Ich hab diese Erzählung in meinem Musikforum gestellt. Es paßt aber auch hier.
Das Leben an der Westfront im Winter 1914 war kein Spaß. Die beiden kämpfenden Parteien (England und Frankreich einerseits, Deutschland anderseits) hatten sich eingegraben. Von der Nordseeküste bis an die Schweizer Grenze gab es zwei einander gegenüber liegende Schützengräben. Dazwischen ein Niemandsland und Stacheldrahtverhaue.
In den Schützengräben herrschten meist elende Verhältnisse. Durch Grund- und Regenwasser hatten die Soldaten dauernd nasse Füße. Dadurch schwollen die Füße oft schmerzhaft an und manchmal starben sogar Zehen ab. Auch gab es viel Ungeziefer, wie Flöhe, Läuse, Mücken und Ratten. Die Ratten, manchmal so groß wie erwachsene Katzen, nagten an den Vorräten. Ja, sogar an verwundeten oder toten Soldaten. Die Qualität des Essens ließ zu wünschen übrig. Der Tod lag dauernd auf der Lauer.
Manchmal wurden sie tagelang beschossen durch die feindliche Artillerie. Oder sie mußten tagelang warten bis die eigene Artillerie ausgewütet war als Vorbereitung für einen Angriff auf die feindlichen Schützengräben.
Kam dann endlich der Moment des Angriffs, schwiegen die Kanonen und die Offiziere gaben ein Zeichen. Für die Soldaten bedeutete dies um ihren Schützengräben zu verlassen, über die Brustwehr zu klettern und das Niemandsland zu betreten auf dem Wege nach den Schützengräben des Feindes. Der Boden war durch die Artilleriebeschießungen bereits durchpflügt und oft waren die Stacheldrahtverhaue nicht vernichtet. Der Aufmarsch stockte darum meist und die Soldaten waren darum eine leichte Beute für die feindlichen Maschinengewehre. Dezember 1914 waren die Verlustziffern bereits dramatisch. Ein »gutes« Beispiel ist, daß vom Britischen Heer, das in August nach Frankreich kam, fast keiner mehr lebte.
24 Dezember 1914 fror es an der Westfront. Der Schlamm war hart geworden und der abscheuliche Gestank von faulendem Menschenfleisch verwischt. Die Nacht war hell, schön und im allgemeinen ruhig.
Die Deutschen begannen als ersten Weihnachten zu feiern. Sie hatten Schnaps und Zigaretten. Hier und da hatte man sogar ein erleuchtetes Weihnachtsbäumchen. Einige Deutschen begannen »Stille Nacht, Heilige Nacht« zu singen. Die Engländer applaudierten als das Lied beendet war, und sangen danach »The first Noel«. Die Deutschen hatten danach »O Tannenbaum«. Und so ging es weiter, an mehrere Stellen an der Front.
Von beiden Seiten wurden Grüße gerufen »Hallo Tommy« und »Hello Fritz«. Ein britischer Wagehals verließ den Schützengraben und lief Richtung deutsche Linien. Halbwegs begegnete ihm ein Deutscher. Sie gaben einander die Hand und waren freundlich zu einander. Als sie zu ihren Kameraden zurückgekehrt waren und von ihrem Erlebnis erzählten, wagten andere auch, den Schützengraben zu verlassen. Im Niemandsland wurde sogar hier und da ein Weihnachtsdienst zelebriert.
Zuerst gab es vereinzelt kleine Gruppen, aber immer mehr Soldaten kamen dazu. An einigen Stellen gab es Gruppen von mehreren hundert Soldaten. Man schüttelte Hände und wechselte Geschenke: Zigaretten, deutsche Würste und Zigarren, Dosengemüse, Tabak, usw.
Auch wenn der Krieg noch fast vier Jahre dauerte und unzählige Opfer forderte, gab es in dieser Nacht doch einen Moment Frieden auf Erden. Ein Moment war da Zeit für Weihnachten und seine Bedeutung.
Ich wünsche Euch allen ein friedliches, von Ängsten befreites Weihnachten und ein glückliches Neues Jahr.