Vielleicht sollten wir die Ursachen eher in der Person des Großadmiral Raeders suchen. Hitler war m.E. an Marinefragen nicht besonders interessiert, dass zeigt sich möglicherweise schon allein darin, dass er den kaisertreuen Raeder (von 1910-12 Navigationsoffizier auf der kaiserlichen Yacht Hohenzollern, und seither der Kaiserfamilie auch persönlich verbunden) im Amt liess. Dagegen wurde die Luftwaffe von Anfang an parteigebunden geführt und das Heer sukzessive enthauptet.
Interessant an Raeder ist, dass er vor dem ersten Weltkrieg eine Ablehnung der Theorien der französischen „Jeune Ecole“ formulierte. Die „Jeune Ecole“ glaubte nicht an die Zukunft schwerer Überwasserschiffe und präferierte den Kampf mit leichten, torpedobewaffneten Booten (U-Boote gab´s damals noch nicht wirklich) (siehe auch
http://de.wikipedia.org/wiki/Jeune_%C3%89cole)
Ich würde mal sagen, dass die Jeune Ecole mit ihren Theorien in ihrer Absolutheit falsch lag. Sie kannte nicht oder unterschätzte de Bedeutung von Zerstörern, Geleitzügen, Flugzeugträgern zur Sicherung schwerer Überwassereinheiten. Aber für eine Landmacht wie Deutschland mit geringen Ressourcen wären die Lehren der Jeune Ecole hilfreicher gewesen als die Seemachtsstrategie Mahans. Raeder war aber wohl intellektuell nicht in der Lage, diesen Sprung zu machen.
M.E. hat Raeder aus den Lehren des I. WW zwingende Konsequenzen nicht gezogen:
- trotz 3 Jahrzehnten Vorbereitung war die kaiserliche Überwassermarine nicht in der Lage, den Briten Paroli zu bieten – wie sollte das in einem Jahrzehnt Z-Plan bis 46, geschweige denn bis 39 gelingen?
- der Kaiser startete sein Weltmachtprojekt in einer Ära des wirtschaftlichen Überflusses. Kann man vom NS-Deutschland der 30er nicht gerade sagen
- das Heer war im 19.Jhd noch vergleichsweise billig, Luftwaffe gab´s nicht. Jetzt musste Raeder mit Panzern und Ju88 konkurrieren. Göring hat ihm den Z-Plan-Zahn auch sehr schnell gezogen
- die vergleichsweise billige U-Boot-Waffe hat immerhin Winston Churchill zu der Äusserung veranlasst, „das einzige was uns Sorge bereitete, waren die deutschen U-Boote“.
- Großbritannien kämpfte in seiner Geschichte immer gg aufstrebende Seemächte, die kaiserliche Seerüstung war Grund genug für die Briten, auf Seiten der ungeliebten Franzosen und Russen zu kämpfen
Zu seiner Ehrenrettung ist andererseits zu sagen, dass U-Boot-Waffe und U-Boot-Bekämpfung in keiner Zwischenkriegs-Marine eine große Rolle spielte. Vielleicht mit Ausnahme der Engländer, die dann doch recht schnell in der Lage waren, Anti-U-Boot-Konzepte zu realisieren.
Ich finde es wie Waldi erstaunlich, dass es in der ganzen Marine keinen Guderian, Student, Udet gab. Vielleicht weil ein Schlachtschiff von einem Admiral, ein U-Boot nur von einem Kaleun kommandiert wird.