»Verordnung gegen Volksschädlinge«
vom 5. September 1939
Ȥ 4
Ausnutzung des Kriegszustandes als Strafverschärfung
Wer vorsätzlich unter Ausnutzung der
durch den Kriegszustand verursachten
außergewöhnlichen Verhältnisse eine sonstige
Strafttat begeht, wird unter Ãœberschreitung
des regelmäßigen Strafrahmens
mit Zuchthaus bis zu 15 Jahren, mit lebenslangem
Zuchthaus oder mit dem Tode
bestraft, wenn dies das gesunde Volksempfinden
wegen der besonderen Verwerflichkeit
der Straftat erfordert.«
(Reichsgesetzblatt I, 1939, S. 1679)
Der Volksgerichtshof unter seinem Präsidenten Dr. Roland Freisler (1942-1945) wurde zumSynonym für den Justizterror im »DrittenReich«. Die Zahl der von Sondergerichten verhängten und vollstreckten Todesstrafen, selbst für Bagatelldelikte, stieg bis zum Kriegsende in die Tausende.
Die Sondergerichte waren ursprünglich als Vollstreckungsinstrument der »Reichstagsbrandverordnung
« von 1933 und des »Heimtücke-Gesetzes« von 1934 (siehe weiter unten) aufgebaut worden. Ihr Zweck war die strafrechtliche Verfolgung der Opposition. Mit Kriegsbeginn übernahmen die Sondergerichte jedoch immer stärker die Bestrafung der allgemeinen und der kriegsbedingten Kriminalität.
Ob ein Beschuldigter vor das traditionelle Strafgericht oder vor ein Sondergericht gestellt wurde, lag im Ermessen der Staatsanwaltschaft.
Im Krieg stieg die Zahl der Sondergerichte, was zur Folge hatte, daß bei der Ernennung der Richter nicht durchgängig auf absolute Regimetreue geachtet werden konnte.
Möglicherweise liegt hierin der Grund für die uneinheitliche Rechtsprechung der Sondergerichte– zum Beispiel beim Strafmaß.
Wehrmacht, Wehrmachtsjustiz und Geheime Feldpolizei, SS und Polizei, zivile Strafjustiz, Sondergerichte und Verwaltung waren die entscheidenden Trägergruppen der Terrorpolitik
in den besetzten Gebieten. Der Terror war, wie der Historiker Werner Röhr schrieb,integraler Bestandteil der Okkupationsherrschaft:
»Alle Verbrechen der Okkupanten an den Völkern der besetzten Länder – von ihrer Entrechtung und Diskriminierung über ihre Enteignung und Ausplünderung bis zur Aushungerung,
von der Deportation zur Arbeit nach Deutschland über die Vertreibung bis zur ›Pazifizierung‹ von Orten und Gebieten und zur systematischen Zerstörung der Lebensgrundlagen,
von Geiselerschießungen über Massenexekutionen bis zum technisierten Völkermord – wurden als terroristische Gewaltmaßnahmen verübt.«
Der »Führererlaß« vom 13. Mai 1941 »über die Ausübung der Kriegsgerichtsbarkeit im Gebiet ›Barbarossa‹ (ehemalige Sowjetunion)
und über besondere Maßnahmen der Truppe« sorgte später dafür, daß Straftaten von Zivilisten der Gegenseite nicht in den Zuständigkeitsbereich der Kriegs- und Standgerichte fiel.
http://www.dhm.de/ausstellungen/grundrechte/katalog/74-75.pdf