Militärgeschichte > Verlauf des 2. Weltkriegs

Dieppe: "Der Grosse Bluff" oder mehr?

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waldi44:
Jemand stellte mal die Frage, ob die Landung bei Dieppe mit der Erkundung des neuesten deutschen Funkmessgerätes zu tun gehabt haben könnte! Die Antwort ist ein eindeutiges ja, aber mit einem Zusatz: Nicht nur.
Leider las ich immer nur von einem Funkmessgerät oder auch schon mal von einem Radar, nie aber die genaue Bezeichnung, um welches Gerät es sich dabei handelte. Ich nehme aber an, es war dieses:
"Bereits im Jahre 1904 erhielt der Düsseldorfer Ingenieur Christian Hülsmeyer ein Patent auf ein Gerät zur Feststellung und Entfernungsbestimmung von bewegten metallischen Gegenständen mittels elektrischer Wellen. Erst in den 30er Jahren konnte diese Idee in die Tat umgesetzt werden. Nach 1933 entstanden bei Marine und Luftwaffe fast zeitgleich die ersten Seeziel- und Flugortungsgeräte. 1937 kamen sie in Manövern zum Einsatz. Diese Geräte orteten Flugzeuge bis zu einer Entfernung von 90 km, zeigten jedoch keine Höhe an. Dagegen ließen sich mit dem seit 1936 entwickelten “Würzburggerät” Entfernung und Höhe der anfliegenden Flugzeuge messen. Die Luftwaffe setzte ab Sommer 1940 etwa 4000 Stück als Feuerleitgerät der schweren Flak ein. Ab Frühjahr 1942 kam es in der Jägerleitung zum Einsatz. Die dazu benutzten Anlagen deckten einen Umkreis von 35 km ab, der als Frühwarngerät eingesetzte Würzburg Riese erreichte die doppelte Reichweite. Von ihm wurden 1500 Stück gebaut."
Wie durch Mario geklärt, handelte es sich um "Fraya":

Warum "nicht nur"? Nun, die Briten waren seinerzeit in einer etwas heiklen Situation ihren Verbündeten gegenüber. Rommel stand vor El Alamain, Paulus in Stalingrad und auch das Meer war noch nicht wieder britisch. Kurz, die Alliierten zweifelten an Englands Kampfeswillen. Stalin forderte die zweite Front und die USA einen Beweis für britischen Kampfesmut.
Churchill war bereit seinen Verbündeten zu geben was sie verlangten, auch wenn er sehr genau wusste, dass die Operation, egal welche, in einem Desaster enden würde. Um nun doch noch das Beste aus der Situation zu machen, versuchte man neben der praktischen Erprobung einer amphibischen Landung weiteren militärischen Nutzen aus der geplanten Aktion zu ziehen.
So plante man gleichzeitig das neue deutsche Funkmessgerät zu erforschen und möglichst Teile davon zu beschaffen und durch die Wirren der Landung Agenten in die "Festung Europa" einzuschleusen. So gesehen war die Operation mehrteilig.

Vorran ging ein Versuch das ganze etwas kleiner zu gestalten bzw. erst mal zu testen ob die Deutschen abwehrbereit sein. Dieser Versuch ging am 7. Juli gründlich in die Hosen oder besser gesagt er fiehl ins Wasser. Der Konvoi wurde entdeckt und unter Bombenhagel zurückgedrängt. Gleichzeitig konnten die ebenfalls geplanten Fallschirmjäger wegen schlechtem Wetter nicht starten und blieben am Boden. Dieses Unternehmen trug den Decknamen "Rutter" und selbst General Montgomery meinte, es sei besser noch einige Monate zu warten, ehe man einen neuen Versuch wagen könne.
Mountbatten hingegen war anderer Ansich und nachdem Roosevelt, ungeduldig geworen, Admiral King und den Stabschef der Armee, George Marshall, nach London geschickt hatte, um Druck zu machen, entschloss man(Churchill) sich zu "klotzen" und bereitete das Unternehmen "Jubilee" vor.
Zu diesen Vorbereitungen gehörte es auch, dass ein gewisser jüdischer Sergeant Rose, Geheimdienstspezialist und Nachrichtenexperte, erst nach Kanada in das sogenannte "Camp X" und dann, nach erfolgreicher Weiterbildung, wieder zurück nach Sussex, jener englischen Grafschaft, in der kanadische Truppen stationiert waren, gebracht wurde. Jene Truppen, die sich dort auf "Jubilee" vorbereiteten.
Ihm zur Seite stand der FBI Agent Jim Callaghan, sowie noch zwei weitere Radarexperten. Rose und Callaghan wurden, um jedes Aufsehen zu vermeiden, als reguläre Soldaten in die Truppe eingereit. Offiziell war Callaghan Roses Leibwächter, inoffiziell aber dessen Exekutator, sollte die Gefahr bestehen, dass Rose den Deutschen Lebend in die Hände fallen könnte.
Am 18. August, es war ein Dienstag, kam der Code zum Beginn der Operation:"Das Spiel hat begonnen - jetzt!"
Am frühen Morgen des folgenden Tages (5.00 Uhr bis 5.20 Uhr)  begann die Landung, die von "Commandos" rechts und links flankiert wurde. Nicht wie geplant bei Nacht, sondern schon bei vollem Licht!
Die Deutschen waren aber angeblich durch Agentenmeldungen und einem regen Schiffsverkehr vorgewarnt worden und hatten sogar diverse Planspiele durchgeprobt. Unter anderen mit einer Landung in Dieppe, ähnlich wie zwei Jahre später in der Normandie. Ausserdem stiess man bei der Kanalüberquerung auf deutsche Vorpostenboote oder Torpedoboote....
237 Schiffe, aber keine "dicken Pötte" unter ihnen,  30 Kampfpanzer vom Typ Churchill, 6100 Mann insgesamt. Darunter 5000 Kanadier sowie 50 US-Ranger begannen mit der Landung. 10.000 Matrosen auf ihren Schiffen, sowie die Piloten des Bomber Command und der 8. amerikanische Luftflotte mit 74 Flugzeugstaffeln. Kling zwar beeindruckend, aber waren doch eher Peanats. Aber schliesslich musste man ja nicht siegen.....
Drei von vier Kanadiern waren schon tot, als der vierte Mann den Strand betrat.
Auf deutscher Seite stand die 302. Division der Wehrmacht. In vorderster Front das 571. Infanterieregiment.
Rose, sein "Leibwächter" und die beiden anderen Spezialisten erreichten zusammen mit einigen kanadischen Panzern die deutsche Funkmesstation oberhalb des Hafens und überwältigten die Posten. Gedeckt durch einen gezielten Bombenangriff gelang es einem anderen Mitglied der Gruppe, den als RAF Sergeant getarnten Nissenthall, das Funkmessgerät zu erreichen, Teile auszubauen und Plastiksprengstoff zu besfestigen. Durch den Bombenangriff war später nicht mehr feststellbar, welche Teile nun tatsächlich geklaut worden und welche einfach nur zerstört wurden und ob die Alliierten es überhaupt bis zum Funkmessgerät geschafft haben.
Danach wurden noch alle Nachrichtenkabel durchtrennt, womit man erreichen wollte, dass die Deutschen nach dem Überfall alles über Funk berichten mussten, woraus man sich weitere Erkenntnisse erhoffte. Übrigens hatte auch Nissenthall seine "Leibwächter" dabei und zwar gleich neun Scharfschützen von den "South Saskatchewan". Auftrag: Ihn und seinen Begleiter zu erschiessen, falls........
Per Torpedoboot wurden um 7:30, die Nachrichtenexperten und ihre wertvolle Fracht nach Newhaven gebracht, während die Überlebenden von "Jubelee" ab 10.50 Uhr( Rückzugsbefehl) in deutsche Gefangenschaft gingen. Die Verlust sind zwar überall nachlesbar, aber der Vollständigkeit halber seine sie hier erwähnt:
Bis dahin hatten sie 4359 Mann verloren, darunter 1179 Gefallene und 2190 Gefangene. Allein 128 kanadische Offiziere waren unter ihnen, darunter der Kommandeur der 6. Kanadischen Infanteriebrigade, zwei weitere Obristen und 13 Stabsoffiziere.
Die britische RAF und RCAF verloren 119 Flugzeuge, vor allem Spitfires. Die deutsche Luftwaffe verlor 46 Flugzeuge, vor allem Bomber beim Angriff auf die Landungsflotte. Auf deutscher Seite gab es ausserdem 311 Tote und Vermisste, sowie 280 Verwundete und auch ich möchte noch anfügen: Von Quelle zu Quelle verschieden!
Übrigens zog man durchaus verwertbare Rückschlüsse für die spätere Landung. So hatte man zB. festgestellt, und zwar bei einer Übung zuvor, dass die Soldaten falsch beladen waren. Stiegen sie zu früh ins hohe Wasser, verloren sie das Gleichgewicht und trieben kopfüber im Wasser bis sie ertrunken waren. Hunderte mussten diese nasse Erfahrung machen, tausenden blieb sie dadurch wohl erspart....

Epilog

Als die Allierten, soweit sie es noch konnten sich zurück gezogen hatten, begann deutscherseits das grosse Aufräumen und Eisammeln. Plötzlich gab es überraschd Aufregung und dem Kommandeur des 571. Infanterieregiments, Oberstleutnant Bartel, wurde ein merkwürdiger Bericht erstattet:"Wie haben einen gefesselten deutschen Soldaten tot im Wasser gefunden; und am Strand einen schwerverwundeten Deutschen, ebenfalls mit Stricken an Händen und Füssen gebunden."
Dieser schwere Völkerrechtsbruch wurde sofort über die Division an das 81 Korps und von dort ins Führerhauptquartier weitergeleitet. Hitler, selbst ehemals Frontsoldat gewesen, zeigte sich empört und ich denke er war es ehrlich, zumal sich später schriftliche Belege dafür fanden, dass es sich nicht um vereinzelte Übergriffe handelte.
Ich selbst hab mal wo gelesen, dass es darum ging, dass niemand eventuell bei sich tragende Geheimpapiere, die im Zusammenhang mit dem Funkmessgerät standen, vernichten könne. Aber egal warum, es war Völkerrechtswidrig und widersprach wohl auch der Haager Landkriegsordnung (?).
Natürlich widersprach man in London, jemals solche Befehle erteilt zu haben, aber:"Jeder derartige Befehl, falls er herausgegeben sein sollte, widerrufen werde!"
Auch natürlich, tat man das nicht freiwillig, sondern erst, nachdem Hitler den Befehl gegeben hatte, alle Dieppegefanenen zu fesseln.
Bei einem Kommandounternehmen, nur vier Wochen später, erwiesen sich die Briter einmal mehr als Wortbrüchig. Bei einem Unternehmen gegen die Sercolinsel wurden wieder deutsche Soldaten gefesselt, worauf Hitler wieder die in Dieppe gefangenen fesseln liess. Diesmal reagiert Churchill anders und es kam zur "Battle of Bowmanville".
Das aber ist eine andere Geschichte und wer will kann sie bei Paul Carell/Günter Böddeker in "Die Gefangenen" nachlesen.

Mario:
ZU dem Thema gibt e ein schönes Buch
"OPERATION FREYA" James Leasor.
Ist zwar schon aus 1945 und als wie ein Roman aufgemacht, liest sich aber gut. Über eBay für 3 Eusen ersteigert!!!
Ist auch bebildert, nur dass hier dieser Sgt. Rose als Flight Sergeant Jack Maurice Nissenthall (!) beschrieben und auch abgebildet ist.
Der Codename lautete Operaiton 2Green Beach"
Der Auftrag des Stoßtrupps ( Saskatchewan Rgt sowie Cameron Highlanders ) war es, ein FREYA-Gerät am Strand von Pourville zu nehmen, zu sichern bis der Hochleistungasmagnetron ausgebaut, die ganze Schose dokumentiert, und die Sprengsätze gelegt waren. Danach erfolgte der Rückzug.
Ja, es wurden Gefangene gefesselt, aber nur, damit sie beim Rückzug keine Chance zu Flucht hatten. Dabei handelte es sich um Radaroperateure, weil man richtigerweise annahm, daß die gefangen genommenen Würzburg- Operateure vom Raid gegen Bruneval mit dem Freya nicht viel anfangen konnten.
In dem Buch wird auch beschrieben, daß die gefesselten deutschen Soldaten -nicht- durch die hochemotionalen Kanadier erschossen wurden, sondern als Gefangene im gegenseitigen Schußwechsel mit den deutschen Truppen fielen. Cést la guerre!

In diesem Sinne
Tschaudi

waldi44:
Es war also "ein FREYA-Gerät". Gut, ich sagte ja, ich weiss es nicht genau, obwohl "Würzburg" mir eigentlich logischer erschien, aber wennes extra dazu ein Buch gibt, denke ich mal, wird der Autor auch recherschiert haben. Ich schrieb von zwei verschiedenen Sergeanten: Einer hiess Rose und der andere Nissenthall.
Warum nun genau die Fesselung stattfand ist im Grunde Egal! Sie wiedersprach gängigem Umgang mit Kriegsgefangenen und wohl auch dem Völkerrecht! Über die Todesursache der toten Deutschen kann ich mangels "Masse" nichts sagen.....

Ronny22:


Freya


Würzburg-Riese


http://www.100-jahre-radar.de/index.html?/gdr_5_deutschefunkmesstechnikim2wk.html

Hoth:

--- Zitat von: Mario am 28.07.06 (19:57) ---ZU dem Thema gibt e ein schönes Buch
"OPERATION FREYA" James Leasor.
Ist zwar schon aus 1945 und als wie ein Roman aufgemacht, liest sich aber gut. Über eBay für 3 Eusen ersteigert!!!
Ist auch bebildert, nur dass hier dieser Sgt. Rose als Flight Sergeant Jack Maurice Nissenthall (!) beschrieben und auch abgebildet ist.
Der Codename lautete Operaiton 2Green Beach"
Der Auftrag des Stoßtrupps ( Saskatchewan Rgt sowie Cameron Highlanders ) war es, ein FREYA-Gerät am Strand von Pourville zu nehmen, zu sichern bis der Hochleistungasmagnetron ausgebaut, die ganze Schose dokumentiert, und die Sprengsätze gelegt waren. Danach erfolgte der Rückzug.
Ja, es wurden Gefangene gefesselt, aber nur, damit sie beim Rückzug keine Chance zu Flucht hatten. Dabei handelte es sich um Radaroperateure, weil man richtigerweise annahm, daß die gefangen genommenen Würzburg- Operateure vom Raid gegen Bruneval mit dem Freya nicht viel anfangen konnten.
In dem Buch wird auch beschrieben, daß die gefesselten deutschen Soldaten -nicht- durch die hochemotionalen Kanadier erschossen wurden, sondern als Gefangene im gegenseitigen Schußwechsel mit den deutschen Truppen fielen. Cést la guerre!

In diesem Sinne
Tschaudi

--- Ende Zitat ---

Na wunderbar! Du willst aber jetzt nicht tatsächlich dieses alliierte Landserheft/büchlein aus 1945 als seriöse Quelle für irgendwas anbieten, oder?  ;D ::)

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