Grey strebte zuerst einen Vertrag mit Rußland nach. Zwar mußte er Konzessionen machen (Rußland bekam z.B. freie Hand im Balkan), aber damit erreichte er, daß am 31. Augustus 1907 ein Vertrag unterzeichnet wurde.
Grey hatte einen sehr starken Mitstreiter gefunden in General Wilson. Auch der darf als einer der Architekten der Entstehung von WK I betrachtet werden.
Seit er Aungust 1910 Direktor Militairy Operations wurde, war er der wichtigste Inspirator der französisch-britische militärische Zusammenarbeit. Nicht nur versuchte er dauernd seine politischen Vorgesetzte dafür zu warnen, daß GB sich vorbereiten mußte auf Krieg, daneben versuchte er die Britisch-Deutsche Beziehungen unter Druck zu setzen.
Deutlich sind diese Zitaten aus Caldwells Buch «Field Marshal Sir Henry Wilson - His life an diaries», Teil 1, Seite 107
There is a sort of somnolence in the Office which annoys me, so I am preparing another bomb to see if I can wake things up. Grey’s speech (his statement of British policy in the House) was good. It will annoy the Germans and the British Radicals which is good.
1911 (Marokkokrise) tagten Wilson, Grey und Churchill. Sie vereinbarten sich auf Krieg vorzubereiten. Schon März 1911 waren Wilsons Pläne fertig, um die BEF nach Belgien oder Frankreich zu schicken. Währenddessen behauptete Grey im Parlament, daß GB keine einzige Verpflichtung Frankreich gegenüber hatte, was durch Wilson bestätigt wurde. Inzwischen aber sagte Wilson die Franzosen, daß die militärische Besprechungen «de facto» eine Britische Garantie waren zur aktiven Unterstützung. Am 20 Juni 1911 unterzeichnete er sogar ein Abkommen mit dem französischen General Dubail. Darin stand, daß GB nicht mit vier, sondern mit sechs Divisionen in Frankreich oder Belgien landen würde.
Während der 2. Marokkokrise schickte Wilson dem Französischen Generalstab ein Telegramm, als er hörte, daß Frankreich die Möglichkeiten eines bewaffneten Konflikts untersuchte:
...it was vital that Germany should appear to be the responsible party. Should France to be the aggressor, public opinion would be divided and English intervention would find itself greatly retarded.
Seitdem begann Wilson beunruhigende Mitteilungen über die deutsche Kampfkraft auszustreuen.
Am 1. November 1911 fand eine Tagung des ganzen Britischen Kabinetts statt. Darin verneinten sowohl PM Asquith als Grey, daß England geheime Verträge mit Frankreich hatte. Als daraufhin mehrere Ministers es nicht glauben wollten, obwohl Asquit und Grey es sogar schworen, wurde eine neue Kabinettssitzung für den 15. November anberaumt. Es war fast eine Wiederholung vom 1. November. Nur forderten diesmal Ministers vom Minister-Präsidenten Asquith eine Erklärung, daß
communications (with France) if related to concerted actions by land or sea, should nor be entered into without previous approval of the Cabinet.
Vorläufig waren die Regierungsmitglieder beruhigt, und Grey fuhr fort mit seiner geheimen Politik.
Zurück nach 1898. Am 1. April schlug der britischen Minister für Kolonien, Chamberlain, Deutschland Zusammenarbeit vor. Dies bedeutete u.a. daß GB Deutschland Hilfe leisten würde, falls Deutschland angegriffen würde; et vice versa. Chamberlain wollte damit die Russische Expansion in Asien beenden. Der damalige Reichskanzler Von Bülow wollte aber die
scheinbar gute Beziehungen (ab 27. Dezember 1893 gab's bereits den Vertrag Frankreich-Rußland !!) nicht riskieren. Ganz ablehnen wollte er aber auch nicht, und so versuchte er eine Verzögerungstaktik. Darauf drohte Chamberlain ein Bündnis mit Frankreich und Rußland zu schließen. Von Bülow blieb aber abweisend, und ab jenem Moment trat eine Entfremdung ein.
1900 kam Tirpitz´ Flottengesetz. Tirpitz spielte mit der Gedanke Frankreich oder Rußland als Bundesgenosse zu kriegen. Das wieder würde bedeuten, daß evt. zwei Flotten zusammen GB bekriegen könnten. Rund 1903-1904 begann England sich Sorgen zu machen über diese Entwicklung. Daraufhin entschied man sich die «Two Power Standard» als Norm zu hantieren.
Und so begann die Spirale von Aktion und Gegenaktion.
Durch die britisch-französische Entente, das Konzentrieren der britschen Flotte in der Nordsee, aber besonders durch die Marokkokrise war Deutschland um so mehr davon überzeugt, daß es eine starke Flotte brauchte. Dann kam das neueste, stärkste Schlachtschiff der Welt, der Dreadnought. Tirpitz begann deshalb neue Pläne zu machen um der Rückstand zu mindern.
Der Deutsche Reeder Ballin, Direktor der Hamburg-Amerika Linie, sah mit scheelen Blicken sah er die Verschlechterung der britisch-deutsche Beziehungen. Er bekam Zustimmung des Kaisers und des Reichskanzlers um zu versuchen ob er vermitteln konnte. Er ließ seinen Kollegen und Freund von König Edward, Sir Ernest Cassel, wissen, daß Deutschland bereit wäre zu reden über eine Verringerung der Spannungen. Grey war nicht so erfreut über diese Mitteilung.
Nach Beratung mit Haldane und Churchill verfaßte er ein Memorandum, worin die «Wünsche»von GB formuliert wurden:
1 Deutschland erkannte, daß Großbritannien zur See überlegen war
2 Deutschland sollte sich bereit erklären ihr Flottenprogramm nicht auszubreiten; besser wäre noch es zu mindern
3 Als Gegenleistung war GB bereit Deutschland zu unterstützen bei Deutschlands kolonialen Interesse.
4
GB war bereit ein Abkommen zu schließen, worin festgelegt würde, daß beide Länder nicht Teil nehmen würden an Kombinationen, die dem Partner feindlich gegenüber standen.Reichskanzler Bethmann-Hollweg studierte das Memorandum, und antwortete darauf, daß er diese Punkte als Ausgangspunkt für Besprechungen akzeptieren konnte. Er wies aber auch darauf, daß die neue Flottengesetzen von 1912 schon in Behandlung waren.
Grey wurde offiziell eingeladen nach Berlin zu kommen. Er tat alles um daran nicht offiziell beteiligt zu sein. Und ließ via Cassel wissen, daß Deutschland die Flottengesetze, die noch in Behandlung waren, modifizieren mußte. Die Antwort kam schnell und war positiv. Als Gegenleistung wurde dann von GB erwartet, daß es sich positiv Deutschland gegenüber verhalten würde und im Falle eines Krieges neutral bleiben sollte.
Diese Antwort gefiel Grey überhaupt nicht. Weil er aber unter Druck gesetzt wurde, schickte er schließlich Kriegsminister Haldane nach Berlin. Das Vorteil war, daß Haldane beteiligt war an die geheimen Pläne und außerdem geläufig Deutsch redete. Grey instruierte ihn aber
there is no mquestion of entering into negotiations. We desire only to learn the intentions of the German Government and to inquire its plans for a naval program
Bevor Haldane nach Berlin geschickt wurde, hatte man zuerst die deutsche Antwort eingehend studiert. Ein wichtiges Detail war, daß Deutschland nicht nur über die Flottengesetze reden wollte, sondern auch über eine «Flottennovelle». Darin wurde geregelt, daß die Marine fortan das ganze Jahr parat wäre, statt wie zuvor, als das ungefähr sieben Monate betrug.
Churchill, Marineminister, schlug vor, daß Deutschland statt in sechs Jahre sein Programm in zwölf Jahre realisieren würde
friendly relations would ensue and we, though I should be reluctant to bargain about it, could slow down
Mit dieser Richtlinie ging Haldane inoffiziell nach Berlin. Inoffiziell, denn Grey bestand darauf. Zu gleicher Zeit wurde in GB Haldanes Mission entgegengewirkt. Churchill hielt eine scharfe Rede in Glasgow, worüber ich leider weiter nichts finden konnte.
Haldanes Besuch hatte Erfolg, und er und der Reichskanzler arbeiteten an eine Formel, womit das Fundament gelegt wurde für ein politisches Übereinkommen. Haldane war davon überzeugt, daß er eine konstruktive Lösung gefunden hatte
my work up to this point has been attended with a measure of succes that was neither foreseen nor attended
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Haldanes Aussagen und sein Auftreten hatten in Berlin den Eindruck erweckt, daß er im Namen des britischen Kabinetts sprach. Einmal zurück in Berlin redete er sofort mit PM Asquith. Der sprach im englischen Unterhaus lobende Worte über die Begegnung. Und Haldane selbst hat öfter sich positiv geäußert. Deutschland aber wartete jetzt vergebens auf eine Englische Reaktion.
Grey aber weigerte die durch Haldane erreichte Erfolge zu honorieren. Er konnte ja nicht anders, denn er hatte doch mit Frankreich inoffizielle Verabredungen. Und
die Neutralität währen wäre damit in krassem Gegensatz.Darum drehte er alles, was Haldane erreicht hatte, zurück, und forderte von Deutschland konkrete Zusagen, daß es die Flottengesetze ändern würde.
Zwar war Deutschland sehr enttäuscht, aber schließlich stimmte es zu unter der Bedingung, daß GB das erreichte politische Abkommen anerkannte.
Wiederum weigerte Grey. Jetzt forderte er sogar, auf Vorschlag der Marineleitung, daß die Novelle überhaupt nicht ausgeführt werden sollte.
Es war deutlich, daß damit die Möglichkeit eines Akkordes verpaßt war. Am 10. April 1912 ließ Deutschland wissen, daß es von weiteren Besprechungen absah.
Offiziell hatte Deutschland die Besprechungen beendet. Die Schuld hatte aber eindeutig Grey.