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Interna => Literaturforum => Thema gestartet von: waldi44 am 31.08.06 (12:21)

Titel: Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 31.08.06 (12:21)
Sag mal, ob es sich lohnt. Hört sich interessant an.
Interesant war es für mich nicht. Es handelt sich um schwachbrüstige Broschüren in einem eher kindlichen Stil gehalten und man fragt sich, für welche Klientel das geschrieben wurde, wenn selbst der Begriff "Zivilleben" mit "Armeejargon für nirmales DDR- Leben erklärt wird.
Allerdings ist es sehr interessant, wenn man es mit dieser Seite vergleicht:http://www.kotsch88.de/pr-21.htm. Da tauchen nämlich die selben Personen wieder auf, zB der"....allseits geachteter Bataillonskommandeur Oberstleutnant Wegener ", den der Autor aus seiner Sicht gaaaanz anders dastellt. Naja, der war eben nur Soldat/Gefreiter, der Seitenbetreiber dagegen Zugführer in besagtem Regiment.
90% dessen was in der Broschüre geschildert wurde, habe ich so oder so ähnlich auch erlebt bzw wahrgenommen. Den Massensuff, den Betrug, zT. Schickanen, die EK- Bewegung unterdrückung der jüngeren Soldaten durch die älteren und das mit offener oder versteckter Billigung der Offiziere.
Als ich das so mal im NVA Forum schilderte, wollte man mich dort am liebsten lynchen. Nun fühle ich mich bestätigt, dass es so tatsächlich so war und nicht nur von mir so gesehen oder empfunden wurde. Insofern hat mir das Büchlein was gebracht.
Einige Dinge wunderten mich schon. So zB. kann ich m ich nicht entsinnen, dass die NVA Soldaten als Landser bezeichnet wurden und dass der Begriff "Hugo" für Ladeschütze, von dem "Hugo" aus dem faschistischen Tigerpanzer abgeleitet wurde- steht so ähnlich drinn.
Überhaupt versucht der Autor öfter eine Verbindung zur Wehrmacht und NVA zu knüpfen, wobei die NVA aus seiner Sicht noch "schlechter" abschnitt:"Selbst die Nazis haben sowas nicht gemacht..."

Auch der Autor sprach von Kanonenöfen, aber er frohr gewaltig, weil sie kaum wärme speicherten wenn sie mal ausgingen. Der HP Betreiber hat das anders in Erinnerung:"Sehr spartanisch, aber auch irgendwie gemütlich am Kanonenofen..."
Immerhin hat er den übermässigen Alkkonsum auch bemerkrt, wenn auch wohl etwas verharmlost:"Der berühmte Befehl 30/74 war natürlich nicht absolut durchsetzbar. Es gibt immer einen Weg... Nicht selten zeigte der Alkohol dann aber auch seine unschönen Seiten."
Eher war es so wie der Gefreite Schütze, der Autor und ich es erlebt haben. Dennoch eine nette Seite.
Das "Buch" selbst bringt keinerlei neue Erkenntnisse, äh, doch: Ich musste feststellen, dass ich damals nicht im PR 21, sondern im PR 23 (Julian Marchlewski) gedient hatte ;)!
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: Hoover am 05.09.06 (06:57)
Super, lohnt es sich jetzt für einen Wessi und Ex-Bundi, sich das Buch zu kaufen um weitere "insider-Infos" über das Leben in der die freie, demokratische Welt bedrohenden NVA zu erfahren?  ;D
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 05.09.06 (10:42)
Jain ::). Frag mich und spar das Geld ;D! Es sind immerhin drei Heftchen und kosten zusammen so um die 20 Euro. Für mich hatten sie aber einen grossen Wiedererkennungswert und waren eine Bestätigung dessen, was ich erlebt hatte und das meine Wahrnehmungen durchaus der Realität entsprachen.
Eine Realität, die manche Leute, zB solche im NVA Forum nicht wahrhaben wollen. Sicher gab es auch andere NVA Einheiten und andere/bessere Standorte, aber eben auch solche wie in und um Eggesin.
Wenn du Geld übrig hast, kannst du sie nehmen und somit bestimmte Argumente immer zu Hand bzw im Regal griffbereit haben ;). Neues enthalten sie wie gesagt nicht und auch keine Enthüllungen.....
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: Wilden am 05.09.06 (12:19)
Sag mal, ob es sich lohnt. Hört sich interessant an.
Interesant war es für mich nicht. Es handelt sich um schwachbrüstige Broschüren in einem eher kindlichen Stil gehalten und man fragt sich, für welche Klientel das geschrieben wurde, wenn selbst der Begriff "Zivilleben" mit "Armeejargon für nirmales DDR- Leben erklärt wird.
90% dessen was in der Broschüre geschildert wurde, habe ich so oder so ähnlich auch erlebt bzw wahrgenommen. Den Massensuff, den Betrug, zT. Schickanen, die EK- Bewegung unterdrückung der jüngeren Soldaten durch die älteren und das mit offener oder versteckter Billigung der Offiziere.
Als ich das so mal im NVA Forum schilderte, wollte man mich dort am liebsten lynchen.
Lynchen wofür?
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 05.09.06 (15:27)
Dafür, dass ich meine Erlebnisse im Panzerregiment 23 Julian Marschlewsky so schilderte, wie ich sie erlebt hatte und da blieb von Ruhm und Ehre der Nationalen Volksarmee nicht viel übrig. DAS nahm man mir sehr übel in besagtem Forum.
In besagtem Heftchen, viel mehr ist es ja nicht, werden aber meine Erafhrungen bestätigt- allerdings, war wohl meine anfängliche Pauschalisierung der NVA als durchweg schlecht und vergammelt etwas zu pauschal und ich musste mich da eines Besseren belehren lassen.
Als ich die allgemeinen Alkoholprobleme im Regiment anschnitt, wurde gleich versucht MIR ein Alkoholproblem an die Backe zu nähen und es folgte auch so ein Spruch: "Verpiss Dich, keiner vermisst dich!". Man (Mann) wollte eben unter sich sein mit seiner Beweihräucherung. Genosse unter Genosse sozusagen ;)....
Ps: Der von dem der Spruch stammte hat sich dann aber später doch eines, anderen, besseren besonnen ;)!

Ich war im Pz.Rgt. 23, "Bollle" im PzRgt.21 und ausgerechnet nur diese zwei sollten so gewesen sein wie ich es erlebt hatte? Angefangen von der miesen Verpflegung über die beschissene Unterbringung bis hin zur mangelhaften Einsatzbereitschaft und eher wehrkraftzersetzenden "EK Bewegung"?
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 07.09.06 (23:48)
Ok! Nicht immer klappt es so, wie man es sich vorgestellt hatte ::)! Neben der Aufklärung über das "Buch" selbst, hätte ich eigentlich erwartet, einige würden sich auch zum Thema NVA und meine Erfahrungen äussern.
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: Tonio am 03.10.06 (16:57)
Vielen Dank für die kritische Lesermeinung. Zwei Fehler sind enthalten:

1. "Ich bin Bolle" ist auf sechs Bände angelegt, wobei bisher nur Band 1 (Ein Rabauke - Kindheit und Jugend in Schwedt, 1959-1977) und Band 3 (Haß - NVA-Zeit im Panzerregiment 21 Torgelow-Spechtberg, 1977-1979) erschienen sind. Es gibt also bisher nur zwei Bände der Reihe!

2. Der Kompaniechef im Buch (Leutnant bzw. später Oberleutnant) Wegener hat nichts mit dem Oberstleutnant Wegener eines anderen Bataillons zu tun. Die Namen sind nur gleich!

Frank Schütze (Autor)
Titel: Re: Ich bin Bolle.... Haß --- Band 3 der Reihe
Beitrag von: Tonio am 03.10.06 (21:06)
Etwas muß noch gesagt werden, ein Zugführer (meistens junger Leutnant) war im Panzerregiment überhaupt nichts... Ein Gefreiter war ja (meistens) EK (Entlassungskandidat) - der war viel mehr angesehen, weil er als Erster nach Hause gehen konnte!
Von den Soldaten gegrüßt wurde als erster Offizier der Oberleutnant (Kompaniechef) und die älteren Hauptfeldwebel und Fähnriche.  Bei den Kompaniechefs gab es dann schon gute, die von Ihren Soldaten auch geachtet wurden. Aber es kam eben immer auf die persönlichen Führungsqualitäten an.

Zum Thema Kanonenofen: Die Situation, die im Buch geschildert wurde war bei eisigen Temperaturen (über minus 20 Grad, nach meiner Erinnerung) und in solchen extremen Wetterlagen versagten die Öfen eben. Da war von Wärme nach einiger Zeit nichts mehr zu spüren.
 
Übrigens kann man das Buch (für 6,50 EUR + 0,90 Porto in Deutschland) unter www.agroplant.de --- Verlag bestellen.
Dort finden sich auch viele Lesermeinungen der letzten Jahre.
Am besten man nimmt auch den ersten Band der Reihe mit dazu (Ein Rabauke, Kindheit und Jugend von Bolle), dann lernt man auch die Vorgeschichte besser kennen und der Band 3 (Haß - über die NVA-Zeit) liest sich weitaus besser. Beide Bände zusammen (inkl. Porto) kosten 13 EUR.
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 03.10.06 (21:58)
Anmerkung von mir: Das war der Autor. Man hat mich um eine Lesermeinung gebeten und ich hab ihn auf unser Forum verwiesen und Hoover, vielleicht kaufste dir das Buch doch ;D. Steht ja da, wo und für wieviel ;)!
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: alrik am 04.10.06 (19:40)
Die kleine Rezession, sofern man das so nennen kann, halte ich für nicht sachlich. Sicher gibt es unterschiedliche Erfahrungung bezüglich NVA, aber was der Auotr schreibt, trifft den Nagel auf den Kopf und ich denke, das könne viele aus dem damaligen Standort bestätigen. Eigene Erfahrungen ungeschönt und real darzustellen erregt oft Aufsehen und wird unterschiedlich gedeutet - je nach Standpunkt eben. Aber aus eigener Erfahrung kann ich das nur bestätigen was der Autor von den sogenannten Kampfregimentern berichtet, wo die Wehrdienstleistenden eine schwere Zeit hatten. Wozu eigentlich? Vieles wäre noch zu ergänzen, doch das würde die Sachlichkeit sprengen. Der Autor will ja seine Erfahrungen darstellen, keinen Roman mit Happyend zum Besten geben. Und das macht den Wert des Buches aus - nicht mehr, aber auch nicht weniger. Ein Zeitdokument!
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 04.10.06 (22:31)
Die kleine Rezession, sofern man das so nennen kann, halte ich für nicht sachlich.

Als Rezession war mein Beitrag sowieso nicht gedacht, aber wieso "...nicht sachlich"?
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: alrik am 05.10.06 (10:08)
Bezeichnungen wie schwachbrüstige Broschüre , kindlicher Stil usw. sind bestimmt kein Zeichen von Sachlichkeit.
Wer je ein Buch geschrieben hat, weiß um dessen Schwierigkeit. Der Vergleich zur Wehrmacht hinkt, es wurden die üblichen Jargonsprache verwnedet, so wie sie damlas üblich war..auch der Bezug auf ...das habe die Nazis ... gibt doch nur den Originalausspruch wieder. Vielleicht lohnt es sich, das Buch unter Beachtung der Hinwesie ein zweites Mal zu lesen.   
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 05.10.06 (10:37)
Nunja, wollte man meine Meinung dazu wissen? Unser Boardmitglied Hoover wollte meine Meinung zu dem Heft wissen, da es bei Ebay angeboten wurde und die hat er bekommen. Da nun Herr Schütze eine Rezession von mir wünschte, verwies ich ihn auf meinen Beitrag hier im Forum, der mitnichten eine Rezession ist oder sein sollte.
"Schwachbrüstig"? Nun, wie soll man ein Schriftstück in A5 mit 73 Seiten sonst bezeichnen? Opulentes Werk? Auch meine Kritik am Schreibstil sollte doch eher als Anregung dazu dienen am selbigen zu arbeiten. Am Inhalt des Heftes habe ich ja grundsätzlich nichts auszusetzen und ich habe ihn ja auch bestätigt. Der Begriff "Landser" ist mir allerdings in diesem Zusammenhang nicht untergekommen. Vielleicht kam er ja erst später auf oder es war von Regiment zu Regiment unterschiedlich.
Und was das besagte Zitat betrifft, so mag es ja stimmen. Aber es passt weder zur NVA allgemein, noch zum Buch speziell und erweckt bei mir eben den Eindruck des "reisserischen"!
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: Jürgen Fritsche am 20.12.09 (00:41)
"Schwachbrüstig"? Nun, wie soll man ein Schriftstück in A5 mit 73 Seiten sonst bezeichnen? Opulentes Werk?
Moin Waldi,

bspw. einfach als "schmale Broschüren" ...

"Schwachbrüstig" hört sich tatsächlich reichlich abqualifizierend an, im Sinne von "schwächlich, dünn (im übertragenen Sinn), mangelhaft".
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 20.12.09 (10:50)
"Schwachbrüstig"? Nun, wie soll man ein Schriftstück in A5 mit 73 Seiten sonst bezeichnen? Opulentes Werk?
Moin Waldi,

bspw. einfach als "schmale Broschüren" ...

"Schwachbrüstig" hört sich tatsächlich reichlich abqualifizierend an, im Sinne von "schwächlich, dünn (im übertragenen Sinn), mangelhaft".

Ups, nach so langer Zeit regt sich noch was ;D! Nun, deswegen lassen wir die meisten Threads ja auch offen.
Hmmm? Wie hätte das wohl bei Reich-Ranicki geklungen ::)? Nun, im Nachhinein denke ich "Schmalbrüstig" währe treffender, wobei ja eigentlich deutlich wird, dass es sich nicht um den Inhalt, sondern um den Umpfang handelt.
Titel: Re:Ich bin Bolle....
Beitrag von: Ostpreuße am 22.12.09 (19:41)
Mahlzeit allerseits,

ich bin neu hier und entbiete meinen Gruß in die Runde. Ich bin über ebendiesen Thread gestolpert und bin so frei, mal eben meinen Senf dazuzugeben. Sowohl das erwähnte Heftchen als auch die Panzerei der NVA sind mir wohlbekannt. Ich diente bis '87 als Fahrer im PR. 22. (Nach dem 21. und 23. hätten wir damit dann wohl die Panzer-Regimenter der ehemaligen 9. PD komplett.)

Ich denke, die widerlichen Zustände seinerzeit sind im besagten Heftchen recht treffend beschrieben (auch wenn es in seiner literarischen Qualität nicht überzeugt). Allerdings muß man wissen, daß der Alltag in solchen Einheiten wie Raketentruppen, Kampfschwimmer und eben Panzer offensichtlich besonders unangenehm war und mit der restlichen NVA nur bedingt vergleichbar ist. Fakt ist, daß in Truppenteilen, deren strategische Bedeutung - wie vorliegend - besonders hoch war, quasi alles der Gefechtsbereitschaft untergeordnet war. Ausgang oder gar Urlaub gab es EXTREM selten. Nicht zuletzt auch daraus resultierte ein erhebliches Frustpotential. Mit dem Anspruch der NVA an sich selbst hatte der Alltag in den Panzerkompanien nichts gemein. Letztendlich ähnelte die Panzerei einem großen Gefängnis. Um die Leute unter diesen Bedingungen im Griff zu behalten, wurde extrem viel Streß erzeugt. Die Panzereinheiten rotierten rund um die Uhr, damit niemand der Insassen auf dumme Gedanken kam. Ich habe damals mitgezählt: von den ersten 16 Wochenenden des Jahres 1986 hatten wir an 13 Wochenenden weder Sonnabend noch Sonntag frei - haben als durchgerackert - oft bis nachts um ein oder zwei Uhr. Das ging soweit, daß ich seinerzeit in Verbindung mit wenig Schlaf und wenig Essen mit einem Kreislaufkollaps zusammenbrach. Die Tätigkeiten, mit denen die Panzerkompanien auf Trab gehalten wurden, waren in der Mehrzahl völlig sinnlos. Beispielsweise wurden schwere Munitionskisten von der einen Ecke des Parks per Hand an eine andere Stelle transportiert, nur um dann später wieder an den Ausgangsort geschleppt zu werden. Folge dieser Praxis war, daß man als Panzersoldat sich auf die Dauer von seinem eigenen Willen, von seiner eigenen Persönlichkeit verabschiedete. Befehle - egal wie sinnlos oder unangenehm - wurden widerstandslos ausgeführt. Man hatte sich in die Hoffnungslosigkeit der Situation völlig ergeben. Es focht einen nichts mehr an - man war völlig ruhig. Das war letztendlich auch viel einschneidender als die körperlichen Belastungen bzw. sonstigen Entbehrungen. Ich habe bei minus 25 Grad 10 Tage lang ununterbrochen heftigst gefroren (trotz bzw. wegen Kanonenofen), habe volle 6 Monate im Zelt gelebt, habe diese 6 Monate ein Klo benutzen müssen, das nur aus Gerüststangen bestand, ohne jede Abtrennung Platz für 8 Mann gleichzeitig bot und aus 300 m Entfernung frei einsehbar war. An den Wasserleitungen in den Massenwaschräumen lagen aufgrund der maroden E-Anlage über 40 V Spannung an,  das Essen war unter aller Sau (die Wurst schillerte in allen Farben) und wenn ich ein wenig nachdenke, fallen mir sicher noch ein paar Highlights ein. Fakt ist, ich träume selbst heute noch hin und wieder von riesigen Massen-Sanitär-Räumen, in denen die Pisse knöchelhoch steht und in denen man kein vernünftiges Klo zum Pinkeln findet...

Aber diese kleinen Unannehmlichkeiten waren geradezu lächerlich gegen die allgegenwärtige Hoffnungslosigkeit und die Aufgabe der eigenen Persönlichkeit.

Gruß Falk
Titel: Re:Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 22.12.09 (19:58)
Nach deiner Schilderung ist es ja noch bechissener geworden als zu meiner Zeit. Vielleicht aber lag es auch an der Örtlichkeis. An meiner Uffz. Schule in Weisswasser war es den Umständen entsprechend recht angenehm. Sowohl das Dienstklima, die Unterbringunmg und die Mannschaft - änderte sich aber schlagartig mit meinem Eintreffen in Eggesin.
Ein regelrechter Kulturschock, eine Ernüchterung, die fast nur noch im Suff zu ertragen war und in meiner einseitigen vorzeitigen ausserordentlichen Kündigung endete!
Titel: Re:Ich bin Bolle....
Beitrag von: Ostpreuße am 22.12.09 (21:11)
Du hast abgekohlt? Alle Achtung! Wie hast Du das denn hingekriegt? Das haben sich nur ganz wenige getraut.

Die Eggesiner U-Schule war letzendlich nicht viel besser oder schlechter als später die Einheit - nur etwas anders. Das Dienstklima war durchaus von Sadismus durchzogen. Ich erinnere mich, daß unsere Einheit wegen irgendeiner kleinen Verfehlung eines Einzelnen sage und schreibe eine dreiviertel Stunde lang strammstehen mußte. So etwas hört/liest man sonst nur von KZs. Besonders widerlich war der Küchendienst - soweit ich mich erinnere war der ähnlich dem Wachdienst 24 h. Nachts um 2 Uhr im Halbschlaf Kartoffeln schälen und dabei permanent von den Küchenbullen angebrüllt werden: "Los Ihr glatten Schweine! Macht hinne! Hopp! Hopp!"

Nett auch die Story mit den Ohrenklappen: Draußen auf der Fahrschulstrecke angetreten. Tiefster Winter. Eisiger Wind. Hitze im Sommer kann lästig sein. Aber Kälte tut weh. Unser Zugführer meinte, solange er seine Ohrenklappen nicht runtermacht, brauchen wir das auch nicht. Der Unterschied war nur, daß seine Ohren schon mal erforren waren und er da nichts mehr spürte. Mein Kamerad hat sich dann bei dieser Gelegenheit auch prompt die Ohren erfroren.

Eines Tages war Blutspenden angesagt. Üblicherweise ist so etwas freiwillig. Das hat natürlich den KC nicht interessiert. Der hat einfach befohlen, wer Blut zu spenden hat. Daß dabei jemand dorthin befohlen wurde, der kein Blut sehen konnte, hat nicht interessiert. Trotz Widerspruch wurde er hinbefehligt und ist dann natürlich im Medpunkt prompt kollabiert.

Als ich es einmal gewagt hatte, beim Appel mit Sonnenbrille (mit Stärke) aufzukreuzen, machte mich der KC zur Sau. Obwohl dazu nichts in der Dienstvorschrift oder sonstwo geregelt war, brüllte er mich vor versammelter Mannschaft an: "Wenn ich Dich noch einmal mit dieser Sonnenbrille erwische, jage ich Dich über'n Jordan!"

Ja, das Personal dort war schon leicht pervers und hätte sicherlich auch in einem KZ ganz gut Karriere gemacht.

Gruß Falk
Titel: Re:Ich bin Bolle....
Beitrag von: waldi44 am 22.12.09 (21:37)
Ich war nicht in Eggesin auf der uffz. Schule, sondern in Weisswasser- Weisskeisel glaub ich oder so ähnlich. Abgekohl? Kenne ich nicht, ich habe in Richtung Westen "gekündigt", was man mir irgendwie übelnahm und mich für den Rest meiner Dienstzeit nach Brandenburg "versetzte".
Liess etwas im Forum und du weisst wie und warum und wieso ;)!
Also, wie ich schon sagte: Es scheint nicht besser, sondern eher schlimmer geworden zu sein. Die schlimmsten "Feinde" waren zu meiner Zeit die "Kameraden", die Stubengenossen- diese Arschlöcher und die grössten Pfeifen und Versager die sogenannten echten Genossen und ALLE Politoffiziere!
Titel: Re:Ich bin Bolle....
Beitrag von: Sturm am 23.12.09 (09:47)
Weisswasser- Weisskeisel  - da sind doch die Vögel mit den Rücken drüber geflogen, damit sie das Elend nicht sehen  ;D !
Wir Mot- Schützen aus Sondershausen waren dort auch mal zur einer Übung gewesen . Weit und Breit Steppe und wenn ich mich recht erinnere ,waren da Kraftwerkstürme in der Ferne ????

Jetzt wird der Baum geschmückt.
Titel: Re: Ich bin Bolle....
Beitrag von: Jürgen Fritsche am 24.12.09 (01:09)
Ups, nach so langer Zeit regt sich noch was ;D! Nun, deswegen lassen wir die meisten Threads ja auch offen.

Moin Waldi,

nun ja, angesichts meiner ach so langen Mitgliedschaft hier kann ich wohl kaum schon durch alle Beiträge durch sein  ;D

Ihr müßt also durchaus darauf gefaßt sein, daß hier und da vielleicht doch wieder was aus der Versenkung hochkommt.  ;)
Titel: Re:Ich bin Bolle....
Beitrag von: Tonio am 02.05.10 (22:28)
Nochmals zum Buch "Ich bin Bolle" (ich bin der Autor). Niemals war das Buch als literarisches Werk gedacht, sondern (nur) als absolut ehrlicher Erlebnisbericht.
Nichts in dem Buch ist ausgedacht oder entspringt der Phantasie - alles selbst erlebt.
Als das Buch im September 99 erschien, war dies zu großem Teil immer noch ein Tabuthema. Deshalb durfte das Buch sich nur an der Wahrheit orientieren...

Daß es in den NVA-Kampfeinheiten oft noch deutlich schlimmer war, als im Buch dargestellt ist heute durchaus klar - nur habe ich als Kompaniekraftfahrer (zu meinem Glück!!!) nicht alles mitmachen müssen, solche Erlebnisse der "reinen" Panzersoldaten fehlen natürlich oder müssen fehlen, da ich um wirklich bei der Wahrheit zu bleiben, nur wirklich selbst erlebtes in das Buch "reingeschrieben" habe.
Natürlich ist die Brutalität des Tones in der NVA (die im Buch natürlich zum Vorschein kommen muß) aus heutiger Sicht kaum zu verstehen, vor allem für all diejenigen, die das zu ihrem Glück nicht erleben mußten. Aber es war eben so. Deshalb konnte das Buch auch keine literarische "Ikone" werden, dann hätte u.a. diese Realität weggelassen werden müssen und ich denke gerade diese auch brutale Ehrlichkeit zeichnet dieses Buch über das 21. Panzerregiment in Torgelow - Spechtberg aus und macht es, trotz aller Kritik am Stil, noch immer lesenswert, mindestens für die Leser, die die Wahrheit über die Realität innerhalb der NVA (mindestens innerhalb der damaligen Kampfregimenter, wie Motschützen (Mucker), Panzer usw. heute noch (oder wieder) suchen...
Das bestätigen auch die vielen Lesermeinungen seit Erscheinen des Buches - zu finden unter www.agroplant.de    Verlag.
Titel: Re:Ich bin Bolle....
Beitrag von: Udoleh am 22.03.11 (07:46)
Habe gerade hier Eiue Diskussion gelesen über "schwachbrüstig" oder nicht. ch muss zum Buch sagen, dass bei mir viele Erinnerungen an meine Zeit von 1975-1977 im gleichen Regiment geweckt wurden.
Eigentlich ist es doch klar, dass Jeder ein anderes Empfinden für seine gediente Zeit hat. Wie wurde immer gesagt: " Das Gute behält man, dass Schlechte hat man vergessen". Durch solche Zeilen hier, kommt aber die Erinnerung wieder. Das ist doch auch der Grund einer solchen Sache. Einiges fand ich auch ziemlich übertrieben, aber nun ja, er emfand es so.
Titel: Re:Ich bin Bolle....
Beitrag von: Micha am 22.03.11 (20:44)
Eggesin - im Land der drei Meere,

WALD meer,
Sand meer,
GARNICHTS mehr. ;)