Autor Thema: Wenn alle Brünnlein fliessen....  (Gelesen 1898 mal)

waldi44

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Wenn alle Brünnlein fliessen....
« am: 02.08.08 (12:06) »
Nein, wir wollen jetzt nicht gemeinsam die alte Volksweise anstimmen ;D ;D ;D.....
Vielmehr geht mir da so eine Frage durch den Kopf, die nun  durch Tortenarsch aus dem Goebentread wieder aktualisiert wurde.
Es geht um die "Quellen", aus denen wir schlussendlich alle schöpfen. Meist handelt es sich ja um entsprechende Literatur und a lese ich immer wieder: dieses oder jenes Buch "kannste knicken", "in die Mülltonne treten" und weitere Nettigkeiten über die sich der Verfasser sicher freuen oder weit darüber stehen würde.
Gibt es einen Standart, welche Quellen (vom Thema unabhängig) denn nun die "richtigen" sind, welche darin enthaltenen Aussagen und Behauptungen denn nun der Wahrheit entsprechen und welche Meinung denn nun die einzig gültige sei?
Beispiele für unterschiedliche Auslegungen und Beurteilungen ein und der selben historischen Situation gibt es genug und auch genug Autoren/Historiker, die sich dieser angenommen und analysiert haben um ihre Ergebnisse in mehr oder weniger gelungener Form zu Papier zu bringen und der Welt kundzutun.

Ich zB., als in der Gilde der Hobbyhistoriker in der alleruntersten Reihe stehender, kann mich lediglich auf Secundärliteratur berufen. Ich habe keinen direkten Zugang, ausser die allgemein zugänglichen, zu irgendwelchen Quellen/Zeitzeugen, zeitgenössischen Dokumenten uä. Interessiere mich dennoch für Geschichte und möchte, sehr zum Verdruss mancher Zeitgenossen, meine Sicht der Dinge, gewonnen aus den mir zugänglichen Quellen, der Welt zur Kenntnis bringen auch wenn sie es vielleicht gar nicht wissen will ;D ;D ;D!

Woran aber erkenne ich welche nun  die "wahren Quellen" der Weisheit sind? Der eine empfiehlt dieses Buch zum Thema und der andere will es in die Tonne werfen. Der eine vertritt diese Ansicht und der andere tut sie als völligen Unsinn ab. Der eine schreibt, das war richtig, der andere das es falsch war!
Ist zB. ein Buch schon deshalb schlecht, weil es zB. zeitnah entstand, also aus heutiger Sicht veraltet sein könnte oder ist es gerade dadurch, dass zwischen Erscheinen und dem geschildertem Ereignis erst wenig Zeit vertrichen ist, besonders autentisch?
Ist ein Buch und sein Inhalt dadurch "wahrer", weil es 2008 erschienen ist, oder bleibt eine Unwahrheit von 1970 auch heute eine Unwahrheit und umgekehrt eine Wahrheit von 1970 auch heute noch eine Wahrheit?
Manchmal tauchen neue Fakten auf, die man 1970 nicht kannte, manchmal auch ganz geheime, die so geheim sind, dass der Autor unmöglich die wahren Quellen nennen kann. Was soll man mit solchen "Wahrheiten" anfangen?
Was ist sinnvoller, sich bei der Beurteilung einer Situation auf die Meinung eines Aussenstehenden zu berufen oder eher auf die eines direkt beteiligten oder eine Mix aus beiden?
Manchmal werde ich den Eindruck nicht los, mancher sucht solange nach Quellen*, bis er alle gefunden hat, die seiner Meinung entsprechen und seinen Vorstellungen der Dinge am nächsten kommen. Alles andere wird dann rigoros geknickt und in die Tonne geworfen.

Die Frage nun: Woran erkennt man, welche Quellen solide und wahrhaftig sind? An der Auflagenzahl ja wohl eher nicht ::), oder doch ????

* Forumsteilnehmer ausgeschlossen  ;D!




steffen04

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Re: Wenn alle Brünnlein fliessen....
« Antwort #1 am: 03.08.08 (10:59) »
1) die Quellendarstellung verrät die schon mal viel über Motivation und Sorgfalt des Autors. Da jedes Buch auch Appetit auf das nächste machen sollte, bewerte ich eine schöne Quellensammlung hoch.

Es gibt aber auch beschissene Bücher mit viel Quellen (siehe 4))


2) Zitierhäufigkeit

Die Umkehrung von 1). Der einzige Weg, die Qualität einer wissenschatlichen Arbeit zu quantifizieren: wie oft wird der Autor von anderen Wissenschaftlern zitiert? Ein gewisses Maß für Glaubwürdigkeit und Qualität. Schönes Beispiel ist Browning, ohne den seit Erscheinen von "Ganz normale Männer" in der Täterforschung nichts mehr geht.

Allerdings gibt es eine Menge Tricks und Kniffe, die eigenen Werke gezielt ein bischen in der Vordergrund zu spielen.

1) und 2) zusammen ergeben ein Bild über die Verwurzelung von Werk und Autor im wissenschaftlichen Umfeld. Merke: Minderheitenpositionen sind zwar immer interessant, aber selten von Dauer


3) Handwerkliche Sauberkeit

Offensichtliche Fehler, die schon einem Laien auffallen, disqualifizieren jedes noch so ernsthafte Werk. Nervig z.B. in "Iwans Krieg". Oder wusstet ihr schon, daß die erstmals bei Kursk eingesetzte Wunderwaffe "Ferdinand" ein Raketenwerfer war? Außerdem kann die Autorin einen Fuchs nicht von einem Hundewelpen unterscheiden. (Buch bitte trotzdem lesen!!! Verstehe nur nicht, warum man der guten Frau keinen Lektor zur Seite gestellt hat).

Eklatanter war das bei der Wehrmachtsausstellung, die aufgrund der vielen Schludrigkeiten vollkommen entwertet wurde.


4) Klare Gliederung und Register

Ohne das findest du beim späteren Nachschlagen nie was wieder!!!!!



5) Verzicht auf Botschaften

Historiker, die eine einzelne These belegen wollen sind immer unseriös. Schönes Beispiel aus der Wirtschaftsgeschichte: Alys "Volksstaat" versus Tooze´"Ökonomie der Zerstörung": Tooze zeigt, wie man´s richtig macht. Gilt genauso für Goldhagen aber z.B. auch für die Präventivkrieger Magenheimer etc.

Aus Marketinggründen wird eine schmissige These formuliert, die sich auch ein eher tumber Zeitgenosse merken kann und dann werden die Quellen solange sortiert und neu zusammengewürfelt, bis der Lösungsweg zum Ergebnis passt. Mit dem Resultat, daß bedeutend mehr von den Schwarten verkauft werden, als sie verdienen.

Was nicht heissen soll, daß man solche Bücher nicht lesen sollte. Nur halt nicht glauben. Außerdem ist natürlich kein Autor wirklich neutral. Soll er auch nicht sein, er sollte es nur selbst nicht vergessen.


6) Verzicht auf Allwissenheitsanspruch

Wissenschaftliche Thesen gelten solange, bis das Gegenteil bewiesen ist. Autoren, die vorgeben, etwas unumstösslich zu wissen sind immer unseriös.

Nervt auch bei manchen Forenmitgliedern mit Cäsarenwahn.


7) Klare Sprache und Stil

Klare Denker haben eine klare Sprache. Verschwurbelte Grammatik ist ein guter Hinweis auf schlampige Logik. Zumindest meine Meinung. Außerdem hat der Leser ein Anrecht auf eine packende Darstellung.



Vom Benutzen des eigenen Kopfes entbindet dich aber kein noch so guter Rat







waldi44

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Re: Wenn alle Brünnlein fliessen....
« Antwort #2 am: 03.08.08 (12:36) »


6) Verzicht auf Allwissenheitsanspruch

Wissenschaftliche Thesen gelten solange, bis das Gegenteil bewiesen ist. Autoren, die vorgeben, etwas unumstösslich zu wissen sind immer unseriös.

Nervt auch bei manchen Forenmitgliedern mit Cäsarenwahn.


Ich finde deine Ausführungen recht plausibel, besonders Punkt 6 ;)! Mit der Zitierhäufigkeit ist das so eine Sache, wenn es sich zB. um ein Erstlingswerk handelt ausserdem könnte man bei einer gehäuften Zitierhäufigkeit (naja, einen Preis für gutes Deutsch kriege ich dafür nicht) den Verdacht erwecken, man schreibe schlichtweg nur ab.
Wann übrigens kann man von "Abschreiben" bei der Verwendung von Secundärquellen reden?
Ist das Zusammentragen verstreuter Informationen zu einem Thema und dann deren Zusammenfassung schlichtweg nur abgeschrieben?

steffen04

  • Gast
Re: Wenn alle Brünnlein fliessen....
« Antwort #3 am: 03.08.08 (18:09) »
Solange er die Quellen nennt, ist es kein Plagiat. Es liegt dann am Leser zu beurteilen, ob genug neue Erkenntnis entstand, die die Mühe des Lesens lohnt.

Das mit der Zitierhäufigkeit ist natürlich so eine Sache. Oft zitiert man sich gegenseitig als Gefälligkeit. Reicht ja, den Wetterbericht vom 01.07.41 nicht aus der Wetterkarte sondern aus einem Aufsatz von Kumpel Karl zu zitieren, schon hat Kumpel Karl wieder eine Nennung in einem Anhang. Das ist an Universitäten so ne Art Währung.

Ergänzend noch zum Punkt zeitnahe oder aktuelle Literatur:

Die neuere Literatur baut ja auf der alten auf und setzt halt noch eins drauf. Neuere Erkenntnisse gibt´s immer wieder, nicht nur aus den oft erwähnten jetzt zugänglichen Sowjetbeständen. Allerdings gehört das 12-jährige Reich zu den am besten ausgeleuchteten Perioden der Weltgeschichte. Erkenntnisse, die alles vorhergehende auf den Kopf stellten, gab´s in den Sowjetbeständen nicht und sind auch nicht mehr zu erwarten. Wer noch glaubt, daß in Stalins Nachttopfhenkel der Angriffsbefehl gg. Europa für den 01. Juli 1941 steckt, glaubt auch sonst noch viel.

Interessanter an der modernen Literatur ist eher die fachübergreifende Herangehensweise, z. B. Verknüpfung mit Volkswirtschaft bei Kennedy und Tooze, Psychologie und Soziologie bei Browning, Orth und anderen.

Jetzt muss ich dringend aufhören, unsre Meerschweinchen haben Junge bekommen. Rattenbrut verdammte.......

 

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