Autor Thema: Die deutsche Sturmartillerie.  (Gelesen 3472 mal)

waldi44

  • Stammmitglied
  • ***
  • Beiträge: 3050
Die deutsche Sturmartillerie.
« am: 24.05.07 (19:48) »
Vorsichtshalber weise ich mal gleich zu Beginn darauf hin, dass es sich hierbei um einen ganz persönlichen Beitrag von mir handelt, der weder neue Erkenntnisse mit sich bringt, noch Sensationen oder Enthüllungen und wohl auch nicht ganz frei von Fehlern und Ungenauigkeiten sein wird, wie es viele historische Beiträge eben sind, die gelegentlich von Quelle zu Quelle variieren und vor allem was die Zahlenangaben und mitunter die Einheitsnamen bzw Bezeichnungen voneinander abweichen.
Korrekturen, Hinweise, Belehrungen, werden gerne entgegengenommen!
Ettlichen von euch wird es in der Vergangenheit wohl einmal ähnlich gegangen sein. Als das Interesse an militärischen Dingen erwachte, stiess man irgendwann auf die Bilder eines Sturmgeschützes. Ich jedenfalls hielt das Ding erst einmal für einen Panzer ohne Turm und wunderte mich, dass man soetwas überhaupt baute. Ich sah nur den Nachteil der doch relativ starren Kanone....
Tatsächlich aber war bzw. wurde das Sturmgeschütz zu einem ganz wichtigen Faktor der deutschen Infanterie, sowohl im Angriff, als auch, vor allem gegen Kriegsende, zur Abwehr.
Obwohl sie zu diesem späten Zeitpunkt, oft der Not gehorchend, nicht mehr nach den Doktrien dieser Waffe eingesetzt werden konnte und dadurch viel an Effizienz verlor, kann man sie durchaus als "Russenbremse" schlechthin und "(Russen-)Panzerbremse" im besonderen bezeichnen.
 Das Sturmgeschütz war zwar in seiner Herstellung deutlich billiger als der Panzer, aber das war nicht der Grund seiner Entwicklung. Kein geringerer als Manstein selbst war es, der schon in den dreissiger Jahren ein "gepanzertes Infanteriebegleitgeschütz" forderte und schon 1937 wurde auf dem Schiessplatz bei Kummersdorf der erste Prototyp vorgestellt, gegen den Widerstand Guderians und der Inspektion der Artillerie.
Die Idee zum "gepanzerten Infanteriebegleitgeschütz" wurde aus den Erinnerungen der Grabenkämpfe des 1. Wk geboren. Ähnlich wie der Tank eine Folge der entlosen Stellungskämpfe und der vergeblichen Durchbruchsversuche war, so war es auch das Sturmgeschütz. War damals der Infanterie doch mal ein Durchbruch gelungen, so kam die Artillerie durch das zerwühlte Gelände nicht rechtzeitig nach, um Unterstützung zu bringen. Ein Sturmgeschütz wäre da nicht nur schneller zur Stelle, sondern auch vorne mit dabei gewesen!
Aus diesem Prototyp entwickelte sich dann mit zahlreichen weiteren Typen die Sturmartillerie mit über 100 Sturmgeschützabteilungen bzw -Brigaden sowie 15 selbständigen Batterien. Bis 1943 setzte sich ihr Personal ausschliesslich aus Freiwilligen zusammen, wohl eingedenk dem Motto: "Das Leben eines Sturmartilleristen ist kurz, aber Gewaltig" und zählte zur Artillerie. Der Uniformschnitt entsprach dem der Panzertruppe, die Waffenfarbe (Paspelierung), der der Artillerie und die Farbe der Uniform war das schlichte Feldgrau der einfachen Landser.
Eine Sturmgeschützabteilung verfügte im allgemeinen über 31 Geschütze mit rund 436 Mann. Mit zunehmender Kriegsdauer, abnehmender Geschütz und Mannschaftszahl, neigte man in bestimmten Kreisen im allgeinen zu einem gewissen Gigantinismus und benannte die Sturmgeschützabteilungen in Sturmgeschützbrigaden um. Sie sollten über ausreichend Begleitgrenadier für die 45 Sturmgeschütze(L/70 7,5 cm) verfügen. Der Gedanke, der dahinter steckte war gut, nur fehlte es an den Mitteln, so das in dieser Zusammensetzung nur wenige Einheiten zum Einsatz kamen.
Die Standartwaffe war das Sturmgeschütz III in verschiedenen Ausführungen und diverse andere mehr oder weniger kleinere Fahrzeugserien. Der Hauptnachteil der Sturmgeschütze blieb auch den ganzen Krieg über bestehen- das Fehlen eines MG's zur Selbstverteidigung. Zwar wurden im Laufe der Zeit die Sturmgeschütze mit MG's ausgestatten, doch befanden diese sich nicht unter Panzerschutz, sondern verfügten lediglich über völlig unzureichende Schutzschilde, die vor allem zur Nahverteidigung so gut wie nutzlos waren.
Des weiteren waren enge Strassenschluchten oder sonstwie "enges" Gelände für das Sturmgeschütz nicht geeignet, da bis auf wenige Grad, mit dem ganzen Fahrzeug das Geschütz seitlich gerichtet werden musste! Von Vorteil hingegen war seine niedrige Silhouette, sein mitunter beachtliches Geschützkaliber, seine Munition, die durch entfernen der Halterungen bis auf über 100 Granaten aufgestockt wurde (42-44 waren vorgesehen), seine beachtliche Bugpanzerung und seine "Unempfindlichkeit" gegen Kettenbruch.Gemeint ist damit, dass das Sturmgeschütz sich zwar nicht vor oder zurück bewegen konnte, wohl aber sein Geschütz auch noch mit nur einer intakten Kette seitlich richten konnte - allerdings hatte diesen "Vorteil" ein Panzer auch und zusätzlich noch seinen drehbaren Turm.
Mehr noch als bei den Panzern galt bei den Sturmgeschützen Guderians Leitsatz:"Nicht kleckern, sondern klotzen"! Seine grössten Feinde waren gegnerische Nahkämpfer, wenn man ohne eigene Infanterie angriff oder zurück blieb sowie Minen und nicht zuletzt ein "Alleingang", zu dem es gegen Kriegsende immer häufiger kam, da viele Sturmgeschütze dann auch einzeln oder in viel zu kleinen Gruppen vor allem zur Panzerabwehr eingesetzt wurden. Eigentlich sollte die Sturmgeschütze nur Abteilungsweise oder wenigstens in geschlossenen Batterien, aber nicht Zugweise oder gar allein eingesetzt werden!
Auch wenn zB. die 666 Sturmgeschütz-Batterie unter Oberleutnant Afred Müller beim Sturm auf Cholm im Sommer 1941 sich durch seinen raidartigen Vorstoss eher wie eine Panzerbrigade aufführte und 1944/45 viele einzelne Sturmgeschütze den deutschen Rückzug deckten und so manchen Landserarsch vor den Russen rettete. Den Doktrien über den Einsatz der Sturmgeschütze entsprach das nicht!
Ein alter Sturmartillerist brachte es in seinen Erinnerungen auf den Punkt:
"Man durfte sich nicht den Wünschen der Infanterie beugen..........Am leichtesten war das natürlich, wenn man ein Ritterkreuz am Hals hatte."
Ein solche zB. besass der Abteilungskommandeur Alfred Müller (Raketen-Müller) während der Kuban Schlacht, als er den Befehl des Generals Jaenecke(17. Armee) "verweigerte" und stattdessen seine Vorschläge für den geplanten Angriff vor- und durchbrachte. Als erfahrener Strumartillerist wusste er am besten, wie man seine Waffe am effektivsten einsetzen konnte. Hier wurde der Konflikt Infanterie und Sturmartillerie zu Gunsten der Sturmartillerie entschieden und die Schlacht unter geringen Verlusten gewonnen. Meist aber behielten die höherrangigen Infanteristen das Wort- sehr zum Nachteil der Sturmartillerie.
Aber wie alle Waffen und Einheiten der deutschen Wehrmacht, war auch die Sturmartillerie nur ein Bestandteil des Ganzen und wie das Ganze als solches, reichte es eben auch dort nicht hinten und nicht vorne oder: Viele Hasen sind des Koch's Tod oder so ähnlich ;)!