Autor Thema: Der 75. jährige Krieg  (Gelesen 2909 mal)

Nomen Nescio

  • Gast
Der 75. jährige Krieg
« am: 26.11.09 (19:50) »
In meinem Niederländischen Geschichteforum haben wir eine Weile darüber geredet. Allmählich herrscht da doch Übereinstimmung.

Der Krieg 1870-1871 führte unweigerlich zu WK 1 (ich werde später noch etwas im Thread dazu schreiben). Und WK 1 zu WK 2. Darum, so fanden wir, könnte man besser reden von einem Krieg, der 1870 begann und 1945 endete. Es gab zwei Interbella (1871-1914 und 1918-1939).

Wie denkt man bei Euch über einen 75. jährigen Krieg?

Christian

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #1 am: 26.11.09 (20:10) »
Der Krieg 1870-1871 führte unweigerlich zu WK 1

Von einem zweiten Dreissigjährigen Krieg 1914-1945 zu sprechen ist in Teilen der Forschung durchaus üblich. Auf die Idee "75jähriger Krieg" würde allerdings kaum jemand kommen. Einige Historiker gehen zwar bis 1806/1815 zurück um die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs zu beleuchten, aber davon zu sprechen 70/71 hätte unweigerlich zu 1914 geführt ist sehr gewagt.

Stahlgewitter

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #2 am: 26.11.09 (20:45) »
Ich glaube hier werden Begrifflichkeiten verwechselt bzw. falsch interpretiert. Im deutschsprachigen Raum bezeichnet(e) man den Deutsch-Französischen Krieg auch als den 'Siebziger Krieg', abgeleitet von den Jahreszahlen 70/71, hat(te) aber nichts mit der Dauer des Konflikts zu tun.

Nomen Nescio

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #3 am: 26.11.09 (20:48) »
Von einem zweiten Dreissigjährigen Krieg 1914-1945 zu sprechen ist in Teilen der Forschung durchaus üblich. Auf die Idee "75jähriger Krieg" würde allerdings kaum jemand kommen. Einige Historiker gehen zwar bis 1806/1815 zurück um die Vorgeschichte des Ersten Weltkriegs zu beleuchten, aber davon zu sprechen 70/71 hätte unweigerlich zu 1914 geführt ist sehr gewagt.
Nicht, wenn man sich mit dem Treiben der Franzosen ab etwa 1880 beschäftigt hat.
Sie hatten selten eine derartige Schlappe erlitten. Außerdem hatte Bismarck sie politisch isoliert. Die Rachegelüste waren so unglaublich dominierend, sie bestimmten wirklich ihr ganzes Tun und Lassen.

Darüber werde ich aber später noch schreiben bei den Ursachen von WK 1.

Nomen Nescio

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #4 am: 26.11.09 (20:50) »
Ich glaube hier werden Begrifflichkeiten verwechselt bzw. falsch interpretiert. Im deutschsprachigen Raum bezeichnet(e) man den Deutsch-Französischen Krieg auch als den 'Siebziger Krieg', abgeleitet von den Jahreszahlen 70/71, hat(te) aber nichts mit der Dauer des Konflikts zu tun.
Ich rede aber von der Dauer, von 1870 bis 1945 gibt 75 Jahre.

Richtschuetze

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #5 am: 27.11.09 (06:22) »
Wir nicht 1870-71 genauso wie 1866 und 1864 eher als Reichseinigungskriege bezeichnet!!?

Ich denke allerdings das Nomen hier garnicht so Unrecht hat mit dem was er da schreibt! 8)

Frankreich war all die Jahre gewöhnt den Kontinent  im Großen und Ganzen zu beherschen! Jetzt aber war eine "neue" Macht da!


Gruss

Walter23

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #6 am: 27.11.09 (15:55) »
Moin

Tief stecke ich in der Thematik nicht wirklich drin, aber wieviel
"unruhe" war in Europa in der Zeit 1871-1914?

Im Zeitraum 1918-1939 fallen mir irgendwie schneller hier und da
"Unruhestätten" ein.

So hat ja die britische Blockade gegenüber dem Deutschen Reich
nicht im Jahr 1918 geendet.

Nachdem das Zarenreich erledigt war gab es ja noch einige Zeit "Unruhe"
in Osteuropa.

In Italien gab es den Marsch auf Rom.

Polnische "Insurgenten" haben 1921 für "Unruhe" in deutschen Teil Oberschlesiens
gesorgt.

In Spanien gab es den Bürgerkrieg, der auch nicht "von hier auf jetzt" plötzlich da war.

Die sog. Selbstbestimmung der Völker hat ja auch so ihre Blüten getrieben.


Gruß

Walter

Nomen Nescio

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #7 am: 27.11.09 (16:20) »
Tief stecke ich in der Thematik nicht wirklich drin, aber wieviel
"unruhe" war in Europa in der Zeit 1871-1914?

Im Zeitraum 1918-1939 fallen mir irgendwie schneller hier und da
"Unruhestätten" ein.
Was meinst Du zum Balkan und zur Türkei?
Rußland versuchte im Balkan Einfluß zu bekommen, mit als Ziel letztlich natürlich den eisfreien Hafen. Auf Kosten der Türkei, selbstverständlich.
Österreich war mordicus gegen Einfluß von Rußland, aber auch gegen die Türkei. Deutschland knüpfte wieder Freundschaftsbände an mit der Türkei.

Frankreich und England versuchten die Arabieren zu beeinflüßen. Wer herrschte da? Genau, die Türkei. Die auch noch ein Großteil des Balkans in Eigentum hatte.

Nicht umsonst wurde das dort ein Pulverfaß genannt.

Und weiter: gab es nicht Aufrüstung der Deutschen Flotte? Und etwas mit Marokko, wo Wilhem II einen Kreuzer hinschickte?
« Letzte Änderung: 27.11.09 (16:28) von Nomen Nescio »

waldi44

  • Stammmitglied
  • ***
  • Beiträge: 3050
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #8 am: 28.11.09 (11:47) »
Die Kriege zwischen 1864 und 1870/71 bezeichnet man tatsächlich als die "Einigungskriege"(Deutsche Einigungskriege), bei denen es nur im letzteren Krieg mit Frankreich gab.
Es gab schon zuvor und danach Kriege, die zwecks "Kanonenputzen" für mehr oder weniger lange Zeit unterbrochen wurden, so der Dreissigjährige Krieg oder der Krieg der Finnen mit der Sowjetunion, die den zweiten dann folgerichtig auch "Fortsetzungskrieg" nannten.
Keiner aber wurde für einen so langen Zeitraum unterbrochen- über 40 Jahre. Ein Zusammenfassen der Krieges von 1870/71, 1914/18 und 1939/45 halte ich nicht für zulässig. Auch die These, dass der Krieg von 1870/71 zwangsläufig zum neuen Waffengang Frankreich Deutschland führen musste, muss erst noch bewiesen werden.
Revangegelüste allein reichen nicht für einen Krieg aus, an dessen Ende ja ein  eigener Sieg stehen sollte!
Ein Zusammenhang zwischen dem 1. und dem2. Weltkrieg hingegen ist unbestritten und auch die "Unterbrechung" hält sich in einem annehmbaren Zeitrahmen, so dass die Behauptung vom zweiten Dreissigjährigen Krieg durchaus seine Berechtigung hat.

Nomen Nescio

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #9 am: 28.11.09 (12:31) »
Keiner aber wurde für einen so langen Zeitraum unterbrochen- über 40 Jahre. Ein Zusammenfassen der Krieges von 1870/71, 1914/18 und 1939/45 halte ich nicht für zulässig. Auch die These, dass der Krieg von 1870/71 zwangsläufig zum neuen Waffengang Frankreich Deutschland führen musste, muss erst noch bewiesen werden.
Revangegelüste allein reichen nicht für einen Krieg aus, an dessen Ende ja ein  eigener Sieg stehen sollte!
Ha, Waldi, liest Du eigentlich alles??  ;D

Ich werde noch mehr dazu schreiben, denn habe noch einiges. Dennoch, aus Anfang WK I kopiere ich hier was über den Rückversicherungsvertrag zwischen Deutschland und Rußland.
Zitat
Fast sofort als bekannt wurde, daß der Vertrag nicht verlängert war, sandte Frankreich General Boisdeffre nach Rußland. Also noch 1890!!
Boisdeffre blieb zwei Wochen in Rußland und hatte viele Besprechungen mit dem Militär. Bevor er zurückfuhr, wurden die Besprechungen abgerundet mit einem (geheimen) Abkommen über militärische Zusammenarbeit, falls ein der beiden Ländern in Krieg mit Deutschland käme.
Die Essenz dieses Vertrages war in Artikel 2 zu finden. Darin stand, daß wenn nur ein Mitglied der Triple Allianz (Italien, Deutschland und Österreich) mobilisieren würde, Frankreich und Rußland sich dann sofort in Krieg mit Deutschland betrachten würden.
Wir reden dann über 1890 !!

Michael 60

  • Gast
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #10 am: 28.11.09 (13:40) »
Die Bezeichnung ist doch irreführend. Wenn ich vom Krieg 70/71 oder dem II. Weltkrieg rede, weiß jeder welchen Zeitraum man meint.

waldi44

  • Stammmitglied
  • ***
  • Beiträge: 3050
Re:Der 75. jährige Krieg
« Antwort #11 am: 28.11.09 (13:57) »
@Nomen Nescio
Dem Bestreben Frankreichs die momentane Meinungsverstimmung zwischen Kaiser und Zar für sich auszunutzen, setzte Bismatck am 18. Juni 1881 den Dreikaiserbund entgegen. "Die Vertragspartner verpflichteten sich auf drei Jahre zu wohlwollender Neutralität in einem potentiellen Krieg mit einer vierten Partei und vereinbarten eine Konsultationspflicht für ihre Aktivitäten auf dem Balkan. Das Deutsche Reich konnte sich so der russischen Neutralität in einem etwaigen französisch-deutschen Krieg sicher sein, während Russland mit der reichsdeutschen und österreichisch-ungarischen Neutralität im Falle eines Krieges gegen Großbritannien wegen der Meerengenfrage oder gegen das Osmanische Reich auf dem Balkan abgesichert war."
Im Grunde aber wollte sich Russland in erster Linie gegen Österreich und seine Expansionspläne absichern, was schlussendlich zum 1. Weltkrieg führte. Deutschlnd und sein Kaiser waren da irgendwie die "Deppen"*, die den Durcblick oder Überblick verloren hatten. Ein Staatsschiff in schwierigen Gewässern ohne einen fähigen Lotsen, den hatte man ja schon vor langer Zeit von Bord geschickt und selber das Ruder in die Hand genommen.

* Nicht Falsch verstehen, Wilhelm war kein Depp, nur eben politisch auch nicht sonderlich begabt.

@Nomen Nescio
Nein, ich lese nicht alles, aber viel 8)!