Forum für deutsche Militärgeschichte

Interna => offener Themenraum => Thema gestartet von: Nomen Nescio am 16.01.09 (17:30)

Titel: Weigerung
Beitrag von: Nomen Nescio am 16.01.09 (17:30)
Es gibt ein Soldat am Ostfront, der weigerte sich an den Naziverbrechen schuldig zu machen. Er wurde m.E. hingerichtet.
Schrieb einen Abschiedsbrief, worin er sagte, er konnte das nicht für sein Gewissen verantworten.

1. Weiß einer wer dieser Mann war?
2. Ist es bekannt, ob es mehr solcher prinzipiellen Menschen gab?
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: IM am 16.01.09 (17:37)
Solche Charaktere gab es und wird es immer geben.

Aber mal als einen anderen Gedankengang. Wenn ich heutzutage als junger Mensch ebenfalls den Dienst verweigere, also weder Wehrdienst noch Zivildienst machen will, dann bekomme ich auch in diesem Staat damit Probleme.

Auch heute kann ich nicht einfach machen was ich will, ...
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Nomen Nescio am 16.01.09 (17:59)
Solche Charaktere gab es und wird es immer geben.

Aber mal als einen anderen Gedankengang. Wenn ich heutzutage als junger Mensch ebenfalls den Dienst verweigere, also weder Wehrdienst noch Zivildienst machen will, dann bekomme ich auch in diesem Staat damit Probleme.

Auch heute kann ich nicht einfach machen was ich will, ...
Vor allem aber möchte ich den Namen des Mannes finden. Denn ich las vor vielen Jahren ein kleines Stück des Briefes. Und war tief gerührt. Sonst hätte ich es schon längst vergessen.
Seine Worte möchte ich wieder lesen.

Und hier ging es nicht um einfache Verweigerung. Er wollte nicht unschuldige Menschen töten. Vermutlich weil sie Jude waren.
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Niwre am 16.01.09 (18:03)
Und hier ging es nicht um einfache Verweigerung. Er wollte nicht unschuldige Menschen töten. Vermutlich weil sie Jude waren.

Du meinst Befehlsverweigerung zum Erschießungskommando? Der Fall würde mich interessieren...
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Nomen Nescio am 16.01.09 (18:21)
Und hier ging es nicht um einfache Verweigerung. Er wollte nicht unschuldige Menschen töten. Vermutlich weil sie Jude waren.
Du meinst Befehlsverweigerung zum Erschießungskommando? Der Fall würde mich interessieren...
Genau. Darum handelte es sich. Und eben das meinte ich mit dem Wort "Naziverbrechen"
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Niwre am 16.01.09 (19:14)
Genau. Darum handelte es sich. Und eben das meinte ich mit dem Wort "Naziverbrechen"

Du weißt aber, daß die Quellenlage sehr sehr dünn ist, was das angeht? Lies mal Zivilcourage unter extremen Bedingungen (http://www.hrb.at/bzt/doc/zgt/b11/dokumente/zivilcourage_w_wette.pdf) (Abschnitt Exekutionsverweigerer). Deserteure gibt es genug, aber Exekutionsverweigerer mit Todesurteil, (fast?) keinen - daher mein obiges Interesse.
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: waldi44 am 16.01.09 (19:18)
Also dazu mal was Grundsätzliches.
In der Regel wurde kein deutscher Soldat gezwungen jemanden zu erschiessen (ausser im Kampf)! Es gab tatsächlich einige wenige Ausnahmen, in denen Kriegsgerichtsverfaheren eröffnet wurden und es gab auch diverse (verhältnissmässig wenige) Verurteilungen. Erschiessungen, weil sich jemand geweigert hätte seinerseits an Erschiessungen teilzunehmen, sind mir eigentlich nicht bekannt.
Dass ist natürlich ein zweischneidiges Schwert. Einerseits musste niemand an Erschiessungen teilnehmen, andererseits taten es die meisten widerspruchlos.
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: IM am 16.01.09 (19:27)
Ein interessanter Verweis, Niwre.

Mal aus einer anderen Perspektive betrachtet. Ein Kommandeur einer Einheit würde eine solche Exekution befehlen und es weigert sich wirklich jemand, diesem Befehl Folge zu leisten. Wenn dieser Befehlsverweigerer nun gleich mit an die Wand gestellt wird, hätte dies nicht eher noch weitaus schlimmere Folgen auf die Moral der Einheit als die Exekution selbst? Der Kommandeur hätte doch damit die Verbindung zu seinen Leuten und den Rückhalt seiner Einheit komplett verloren. Das würde doch schon bei Displinarverfahren, beispielsweise einem Kriegsgerichtsverfahren losgehen.
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Nomen Nescio am 16.01.09 (22:33)
Als ich die Quelle noch finde, werde ich sie angeben. Denn entweder kam sie aus dem Netz (was ich nicht so glaube), oder ich hab es in irgendeinem Buch, Dokument oder was denn auch bei mir zu Hause.
Aber es wurde so nebenbei erwähnt. Das ist das schlimme. Sonst wäre es viel leichter zu finden.
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: uwys am 22.01.09 (18:34)
Hab mal einen Fernsehbericht gesehn über einen deutschen Soldaten in Jugaslawien der sich weigerte an Erschießungen teilzunehmen!
Er musste die Seite wechseln und sich zu den Deliquenten dazustellen und wurde erschossen.
Anwohner eines benachbarten Dorfes haben ihm daraufhin nach dem Krieg ein Denkmal gebaut, was aber immer wieder für Streit bei den Einheimischen sorgte!

Mal meine ehrliche Meinung dazu, wem hat er damit geholfen?
Er konnte es vor seinem Gewissen nicht verantworten!
Dafür lieber sterben?
Wer würde so weit gehen?
uwys
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Niwre am 22.01.09 (19:11)
Hab mal einen Fernsehbericht gesehn über einen deutschen Soldaten in Jugaslawien der sich weigerte an Erschießungen teilzunehmen!

Auch das ist nicht korrekt (http://www.drustvosns.org/kultura/pdf/Carl%20Bethke,%20Deutscher%20Widerstand%20gegen%20Hitler%20aus%20YU-Sicht.pdf):

Zitat
Die bizarrste Seite deutsch-jugoslawischer Erinnerungskultur ist der Fall des Gefreiten Josef Schulz aus Wuppertal, der sich am 20. Juli 1941 in Smederevska Palanka geweigert haben soll, an einer Erschießung von 16 Partisanen teilzunehmen, wofür er selber hingerichtet worden sei. Der Vorgang ist angezweifelt worden (Heiner Lichtenstein, Albert Rückerl, Friedrich Stahl) da Expertisen der Zentralen Untersuchungsstelle Ludwigsburg und des Freiburger Militärarchivs belegen, daß Schulz schon einen Tag vorher gefallen ist - bereits um 2.00 morgens des 20.7.1941 war der Tod beim Armeeoberkommando gemeldet worden, den Angehörigen wurde ein Photo zugesandt. Eingewandt wird seitdem, daß mit dem Fall Schulz ein Exempel für „Befehlsnotstand“ statuiert würde. Tatsächlich aber fand der Schulz-Mythos vor allem in Jugoslawien selbst viele Anhänger - und nur deswegen konnte er sich entfalten-, sowie insbesondere bei jenen Deutschen, denen eine Verständigung mit Jugoslawien und den Serben am Herzen lag.
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: waldi44 am 22.01.09 (22:44)
Ich kann mich da noch an ein Schulgedicht erinnern, das genau diesen Vorgang beschrieb. Weiss aber nicht mehr wie es hiess und von wem es war. Damals hat man das natürlich geglaubt. Mittlerweile glaube ich das nicht mehr.
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Richtschuetze am 23.01.09 (06:57)
@Niwre gute Seite!

Allerdings ist nie ein Soldat erschossen (gegen Ende des Krieges will ich es mal nicht ausschliessen ) weil Er die teilnahme an einer Erschießung verweigert hat!
Ich weiss das meine Angehörigen davon mal erzählt haben das junge Soldate (das waren sie ja) nicht genommen wurden bzw nicht gefragt wurden. Allerdings erzählten sie auch oft, das Kameraden gefunden wurden die Partisanen in die Hände gefallen waren , da war natürlich die Bereitschaft höher sich zu melden wenn die Möglichkeit da war sich zu Rächen!


Gruss
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: waldi44 am 23.01.09 (11:41)
Allerdings erzählten sie auch oft, das Kameraden gefunden wurden die Partisanen in die Hände gefallen waren , da war natürlich die Bereitschaft höher sich zu melden wenn die Möglichkeit da war sich zu Rächen!


Gruss

Naja, deine Angehörigen haben eben andere Erfahrungen gemacht als meine Leute. Da hat sich niemand für irgendwas freiwillig gemeldet, weil er sich für irgendetwas rächen wollte. Gerächt wurde sich allerdings öfter mal und das nennt man heute Kriegsverbrechen, die manche mit den Verbrechen der anderen begründen. Womit du wieder toll die Kurve gekriegt hast, dein Anliegen in einen Thread einzubauen!
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Richtschuetze am 23.01.09 (12:53)
Zitat
Womit du wieder toll die Kurve gekriegt hast, dein Anliegen in einen Thread einzubauen!

Oh Waldi ich wollte keine Kurve für was bekommen! Meine Güte berühge Dich mal wieder! :(

Zitat
Naja, deine Angehörigen haben eben andere Erfahrungen gemacht als meine Leute.

Lieber Waldi ich habe nur das gesagt was meine Angehörigen darüber erzählt haben, sie haben nie an Erschiessungen teilnehmen müssen! ( Mein Vater der oft genug Opfer von Partisanen gesehen hat meinte nur das es im hinblick auf den Zustand der Kameraden bei einem Fall nicht schwer gewesen wäre Freiwillige zu finden!)

Gruss

Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: logo am 25.01.09 (11:00)
Ich schließe mich da @waldi an und meine das mir auch nichts bekannt ist. Die Erschiessungskommandos waren immer freiwillig und es haben sich auch immer ein paar Leute gefunden. Sogar bei den Verbrechen der Einsatzgruppen der SS im Osten, waren bei der Abriegelung der Erschiessungsgruben Wehrmachtssoldaten beteiligt/abgestellt. Es war für sie ein" Fronturlaub" ohne Risiko , weit weg vom Inferno.
logo
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Christian am 16.02.09 (11:38)
Hallo Nomem Nescio,
zum Thema Exekutionsverweigerung haben sich die anderen ja schon gemeldet. Es gab aber durchaus Todesureile wegen nicht NS-konformen Handlungen.
Nachfolgend Auszüge aus dem Abschiedsbrief des Feldwebels Anton Schmid, der am 12. April 1942 hingerichtet wurde. Schmid wurde 1967 als erster Wehrmachtsangehöriger in Yad Vashem als "Gerechter unter den Völkern" geehrt, weil er ungefähr 350 Juden vor dem Tode bewahrte.

"[...] Ich kann Dir heute schon alles oder mein Schicksal, das mich ereilte, mitteilen: Aber eines bitte ich Dich: bleibe stark, wenn Du weiterliest. Es ist leider so, bin zum Tode verurteilt vom Kriegsgericht in Wilna [...]. Man kann nichts dagegen machen als ein Gnadengesuch [...] glaube aber, daß es abgewiesen wird, da bis jetzt alle abgewiesen wurden. Aber, meine Lieben, darum Kopf hoch. Ich habe mich damit abgefunden, und das Schicksal wollte es so. Es ist von oben unserem lieben Gott bestimmt, daran läßt sich nichts ändern. Ich bin heute so ruhig, daß ich es selber nicht glauben kann, aber unser lieber Gott hat das so gewollt und mich so stark gemacht. Hoffe, daß Er Euch ebenso stark macht wie mich. Will Dir noch mitteilen, wie das Ganze kam. Hier waren sehr viele Juden, die vom litauischen Militär zusammengetrieben und auf einer Wiese außerhalb der Stadt erschossen wurden, immer so 2-3000 Menschen. Die Kinder haben sie auf dem Wege gleich an die Bäume angeschlagen usw., kannst Dir ja denken. Ich mußte, was ich nicht wollte, die Versprengtensammelstelle übernehmen, wo 140 Juden arbeiteten. Die baten mich, ich soll sie von hier wegbringen [...]. Da ließ ich mich überreden. Du weißt ja, wie mir ist mit meinem weichen Herz. Ich konnte nicht denken, und half ihnen, was schlecht war, von Gerichts wegen. Denke Dir, meine liebe Steffi und Grete, daß es ein harter Schlag ist für uns, aber bitte, bitte verzeiht mir. Ich habe nur als Mensch gehandelt und wollte ja niemandem wehtun. - Wenn Ihr, meine Lieben, das Schreiben in Euren Händen habt, dann bin ich nicht mehr auf Erden. Werde Euch nicht mehr schreiben können, aber seid sicher, daß wir uns wiedersehen in einer besseren Welt bei unserem lieben Gott [...]." (zit. nach W. Wette, Die Wehrmacht. Feindbilder, Vernichtungskrieg, Legenden, Frankfurt a.M. 2005, S. 279-280.)
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Nomen Nescio am 16.02.09 (13:41)
Hallo Christian,

Vielen Dank für diesen Brief.

Ich hatte ihn einmal gelesen, und fast vergessen. Du hast Recht. Dies ist den Brief.
Es war also nicht ein Erschießungbefehl, sondern das, was er tat.

Nichtsdestotrotz, er war HUMAN. Wie er schreibt über das Ermorden der Kinder... Es hat ihn deutlich sehr beeindruckt. Er schreibt es sachlich, und doch tief bewegt. Gerade das ist es, was ihn von Nazihenker unterscheidet.
Ich muß jetzt denken an einen einfachen Deutschen Soldat in Holland. Der sich opferte, um kleine Kinder das Leben zu retten. Zweifelsohne hat es vereinzelt mehr Menschen gegeben, die human handelten. Darum soll man nie behaupten "Alle waren schlecht".

Ich hoffe, wenn ich je für eine solche Entscheidung stehe, auch soviel Mut zu haben.
Titel: Re: Weigerung
Beitrag von: Balsi am 16.02.09 (19:15)
wirklich gut gesagt... Danke dafür.

Ich denke darüber haben wir alle schon einmal nachgedacht. Wie würden wir handeln? Aus unserer Sicht ist es zu leicht darüber zu entscheiden, da wir in dieser Situation nicht stecken. Aber ich persönlich wünsche mir auch, wenn dann so zu handeln. Allerdings ohne die Gewissheit, das man dieses "Vermögen" besitzt. Dies erfährt man erst wenn man sich in dieser Situation befindet.