerkannt wurden

Schwierig bei dem Thema ist generell die Terminologie. Die Yad Vashem-Sudie spricht z.B.
- auf S. 1 von 1.500 Jewish Volunteers from Palestine
- auf S. 6 von 1.350 Palestinians, equally divided among Jews and Arabs.
- auf S. 24 von "... some of their Comrades, originally from Salonica, who had escaped from captivity in Greece...."

Der zitierte Führerbefehl zur Erschiessung "deutscher politischer Flüchtlinge" bezieht sich möglicherweise gar nicht auf Juden in britischer Uniform, sondern ausschliesslich auf jüdische Fremdenlegionäre ?!




StefaHHn

  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 108
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #9 am: 14.01.11 (13:38) »
Nachbrenner, hatte ich gestern nicht mehr geschafft:

Ab Ende 41 scheint es da eine klare Linie gegeben haben. Soldaten, die in Verbänden "an der Front" kämpfen sind ausnahmslos als Kgf. zu behandeln, egal ob Sie jüdischen Glaubens, France Libre, polnische, rotspanische , belgische, Kolonialsodaten, sonstige Legionen (auch jüdische) etc. Legionäre  usw. waren. Wieso das so gehandhabt wurde bleibt im Unklaren. Ich kämpf mich da grad durch das Buch von Lieb, der meint evtl geht das bzgl. der Freifranzosen auf eine Intervention des Roten Kreuzes zurück und ansonsten auf die Angst der dt. Führung vor Repressalien der Alliierten an dt. Kgf, also nach der Devise, was man selbst macht (zunehmender Anteil fremdvölkischer Truppen, gerade auch in der SS) muss man dem Gegner auch zugestehen.

Ist aber für mich schon irritierend das "die 80jährige jüdische Oma" in Auschwitz vergast wurde, der 25jährige jüdische Offizier der vielleicht an der Invasionsfront mit der Waffe in der Hand gefangen genommen wurde, den Rest des Krieges in Colditz Karten spielte.

Soldaten, die nicht "an der regulären" Front kämpften, sollten dagegen ausnahmlos "erledigt" werden (wurde aber auch oft nicht gemacht, das hat dann meistens der SD/Sipo im Hinterland übernommen). Da spielte es wieder keine Rolle, ob Landeseinwohner, jüdischer Legionär oder amerikanischer Soldat, der in Uniform mit den Partisanen kämpfte (Stichwort auch "Kommandobefehl").

Auch seltsam, wie oben beschrieben, die jüdischen Kgf. in Griechenland hätte wohl keiner angerührt, ebenso hätten Sie sich den kämpfenden Truppen 43 in Italien angeschlossen und nicht den Partisanen.

steffen04

  • Gast
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #10 am: 14.01.11 (14:40) »
Ich kämpf mich da grad durch das Buch von Lieb, der meint evtl geht das bzgl. der Freifranzosen auf eine Intervention des Roten Kreuzes zurück und ansonsten auf die Angst der dt. Führung vor Repressalien der Alliierten an dt. Kgf, also nach der Devise, was man selbst macht (zunehmender Anteil fremdvölkischer Truppen, gerade auch in der SS) muss man dem Gegner auch zugestehen.

dazu noch ein Zitat aus Cook, De Gaulle im Zusammenhang mit dem Führerbefehl wg Bir Hakeim(s.o.):

...brachte daraufhin die BBC eine Stunde später ...folgende Erklärung des Generals (de Gaulles):

"Wenn sich die deutsche Armee so tief entehren sollte, die französischen Soldaten, die im Kampf für ihr Vaterland gefangengenommen wurden, umzubringen, so wäre General de Gaulle zu seinem tiefen Bedauern genötigt, mitzuteilen, daß den in die Hände seiner Truppen gefallenen deutschen Gefangenen das gleiche Schicksal bereitet würde!"

Noch am selben Abend verkündete der Berliner Rundfunk:"...s.o. "

Passt irgendwie nicht zum Führer, vor einem französischen Exilgeneral in die Knie zu gehen, aber wer weiss? Stringenz und Rationalität gehörten ja nicht zu Hitlers Lastern.

Wie wurden eigentlich polnische Kombattanten in Sowjetuniform, womöglich Juden, behandelt?

StefaHHn

  • Mitglied
  • **
  • Beiträge: 108
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #11 am: 14.01.11 (17:18) »
Der Ostschauplatz unterschied sich da um einiges vom Westen und Mittelmeer. Von den Verfehlungen der Truppe auf beiden Seiten (vor allem im 1. Kriegsjahr) abgesehen gab es hier noch den ganz klaren Befehl "unzuverlässige Elemente" auch unter den schon gefangenen Soldaten auszusieben und zu liquidieren.

Dazu gehörten Kommissare die bei der Truppe nicht "erledigt wurden", aktive Kommunisten, Juden generell  und halt auch ausländische Kämpfer. Dazu bei Hartmann "Der dt. Krieg im Osten" der Abdruck des Tagebuchs eines Dulag-Kdt. der sich regelmäßig darüber aufregt das der SD im Lager rumschnüffelt und Leute mitnimmt.

Dies lies dann aber ab Anfang 42 schnell nach, danach stand der Arbeitseinsatz im Vordergrund, also kaum noch planmäßige Liquidationen. Die polnische Armee auf russ. Seite wurde erst recht spät aufgestellt? 1943, kann das sein?  Wenn dann ein polnischer Jude als Soldat gefangen wurde wird der im Arbeitslager gelandet sein.

steffen04

  • Gast
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #12 am: 22.01.11 (16:35) »
@ Steffen..zu Deiner Frage scheint laut google hier etwas zu stehen: Kampf auf Leben und Tod - Das Buch vom Widerstand der Juden 1933 - 1945



Das Buch ist angekommen, Kurzvorstellung im Literaturforum

Erichx

  • Gast
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #13 am: 27.01.11 (12:57) »
Die jüdische Truppe war in Mechili, südlich von Bir-el-Hakim, 400 Mann. Der Kommandant war Felix Liebman aus Tel Aviv. Von Kriegsgefangenen steht da aber nichts.

steffen04

  • Gast
Re:Jüdische Brigade in Bir Hakeim
« Antwort #14 am: 28.01.11 (14:11) »
Die jüdische Truppe war in Mechili, südlich von Bir-el-Hakim, 400 Mann. Der Kommandant war Felix Liebman aus Tel Aviv. Von Kriegsgefangenen steht da aber nichts.

Von den 400 palästinensichen Juden in Mechili sind laut Lustiger (siehe oben) 300 gefallen der Rest schlug sich nach Bir Hakeim durch und von dort aus weiter mt den abrückenden Franzosen.

Bei Bir Hakeim gerieten lt. Yad Vashem 24 Juden in Gefangenschaft. Ob Mechili-Kämpfer und/oder Legionäre ist nicht ganz klar.

Bei Bir Hakeim stand die 13. Halbbrigade der Legion, in der die europäischen Freiwilligen gegen die Nazis gesammelt wurden, darunter waren ebenfalls viele Juden, es war aber keine jüdische Truppe.

Zum Beginn des Threads zurück Irving scheint mit seiner "jüdischen Brigade" entweder o.a. LE-Einheit oder die Mechili-Einheit gemeint zu haben.

Wie gesagt, der Sprachgebrauch ist bei dem Thema schlicht zum Würgen..