Kurzbeschreibung
Die Beteiligung der Wehrmacht an den Verbrechen im Osten und Südosten Europas ab 1941 steht inzwischen fest. Doch der gnadenlose Rasse- und
Vernichtungskrieg hatte bereits mit dem Überfall auf Polen begonnen, bei dem im September 1939 Einheiten der Wehrmacht Tausende von Polen und Juden,
Zivilisten und Kriegsgefangene ermordeten. Der Autor beleuchtet in seiner bahnbrechenden Untersuchung die Hintergründe.
Ausstellungskatalog "Größte Härte... Verbrechen der Wehrmacht in Polen September-Oktober 1939", Hamburg 2005
Jochen Böhler
Auftakt zum Vernichtungskrieg – Die Wehrmacht in Polen 1939
[...]
Angesichts des gewaltigen Ausmaßes der deutschen Gewaltverbrechen in Ost- und Südosteuropa ab dem zweiten Kriegsjahr, das unser
Vorstellungsvermögen übersteigt, sind andere Aspekte des Vernichtungskrieges im Westen lange Zeit unberücksichtigt geblieben.
Erst in jüngerer Zeit nahm man dort zur Kenntnis, dass die Gewaltentwicklung in Polen bereits die wesentlichen Züge des späteren Vernichtungskrieges trug,
wenn auch noch nicht in den Dimensionen, die er zwei Jahre später annehmen sollte.
Es ist gerechtfertigt, den deutschen Überfall auf Polen, den Auftakt zum Zweiten Weltkrieg, auch als Auftakt zum Vernichtungskrieg zu bezeichnen.
[...]
Im Gegensatz etwa zur deutschen Invasion in Belgien und Frankreich ein Jahr später trug der deutsche Überfall auf Polen von Anfang an die Züge eines
ideologischen Rassenkrieges und hatte die Ermordung führender Gesellschaftsschichten und ethnischer Minderheiten zum Ziel. Die Wehrmacht spielte
dabei eine zentrale Rolle: Sie vertrieb gezielt Polen und Juden aus dem deutschen Machtbereich, sie deckte die rassistisch motivierten Exekutionen der
Einsatzgruppen der Sicherheitspolizei, an denen vereinzelt auch Wehrmachtssoldaten teilnahmen. Die Exzesse deutscher Soldaten wurden nach Abklingen
der Kampfhandlungen nicht kriegsgerichtlich untersucht, vielmehr wurde durch eine Generalamnestie den Tätern Straffreiheit zugesichert. Dadurch segnete
die Wehrmachtsführung die Übergriffe nachträglich ab und sandte den deutschen Soldaten ein eindeutiges Signal: Im Ostkrieg gegen Slawen und Juden war
offenbar jedes Mittel recht. Primo Levis viel zitierter „erster Schlag", durch den ein Opfer bereits seine gesamte Würde einbüßt, wurde Polen im Spätsommer
1939 von Soldatenhand versetzt.
[...]
In der englischsprachigen Fassung der Ausstellung,(= Anm.: der [Anti-]Wehrmachtsausstellung) die aufgrund des Moratoriums von Jan Philipp Reemtsma
nicht mehr gezeigt wurde, hatte man zumindest auf zwei Seiten einige Dokumente und Fotos zu Wehrmachtsverbrechen in Polen im Jahr 1939 präsentiert.
Umso unverständlicher, dass in der neu konzipierten Ausstellung Polen als Schauplatz wieder gestrichen wurde, diesmal mit dem Hinweis, dass die Übergriffe
deutscher Soldaten im Jahr 1939 nicht mit dem in Verbindung zu setzen seien, was man im allgemeinen unter dem Begriff „Vernichtungskrieg" verstehe.
Diese These zu widerlegen war das Anliegen des Polnischen Institutes des Nationalen Gedenkens und des Deutschen Historischen Institutes Warschau,
als man sich dort entschloss, eine eigene Ausstellung zu den Wehrmachtsverbrechen in Polen 1939 zu konzipieren.
[...]
Eine Ausstellung über "deutsche Verbrechen 1939" von deutscher und polnischer Seite zu erarbeiten und IN BEIDEN LÄNDERN zu zeigen –
eine polnischsprachige Version tourt seit dem 1. September 2004 durch Polen – ist ein Wagnis. (Anm.: Für wen ein Wagnis - für Deutsche?)
Der Prozess der Annäherung war nicht immer einfach, aber er war letztendlich immer gewinnbringend.
In gemeinschaftlicher Anstrengung haben wir uns bemüht, den Besuchern eine Darstellung der Ereignisse zu liefern,
die weder verharmlosend noch pauschalisierend daherkommt.
Pers. Anm.: Vor allem der letzte Satz, wo von "weder verharmlosend" (<= keine polnischen Täter werden erwähnt), "noch pauschalisieren" (<= es werden einzig Verbrechen
der deutschen Seite angesprochen und ihre "Vernichtungskriegs"-Opfer in Polen im Kollektiv als völlig unschuldig darstellt), nicht von Pauschalisierung zu reden, dann vermutet
der Autor und Mitverantwortliche für die Wanderausstellung "deutsche Verbrechen 1939" wohl zurecht, dass solch eine "einseitige Hetze" durchaus ein Wagnis darstellen könnte.
Ein Wagnis aber vor allem bei dem Punkt, daß den Leser seines Buches / Besucher der Ausstellung gleichen Namens, die "völlig einseitig Darstellung" beider Länder nicht auffällt
und die Ausstellung in Deutschland nie "auf Tour" geht und die Absicht dahinter u.U. erkennt ... da dies alles andere als förderlich für die zukünftigen Beziehungen beider Länder ist.
Der Historiker Jochen Böhler markiert den Beginn des deutschen Vernichtungskriegs bereits für September 1939 [...]
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Eine Kavalleriebrigade sollte in dem Städtchen getroffen werden. Nach polnischen Akten und Augenzeugen gab es am 1. September 1939 aber keine polnischen Soldaten in Wielun.
In seiner noch unveröffentlichten Dissertation präsentiert Böhler nun eine Notiz aus dem Kriegstagebuch des Generalstabschefs Halder. Sie zeigt, dass die deutsche Luftwaffe offensichtlich auch Vernichtungsangriffe auf polnische Städte gezielt vorbereitet hat.
"Auf Warschau nicht Terrorangriff, nur militärischer", heißt es dort am 30. August. Terrorangriffe waren also geplant. Zwei Tage später wird Wielun zerstört.
"Nach damals geltendem Recht ist es schwierig, zu sagen, ab wann ein Angriff ein Terrorangriff ist und ab wann er ein militärisch gerechtfertigstes Mittel ist", sagt Böhler. "Auf jeden Fall war der Luftangriff auf Wielun ein gezieltes Bombardement einer Zivilbevölkerung, die wehrlos war, und die sich nicht verteidigte, und das würde ich als Terror bezeichnen."
Am Donnerstag beginnt in Warschau eine deutsch-polnischen Historikerkonferenz. Dort will man über die Deutung der Vergangenheit streiten. Pünktlich dazu erschent Jochen Böhlers aufklärerische Studie über Wehrmachtsverbrechen im Herbst 1939
[...]
Zufällig pünktlich zum eskalierenden Streit um die jüngere deutsch-polnische Vergangenheit hat der Historiker Jochen Böhler seine Erkenntnisse zum Verhalten der deutschen Armee-Einheiten im gerade eroberten Polen jetzt als Buch herausgebracht. Unter dem Titel „Auftakt zum Vernichtungskrieg“ stellt der 37-Jährige zusammen, was er schon 2004 in einer Ausstellung des Deutschen Historischen Instituts in Warschau präsentiert hatte (Fischer Taschenbuch Frankfurt/Main 2006. 279 S., 12,95 ?).