Ganz herzlichen Dank schon mal für diese Antwort! Werde dem Link nachgehen.
Sehr schade eigentlich, dass auch mehr als sechzig Jahre nach Ende des Weltkriegs noch immer nicht offener mit dem Thema umgegangen werden kann! Ich selber bin Historiker und habe einerseits eine wissenschaftlich-distanzierte Sicht zu dieser Zeit - auch wenn ich über meinen Vater in ganz persönlicher Hinsicht emotional recht "nahe dran" bin. Aber man sieht es an der Art, wie das Thema NS-Zeit immer noch in den Medien erscheint, dass eben nur ein ganz geringer Teil der Öffentlichkeit eine "wissenschaftliche", sprich abgeklärte, um Objektivität bemühte Sicht auf die Dinge hat/wünscht. Dass für die persönlich Betroffenen diese Zeit und ihr Agieren damals (und in all den Jahren danach) zusätzlich mit starken Gefühlen besetzt ist, so dass Ihnen selbst ein diskretes, geschweige denn ein offenes Sprechen darüber kaum möglich ist, kann man als Mensch (und ich als Sohn eines solchen "Betroffenen" ganz besonders) nachvollziehen.
Es ist meiner Ansicht nach aber auch ein riesen Fehler der einschlägigen wissenschaftlichen Institutionen, wie vielleicht des Militärhistorischen Forschungsamtes und der Professoren an den Universitäten, die sich mit der NS-Zeit befassen, dass sie es in sechzig Jahren nicht geschafft haben, den "Betroffenen" zu vermitteln, dass es bei der historischen Erforschung nicht um ein "An-die-Öffentlichkeit-zerren" und womöglich "An-den-Pranger-stellen" geht (bei ehem. Geheimdienstlern kommt die ganz reelle Angst vor einer "Aufdeckung" und juristischen Verfolgung hinzu), sondern um wissenschaftliche Erkenntnis, die sich gar nicht für den Einzelnen, für Meier, Müller und Schulze interessiert und die Verantwortung, die er für seine Biographie hat. Es geht vielmehr um Aufklärung (hier mal im Kant'schen Sinne gemeint)! Aber diese etwas "staubtrockene" Art des Umgangs mit ihrer Biographie ist vermutlich aus Sicht der "Betroffenen" wiederum nicht die angemessene... Ein Teufelskreis, der mich etwas unglücklich macht.
Erlauben Sie mir noch einen etwas persönlichen Gedanken: Wie hieß es während meiner Bundeswehrzeit so schön? "Melden macht frei!" Und ich bin tatsächlich der festen Überzeugung, dass der offene Umgang mit der persönlichen Biographie (wie auch mit der Geschichte im Großen) "befreiend" wirkt. (Auch in psychologischer Hinsicht eine Binsenweisheit, die sich interessanterweise die katholische Kirche in ihrem Beichtsakrament zu eigen gemacht hat.) Übrigens auch für die Nachgeborenen "befreiend", wie ich an meiner Familiengeschichte merke: Es ist nämlich - milde ausgedrückt - schon ein komisches Gefühl, wenn man vom Vater selbst zwar vieles erfahren hat, aber weiß, dass er tatsächlich nie etwas von sich preisgegeben hat. Darauf war er übrigens stolz: Ein Held in seinen Kreisen, der bis zuletzt und ohne wenn und aber den Selbstschutz und den Schutz seiner Kameraden über die Verantwortung für seine Familie stellte!
Nun, sowohl als Sohn wie auch als Historiker kann ich diese Haltung gut nachvollziehen, wenn auch nicht gutheißen. Und gottseidank habe ich als Wissenschaftler das Werkzeug, mir Informationen aus der Vergangenheit zu verschaffen, und dabei durch Hinweise meines Vaters auch falsch gelegte Spuren von echten Hinterlassenschaften zu unterscheiden - auch wenn es nicht ganz leicht ist, mit Nagelfeilen die dicken Mauern des Schweigens zu durchbrechen. Aber: Steter Tropfen höhlt bekanntlich jeden den Stein. Lieber wären mir natürlich ein paar offene Gespräche mit den "Ehemaligen".
In diesem Sinne: Nochmals danke und ich freue mich auch weiterhin über Informationen!
Richard