Autor Thema: Nach 1945 diffamiert - bis heute nicht rehabilitiert  (Gelesen 5091 mal)

AK 74 ZF

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Re:Nach 1945 diffamiert - bis heute nicht rehabilitiert
« Antwort #15 am: 29.08.09 (20:23) »
Als Offizier und Militär sind mir Fahnenflucht, Desertation und Verrat suspekt. Und ich bin da auch, entgegen dem Zeitgeist, gegen eine pauschale Aufhebung aller Urteile der Wehrmachtsjustitz hinsichtlich dieser Fälle.

Aber !!! ... Und da muß ich Waldi Recht geben, es gibt viele Fälle wo Soldaten, Offiziere u.a. Personen aus Gewissensgründen oder aus anderen politischen Ãœberzeugungen heraus Widerstand leisteten, gegen das "System" arbeiteten/kämpften und auch die Seiten wechselten. ... Dies zu aktzeptieren fällt vielen "normalen Bürgern" oder politisch erfolgreich indoktrinierten "Staatsbürgern" sehr schwer. Ziel einer jeden Regierung (oder Partei ... und das ist nicht nur sogenannten "totalitären" Parteien eigen !) ist es dem Bürger eine Einheit von Staat, Vaterland und Regierungs-/Herrschaftssystem zu vermitteln. ... Ob dann der einzelne Wehrpflichtige wirklich mit dem einverstanden ist was da (angeblich) im Namen des Volkes getrieben wird ist ja durchaus zweifelhaft. ... War/ist  es schon im Frieden schwer (Ausnahme inzwischen die BRD wo es eh kaum noch ein Nationalgefühl bzw. Bekenntnis zur Nation gibt) sich gewissen staatsbürgerlichen Pflichten zu entziehen, so versucht man dies staatlicherseits in Kriegszeiten rigeros zu verhindern. ... Würde man dies nicht tun wären organisierte Kriege, mit hoher Beteiligung (Massenheere zu Zeiten der Weltkriege oder potentiell zu Zeiten des "Kalten Krieges") und kriegsbedingt hohen Verlusten, praktisch unführbar, da aus Egoismus, Feigheit ... oder auch "Cleverness" ... sich zunehmend größere Kreise der wehrpflichtigen Bevölkerung der Wehrpflicht oder insbesondere dem Sterben auf dem Schlachtfeld entziehen würden. ... "Laß doch die anderen fürs Vaterland sterben ... wir vögeln dann hinterher ihre Witwen !" oder ähnliche Mottos wären dann Sprüche der "Intelligenten" (oder auch feigen Drückeberger), welche Militärs wie ich rigeros standrechtlich erschossen hätte.

Die Beurteilung verschiedener Formen der Verweigerung oder auch des gezielten Widerstandes ist zum einen schwierig ... und zum anderen sind die Motivlagen sehr vielschichtig.

Es desertierten zum Bsp. am Anfang des Ostfeldzuges viele Kommunisten ... welche mehr als einen Grund hatten auf Adolf und seine Verbrecherbande zu scheißen ... und es gab auch Widerstand (bis hin zu "Verrat aus Vaterlandsliebe") innerhalb des Militärs. ... Später dann auch, nach Zusammenbruch der NS-Ideologie bzw. deren "Austausch", den Seitenwechsel vieler Soldaten welche mit dem Nazi-System gebrochen hatten.

Bei vielen heute als Verrätern verleumdeten Soldaten und Offizieren siegte da das Gewissen und die Liebe zum Deutschen Vaterland über den von den Nazis bewußt (mißbräuchlich) auf den Führer abgelegten Eid. ...

Nicht jeder Deserteur war ein Feigling oder gar Vaterlandsverräter. Im Gegenteil ! ... Es gab Soldaten, bis hin zu Ritterkreuzträgern, welche für Deutschland gegen Hitler (und sein ideologisches System) kämpften und ihr Leben gaben. ... Daß sie dabei zum Teil gegen ihre eigenen Landsleute kämpfen mußten (oder es dazu kam) ist ansich eine Tragik der Deutschen Geschichte und sehr schwierig zu wichten. ...

Wie oben schon erwähnt ist es Ziel jeder Führung die Massen hinter die Fahne zu bringen und mittels Eid ... oder dem Erzeugen fester Motivation und ideologischer Ausrichtung, durch Agitation, Überzeugung oder Manipulation, zu binden.

Daß dabei Werte wie Vaterland, Heimat, Volk, Nation ... Ehre, Treue ... und andere Werte und Tugenden zielgerichtet "vereinnahmt" (oder auch mißbraucht) werden hat lange Geschichte.
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Wie gesagt ... für Feigheit, Verrat in Form von Fahnenflucht, Desertation u.ä. ehrenrührige Militärstraftaten hab ich nicht viel übrig. ... Aber im gesetzterem Alter, noch dazu wenn man Carl v. Clausewitz Definition vom Krieg (und das was sie wirklich aussagt und bedeutet !!!) im Hinterkopf hat, denkt man über den Sinn des  Soldatseins (und dessen Mißbrauch durch die Politiker) etwas tiefer und philosophischer nach als man dies als junger Krieger getan hat. 

Ich bin für eine Einzelüberprüfung der Urteile. ... Gewissensentscheidungen (und da meine ich nicht irgendwelches halbschwule Gehabe !) wären zu aktzeptieren. Aber reine Feigheit oder "Cleverneß" nicht. ... Da fehlt mir das Verständnis !

AK 74 ZF

P.S. ... ich zum Bsp. hab mit Waldi ... der seine Gewissensentscheidung durchgezogen hat (da wo er dies tun mußte hätte manches Großmaul Rotz und Wasser geheult) und von meiner "Fahne" gegangen ist ... (heute im reiferen Alter) überhaupt kein Problem.

Ronny22

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Re:Nach 1945 diffamiert - bis heute nicht rehabilitiert
« Antwort #16 am: 02.09.09 (20:53) »
@AK



Mein Senf dazu, ich finde es für mich persönlich zum k*tzen wenn sich heutzutage Leute hinstellen und Kriegsteilnehmern bzw.
Zeitzeugen Feigheit und Verrat vorwerfen, ohne selbst jemals in einer annährend ähnlichen / vergleichbaren Ausnahmesituation gewesen zu sein.

Krieg kennen wir heute nur aus dem TV, Büchern und von Erzählungen....niemand war damals dabei, heutige Kriege sind furchtbar, aber kaum vergleichbar mit den Massenschlachten des 2.WK.

Keiner kann es wirklich nachempfinden oder sich in die Lage versetzen wie es ist wenn man sich sagen kann, kommt pack die
Sachen, nimm die Handschuhe mit, wir fahren zum Russen,...... sterben.  :-\

Die Weltgeschichte ist auch die Summe dessen, was vermeidbar gewesen wäre.
Bertrand Russell

Ein guter Soldat ist nicht gewalttätig.
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Shaolin-Weisheit