Autor Thema: Einsätze eines Verwandten  (Gelesen 8942 mal)

Niwre

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Re:Einsätze eines Verwandten
« Antwort #15 am: 14.06.12 (00:21) »
1:
Zitat
Osten 3. Dez. 41

M. lb. Schwester!

Möchte nun meinem Versprechen nachkommen
u. mir Mühe geben, dir einige Zeilen, die dir, wie ich
hoffe, Abwechslung u. Freude machen, nach des Tages Sorgen
in deinem arbeitsreichen Leben. Doch will ich dir vor Allem
meinen verbindlichsten Dank für dein wirklich herrliches
Weihnachtspäckchen an dieser Stelle aussprechen. Mit Neugier bin
ich gleich ans Auspacken gegangen u. ich war erstaunt ob dieser
schönen Überraschung; du hast wirklich mit viel Liebe u. Sorg-
falt diesen mir willkommenen Inhalt nach weihnachtlicher
Stimmung hergerichtet u. mein Herz schlug wieder höher in
dieser Stunde u. meine Gedanken wanderten zurück in
die Heimat. Ist es doch bald wieder ein Jahr wo ich Abschied
nahm von Euch zu Hause um meine Pflicht weiterhin dem
Vaterland zu erfüllen. Ein Jahr u. was liegt an Erleb-
nissen, an Opfer, aber auch an Erfahrungen Alles drinnen.
Vor einem Jahr in Frankreich, in einem Lande, wo das Leben
der Impuls eines temperamentvollen Volkes nach südlicher
Prägung ist; u. heute in entgegengesetzter Richtung, wo Armut
Sklaverei, schwermütige Menschen, die nie das andere Leben
sahen, beherbergt. Gewaltig ist dieser Unterschied. Nach all dem,
was man so sieht, liegt diese Kultur um viele Jahre zurück.
Danken wir der gütigen Vorsehung, daß diese Masse nie nach
Deutschland einbrach. Du ich glaube kaum, daß viel von
unserem schönen Vaterland erhalten bleiben würde. Genau
vor 25 Jahren war auch ein Krieg, der Weltkrieg wo der Vater
auch seine Pflicht erfüllte, für uns nicht verständlich, wir
wußten noch wenig um den Sinn eines Krieges, doch schon
mit Sorgen wuchsen wir im Schutze unserer Mutter in

2:
Zitat
die Zukunft hinein. Auch diese schicksalsschwere Zeit ging vorüber,
u. wir wurden älter u. sahen das Leben schon mit anderen
Augen. So recht wurde uns das Auf- u. Ab des Lebens in all seinen
Freuden u. Leiden bewußt. Es wechselten schöne Tage mit sonnigem
Herzensgefühl u. düstere schwermütige Zeiten, die jede Lebensbe-
jahung unterdrückten. Letztes Endes siegte die Vernunft u.
vor Allem der Wille über die Schwäche u. man machte sich
Gedanken, in wieweit das Leben noch lebenswert erscheint.
Wenn heute unsere verehrte Mutter im Silberhaupt noch alles
[an] Gesundheit für unser Wohl opfert, so können wir ermessen,
was wir ihr schuldig sind. Meine Vergangenheit hat mir soweit
Erfahrung gebracht, daß ich heute eigene Gedanken habe, über
dieses kurze Leben, u. meine Urteile darüber nach eigenem
Ermessen bilde. Letzten Endes wollen wir damit die Bescheidenheit
im Denken u. Handeln zum Ausdruck bringen. Die rauhe
Wirklichkeit gab einem wieder das natürliche Denken u. so
hat man sich dann durchgekämpft. Diese Zeit in der wir groß
wurden, war nicht gerade die Glücklichste für uns, umsomehr
forderte Sie den vollen Einsatz um das zu formen, was eben
fehlte um es Zufriedenheit nennen zu können. Du bist heute
nun in diesen Jahren u. hast nun die Absicht die sogenannte
zweite Phase des Lebens zu beginnen u. ich freue mich wirklich,
daß du diesen Schritt wagst, denn dann wirst du als Frau u.
wenn es die Vorsehung zuläßt, als Mutter der Vollendung
deiner Lebensaufgabe zurecht. Wenn dann beiderseits gegenseitige
Harmonie die Ehe widerspiegelt, dann bin ich mir bewußt, daß
du glücklich u. zufrieden bist. Laß mir daher meine besten
Wünsche für Euer Wohlergehen für die Zukunft an dieser Stelle
aussprechen, denn ich kann leider nicht dabei sein. Hoffen wie aber,
daß noch einmal die Zeit wiederkommt um dann beim

3:
Zitat
Wiedersehen uns besser aussprechen zu können über all die
Dinge des Lebens. Möchte dir noch zum Schluß mitteilen, daß es
mir soweit gut ergeht u. ich mit mir auch zufrieden bin.
Wohl wünschte ich mir Vieles anderst, aber in dieser schicksals-
schweren Zeit muß man bescheiden sein, schon gegenüber den
Opfern die von Vielen gebracht werden. Teile der Mutter
mit, daß alles gut angekommen ist u. ich danke ihr herzlichst,
dafür. Nun dem Hans u. [Aug] habe ich auch Antwort gegeben.
Soweit wäre also alles in Ordnung u. ihr könnt somit ohne
Sorgen sein. Für Weihnachten u. Neujahr wünsche ich dir
zu deiner Verlobung sowie deinem werten Bräutigman
alles Gute für Eure weitere Zukunft. In der Hoffnung
dir durch diese Zeilen eine kleine Freude  bereitet zu
haben, verbleibe ich Dein

Bruder ...
« Letzte Änderung: 14.06.12 (09:51) von Niwre »

Jürgen Fritsche

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Re:Einsätze eines Verwandten
« Antwort #16 am: 14.06.12 (01:16) »
Moin Matthes,

hier die Transskription des Briefs des Kriegspfarrers Weckbach:

Zitat
Fp.Nr. 40847 A      Im Osten, 18.I.43
Sehr geehrte Familie Merkle!
Nicht Lässigkeit ist es, warum ich Ihren freundlichen Brief vom 16.8.42 erst heut beantworte.
Ende August versetzt, stecke ich jetzt tief im Süden Rußlands.
Mit vielen anderen erreichte mich Ihr Brief doch erst vor vier Tagen.
Herzlichen Dank nun für die beiden Bilder; nun können Sie doch wenigstens in Gedanken zum Grab Ihres lieben Toten pilgern.
Gebe Gott, daß wenigstens Ihre beiden anderen Söhne gesund heimkehren.
Ich werde besonders des einen, den Sie als vermißt beklagen, gedenken.
Beiliegend einige Aufnahmen, die bei der Beerdigung eines Kameraden gemacht wurden.
Wenn es sich dabei auch nicht um Ihren Sohn handelt, so können Sie daraus doch ersehen, daß wir unsere Soldaten so schön zur Ruhe betten, wie immer es möglich ist.
Mit herzl. Gruß
Ihr Weckbach
Kr. Pfr.
Anm:
Die Fp.Nr. 40847 wurde im Vergabezeitraum (1.3.1942-7.9.1942) bis Kriegsende an die Gruppe Chefarzt 8/XII Kriegslazarett-Abteilung 533 (R) vergeben.
Kennbuchstabe A war vermutlich der Abt.-Stab.
Das Kriegslazarett 8/533 (R) dürfte sich zu diesem Zeitpunkt in der Ukraine in Konstantinowka befunden haben.
Viele Grüße,
Jürgen



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DerMatthes

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Re:Einsätze eines Verwandten
« Antwort #17 am: 14.06.12 (01:42) »
Vielen Dank euch beiden ich hätte das nicht hinbekommen :-)

Jürgen Fritsche

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Re:Einsätze eines Verwandten
« Antwort #18 am: 14.06.12 (13:43) »
denkbar, dass dort sich auch ein sog. Spezial-Lazarett befand.
In Odessa befand sich (Febr./März 1944) z.B. ein Spezial-Lazarett für Hirnverletzte.
Lieber "Alfons",

ja, natürlich konnte das der Grund sein. Allerdings mußte er für einen derart langen Transport trotzdem auch erst einmal transportfähig werden. Andererseits war es ein Leichtkranken-Kriegslazarett, das eine solche eventuelle Spezialversorgung möglich machte ...
Viele Grüße,
Jürgen



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