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Übertritte zwischen extremer Linken und Rechten

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steffen04:
Nationalsozialismus und Kommunismus sind in der Praxis ja eine Soße, und auch ideologisch gibt es eine Menge Überschneidungen. Der linke NSDAP-Flügel (natürlich Strasser, aber auch Goebbels) sympathisierte immer eher mit der Kommune als mit der Plutokratie – folgerichtig gab es auch Übertritte zwischen den Parteien, respektive ihrer Unterorganisationen.

Frage: Kennt wer prominente Fälle?

Ich bin bisher auf zwei interessante Fälle gestossen:
Ernst Torgler, Fraktionsvorsitzender der KPD im Reichstag bis 33, 1935 aus der KPD ausgeschlossen.
Bei Kriegsbeginn verfasste er „kommunistische Agitationstexte gegen Frankreich und Großbritannien.
Ab 1941 arbeitete er für die „Treuhandstelle Ost“, die jüdischen und polnischen Besitz in den besetzten Gebieten arisierte. Nach dem Krieg wollte er wieder in die KPD, schaffte es 1949 aber nur in die SPD.

Eugen Mossakowski, Leiter der Zeitschrift „Nationalsozialistische Pressekonferenz“, NS-Linker, trat kurz vor der Machtergreifung zur KPD über. Wie es 33 weiterging weiss ich nicht. Darwin-Award? Vor seiner NS-Karriere war er bei der sächsischen SPD, dann bei einer Splittergruppe, die Alte SPD nannte. Als die wieder in der SPD aufging, ging Mossakowski zur NSDAP.

In der Bundesrepublik gibt es natürlich Horst Mahler, der von der RAF zu den Nazis wechselte.

Zusatzfrage: In meiner Jugend las ich mal einen Romanüber einen jungen Kommunisten, der zur SA ging, weil ihm die schlagkräftiger erschien. Als er der Meinung war, daß die NSDAP sich vom Kapital hat kaufen lassen, wechselte er zurück zur Kommune. Der Autor hatte einen englischen Namen, der Titel war ein gängiges Schlagwort ("Die Fahne hoch" o.ä.). Kennt das jemand?

Ostpreuße:

--- Zitat von: steffen04 am 23.06.10 (09:53) ---Nationalsozialismus und Kommunismus sind in der Praxis ja eine Soße, und auch ideologisch gibt es eine Menge Überschneidungen. Der linke NSDAP-Flügel (natürlich Strasser, aber auch Goebbels) sympathisierte immer eher mit der Kommune als mit der Plutokratie ...
--- Ende Zitat ---

Moin moin,

ja das könnte man glauben, wenn man sich oberflächlich mit der Materie beschäftigt. Und so dürfte es auch einigen Leuten gegangen sein, die zwischen den Parteien wechselten. Jedoch waren die Nazis nicht ansatzweise Sozialisten (oder Kommunisten).

Die Kernfrage - der Dreh- und Angelpunkt - der Sozialismustheorie ist die Abschaffung des Privateigentums an Produktionsmitteln durch deren Vergesellschaftung bzw. Verstaatlichung.

Zitat:
„Alle soziale Abhängigkeit und Unterdrückung wurzelt in der ökonomischen Abhängigkeit des Unterdrückten vom Unterdrücker.“ (August Bebel)

Trotz aller Unterschiede und Richtungskämpfe zwischen den verschiedenen Strömungen ist die Aufhebung dieser ökonomischen Abhängigkeit, die sich aus der kapitalistischen Produktionsweise ergibt, das zentrale Anliegen aller Sozialisten/ Kommunisten.

Dagegen war das scheinbare Bekenntnis der Nazis zum Sozialismus nichts weiter als kaltblütige Taktik. Hitler hatte nie die Absicht, Produktionsmittel zu verstaatlichen.

Zitat:
“Das linke Etikett trug diese Ideologie vor allem aus machttaktischen Erwägungen
(...)
im Jahre 1930 war die NSDAP nach der Vorstellung Hitlers "sozialistisch", um sich den Stimmungswert einer populären Vokabel zunutze zu machen
(...)
Wie das Bekenntnis zur Tradition, zu konservativen Wertvorstellungen oder zum Christentum gehörten die sozialistischen Parolen ins manipulationsfähige Vorfeld, das der Tarnung, der Verwirrung diente und nach Opportunitätsmotiven mit wechselnden Schlagwörtern bestückt war. Wie zynisch zumindest an der Spitze die Programmgrundsätze mißachtet wurden, erfuhr einer der jungen enthusiastischen Überläufer zur Partei im Gespräch mit Goebbels; auf die Bemerkung, daß Feders Brechung der Zinsknechtschaft doch ein Element des Sozialismus enthalte, bekam er zur Antwort, brechen müsse höchstens der, der diesen Unsinn anhöre.“ (Joachim Fest, Hitler, 1995)

Als der linke Flügel um Otto Strasser diesen Widerspruch begriff und Hitler 1930 zur Rede stellte, wurde ebendieser Flügel kurzerhand entmachtet.

Zitat:
„Am 4. Juli [1930/JL] verkündeten daraufhin Otto Strassers Zeitungen: "Die Sozialisten verlassen die NSDAP!" Aber kaum jemand folgte ihm, die Partei besaß, so stellte sich heraus, fast keine Sozialisten und überhaupt kaum Menschen, die ihr politisches Verhalten theoretisch gedeutet wissen wollten. (...) Das Ausscheiden Otto Strassers beendete nicht nur ein für allemal den sozialistischen Grundsatzstreit in der NSDAP, es bedeutete auch einen erheblichen Machtverlust für Gregor Strasser, der seither keine Hausmacht und keine Zeitung mehr besaß.“ (Joachim Fest, Hitler, 1995)

http://www.ns-archiv.de/nsdap/sozialisten/sozialisten-verlassen-nsdap.php

Und vor genau diesem Hintergrund erklärt sich auch die enge Zusammenarbeit der Nazis mit der Wirtschaft.

Gruß Falk

steffen04:

--- Zitat von: Ostpreuße am 23.06.10 (13:27) ---
--- Zitat von: steffen04 am 23.06.10 (09:53) ---Nationalsozialismus und Kommunismus sind in der Praxis ja eine Soße, und auch ideologisch gibt es eine Menge Überschneidungen. Der linke NSDAP-Flügel (natürlich Strasser, aber auch Goebbels) sympathisierte immer eher mit der Kommune als mit der Plutokratie ...
--- Ende Zitat ---

Moin moin,

ja das könnte man glauben, wenn man sich oberflächlich mit der Materie beschäftigt. Und so dürfte es auch einigen Leuten gegangen sein, die zwischen den Parteien wechselten. Jedoch waren die Nazis nicht ansatzweise Sozialisten (oder Kommunisten).
--- Ende Zitat ---

[/quote]

Bis klar war, daß Hitler sich in der Partei durchsetzen würde konnte sich jeder im Parteiprogramm aussuchen, ob er jetzt mitmarschiert, weil er gerne nationaler Sozialist, Antisemit, Lebensraum im Osten-Eroberer oder einfach nur Sieg-Heil-Schreier sein wollte. Strasser und Co waren sowas ähnliches wie Sozialisten, auch wenn sie sich nicht durchsetzen konnten.

Tatsächlich marschierte der NS-Staat mit den SS-Betrieben, Hermann-Göring-Werken, Wolfsburg etc. ein gutes Stück in Richtung Abschaffung des Privateigentums. Planwirtschaft (bei Beibehaltung des Privateigentums) bestand schon früh für praktisch alle Bereiche der Wirtschaft.

Hitler paktierte mit dem Kapital, weil er sich nicht zu viele Gegner auf einmal machen wollte, ein überzeugter Wirtschaftsliberaler war er aber wohl eher nicht
 
Wie auch immer: mir geht´s nicht um Systemtheorie sondern um die Wechselfälle des politischen Lebens, sprich Personen.

Kennt wer welche?

Nomen Nescio:

--- Zitat von: steffen04 am 23.06.10 (14:25) ---Wie auch immer: mir geht´s nicht um Systemtheorie sondern um die Wechselfälle des politischen Lebens, sprich Personen.

Kennt wer welche?
--- Ende Zitat ---
Sag mal zuerst ob Du meinst bevor WK II, oder nach WK II. Denn nach WK II wurden ziemlich viel Braunen in der DDR plötzlich rot !!
Und Braunen in der BRD waren plötzlich farblos. Womit gleich feststeht, daß die Reinigungsmittel in der BRD besser waren als in der DDR.  Da hatte man aber auch nicht Persil.  ;D

Ostpreuße:

--- Zitat von: steffen04 am 23.06.10 (14:25) ---Vollzitat
--- Ende Zitat ---

Die Gründung von ein paar Betrieben durch Staat und Partei bedeutet noch lange nicht Abschaffung des Privateigentums - und ist nicht ansatzweise systemrelevant. Die Leute, die tatsächlich die Verstaatlichung von Konzernen wollten, kamen 1933 ins Zuchthaus und KZ.

Fakt ist, daß sich die deutsche Wirtschaft in diesen 12 Jahren dumm und dusselig verdient hat. Die Deutsche Bank z.B. hat in dieser Zeit ihre Aktiva verdreifacht. Eines der Glanzlichter wirtschaftlicher Denkweise war die Errichtung einer Munitionsfabrik - des sogenannten „Berthawerkes“ durch Krupp direkt neben Auschwitz. Es gab praktisch kaum einen Bereich der Wirtschaft, der nicht von der Zwangsarbeit profitierte.

Exorbitante Rüstung, Zwangsarbeit und Raub. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie eine Politik aussehen soll, die noch wirtschaftsliberaler ist.

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