Als immer deutlicher wurde, dass im besetzten Teil der Niederlande eine Hungersnot drohte, und die Deutschen nicht gewillt
oder in der Lage waren, die Versorgung der Bevölkerung aufrecht zu erhalten, schaltete sich die Exilregierung in London ein. Ab September 1944 bemühte sie sich, die Alliierten davon zu überzeugen, dass in den Niederlanden eine Katastrophe bevorstand, wenn es keine Hilfe gäbe. Das Problem: Von einer solchen Hilfe würden möglicherweise auch die Deutschen profitieren. Besonders Churchill war sehr besorgt über eine derartige indirekte Unterstützung des Feindes. Dazu befürchtete man, dass Lebensmitteltransporte in die Niederlande die alliierten Operationen erschweren könnten.
Die niederländische Regierung kämpfte mit zwei politischen Problemen.
Erstens hatte sie den Eisenbahnerstreik selbst ausgerufen. Damit hatte sie den Schein erweckt, selbst zur Hungersnot beigetragen zu haben. Zweitens zeigte sich,
dass die Situation in den befreiten Teilen des Landes noch schlechter wurde als vor der Befreiung. Daran konnte die Regierung in London zwar wenig ändern, aber die befreiten Landsleute dachten natürlich anders darüber: Sie fühlten sich allein gelassen. Ministerpräsident Pieter S. Gerbrandy wandte sich Ende September 1944 mit einem dringenden Hilfegesuch an Churchill, doch der blieb dabei: Keine Maßnahmen, die auch den Deutschen zugute kommen könnten.
Neutrale Länder wie Schweden und die Schweiz waren bereit, etwas zu unternehmen. Und auch Seyss-Inquardt erlaubte angesichts der verschärften Lage, dass das Schwedische und das Internationale Rote Kreuz Lebensmittel lieferten.
Das Internationale Rote Kreuz bat Deutschland um Zustimmung, und nun ergab sich eine paradoxe Situation:
Die Deutschen erlaubten, Güter aus der Schweiz über den Rhein nach West-Holland zu transportieren,
doch die Alliierten nicht. Zwei Wochen später kamen die Lebensmittel in den hungernden Städten an. Das Brot, das die Bevölkerung aus dem Mehl backte, wurde als „Zweedse wittebroot“- schwedisches Weißbrot - legendär. Später kamen auch noch Schiffslieferungen aus Portugal und der Schweiz.
Der Hungerwinter 1944/45 ist wohl die traumatischste Erfahrung der Niederländer im zweiten Weltkrieg. 22.000 Menschen starben zwischen September 1944 und Mai 1945 an den direkten oder indirekten Folgen des Hungers.
http://www.uni-muenster.de/HausDerNiederlande/zentrum/Projekte/NiederlandeNet/NL-Info/Geschichte/1940_1945/hilfe_befreiung.html