Autor Thema: Seelöwe  (Gelesen 39756 mal)

Nomen Nescio

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Seelöwe
« am: 09.04.09 (13:55) »
Warum ist Operation Seelöwe eigentlich nicht 1940 begonnen?
Gab es nicht genügend (Landungs)Boote? War die Kriegsmarine nicht in der Lage sie zu schützen? Reichten die Möglichkeiten der Luftwaffe nicht (Hitler hatte ja nie wirklich schwere Bomber bauen lassen). Konnte man bei Erfolg nicht die vereinzelte Stellungen in Süd-England sichern und bevorraten?
War es der ewige Streit zwischen Luftwaffe und Marine? Oder hatte das Heer nicht die Mannschaften?

Zweifelsohne gibt es nicht ein Grund, sondern muß dies ein Komplex von Faktoren sein.

waldi44

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Re: Seelöwe
« Antwort #1 am: 09.04.09 (16:09) »

Zweifelsohne gibt es nicht ein Grund, sondern muß dies ein Komplex von Faktoren sein.

Das ist einer der Gründe! Als Hauptgründe sehe ich, erstens, das Hitler Prioritäten enders lagen. Englnd galt lediglich als Störfaktor, waren die Briten nach seiner Ansicht auf ihrer Insel gefangen. Früher oder später würde man das Problem schon lösen, wenn nötig mit Gewalt (einer Invasion). Eine der Voraussetzungend afür aber war in jedem Fall die absolute Luftüberlegenheit. Wennmöglich über ganz England, aber unabdingbar über dem beabsichtigten Landegebiet, von dem Heer und Marine unterschiedliche Ansichten hatten.
Diese Luftüberlegenheit konnte in der Luftschlacht um England nicht errungen werden, so dass Seelöwe vorerst verschoben und später zugunsten von Barbarossa ganz auf Eis gelegt wurde.Spekulationen darüber, dass Hitler sich mit den Engländern über Verhandlungen arrangieren wollte, sind unbewiesene Speklationen incl. dem Englandflunflug von Hess.

Ronny22

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Re: Seelöwe
« Antwort #2 am: 09.04.09 (21:29) »
Ich denke das Hauptproblem lag in der gnadenlosen Unterlegenheit der Kriegsmarine gegenüber der britischen Flotte.

Wäre es zu einer reellen Operation Seelöwe gekommen, hätte man die verschiedenen Geschwader zurück in die Heimat beordert und dem hätte die Kriegsmarine nicht wirklich lange standhalten können.

Und die britische Marine hätte dann Kleinholz aus dem Nachschub für den Landungsraum gemacht und auch die Landungsräume wären dann dem Beschuss preisgegeben gewesen.

Allein an Schlachtschiffen standen den Briten folgende 16 Schlachtschiffe 1940 zur Verfügung:

HMS Anson
HMS Barham
HMS Duke of York
HMS Howe
HMS King George V
HMS Malaya
HMS Nelson
HMS Prince of Wales
HMS Queen Elizabeth
HMS Ramillies
HMS Resolution
HMS Revenge
HMS Rodney
HMS Royal Sovereign
HMS Valiant
HMS Warspite

Dazu kamen dann noch Schlachtkreuzer, Schwere Kreuzer, Leichte Kreuzer und Zerstörer....eine rein zahlenmäßige Überlegenheit an schweren Überwasser-Einheiten....

Denen nur 4 deutsche Schlachtschiffe (Bismarck, Tirpitz, Scharnhorst, Gneisenau) gegenüberstanden, sowie 3 schwere Kreuzer (Admiral Hipper, Blücher, Prinz Eugen), dazu nur noch ein paar Leichte Kreuzer und Zerstörer.

Meiner Meinung nach wäre die Entscheidung FÃœR die Operation Seelöwe für die Kriegsmarine einem kollektiven Selbstmord der deutschen Kriegsmarine gleichgekommen.  :-\

Was auch das Zögern der obersten Marineführung in diesem Fall erklären könnte...  ::)


 
« Letzte Änderung: 10.04.09 (01:03) von Ronny22 »
Die Weltgeschichte ist auch die Summe dessen, was vermeidbar gewesen wäre.
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waldi44

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Re: Seelöwe
« Antwort #3 am: 09.04.09 (21:52) »
"Bismarck" wurde erst August 1940 in Dienst gestellt, die "Tirpitz" sogar erst Februar 1941. Also für "Seelöwe" kaum bzw. nicht verwendbar! Aber aus den von dir genannten Gründen bestand die Marine ja auf die absolute Luftüberlegenheit zumindest über dem Landungsgbiet und das sollte sehr eng sein, im Gegensatz zu dem des Heeres!

Ronny22

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Re: Seelöwe
« Antwort #4 am: 10.04.09 (01:04) »
"Bismarck" wurde erst August 1940 in Dienst gestellt, die "Tirpitz" sogar erst Februar 1941. Also für "Seelöwe" kaum bzw. nicht verwendbar!...

Also bleiben nur 2 (!!!) deutsche Schlachtschiffe...........da bleibt die Frage, womit sollte die Kriegsmarine die Landung
absichern???
Die Weltgeschichte ist auch die Summe dessen, was vermeidbar gewesen wäre.
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Jan-Hendrik

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Re: Seelöwe
« Antwort #5 am: 10.04.09 (07:30) »
Zitat
Und die britische Marine hätte dann Kleinholz aus dem Nachschub für den Landungsraum gemacht und auch die Landungsräume wären dann dem Beschuss preisgegeben gewesen.

Wie Kreat ein Jahr später zeigte:

Die Luftwaffe. Die Briten hätten ihre heilige Flotte ins Binnengewässer Kanal schicken, wo die Deutschen dank der nachen Flugplätze 10-12 Einsätze pro Tag gg. die brit. Flotte hätten fliegen können. Wie viele Tage, wenn man mal das Ergebnis Kretas als Beispiel herannimmt, hätten sie das durchstehen können ohne das ihre gesamte Dickschifflotte außer Gefecht ist?

Jan-Hendrik

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Re: Seelöwe
« Antwort #6 am: 10.04.09 (08:14) »
Wie verwundbar und schnell versenkbar Schlachtschiffe oder allgemein "Dickschiffe" im Zweiten Weltkrieg waren, wenn sie aus der Luft angegriffen wurden, haben ja alle Kriegsparteien leidlich feststellen müssen.

Ronny22

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Re: Seelöwe
« Antwort #7 am: 10.04.09 (11:10) »
Wie verwundbar und schnell versenkbar Schlachtschiffe oder allgemein "Dickschiffe" im Zweiten Weltkrieg waren, wenn sie aus der Luft angegriffen wurden, haben ja alle Kriegsparteien leidlich feststellen müssen.

Wenn du damit auf die Versenkungen der HMS Prince of Wales und der HMS Repulse, vor Malaya anspielst....eine Gruppe von 6 Schiffen, also 2 Großkampfschiffe und 4 Zerstörer.....leichte Beute für fast 90 japanische Flugzeuge...  ::)

Wie gesagt hätte die Royal Navy bei einer drohenden Invasion des Mutterlandes sicher ihre Kräfte zusammengezogen zur Abwehr dieser Invasion.

Und das Argument das die Luftwaffe diese Flottenverbände zerschlagen hätte halte ich gelinde gesagt für Wunschdenken, die Luftwaffe war nie in der Lage die Luftherrschaft über England zu erringen. Hier hätte sie ihre Kräfte teilen müssen um die Flugzeuge die die brit. Marine angreifen sollten zu decken!?
Somit wären noch weniger Flugzeuge zur Deckung der Landungsräume vorhanden gewesen und diese den Angriffen brit. Bomber ausgesetzt gewesen.

Die Kriegsmarine hätte d. Gegner nicht bezwingen können, also sollte dann die Luftwaffe Wunder vollbringen???  ::)

Bleiben wir doch mal realistisch, die britische Marine war die Seemacht schlechthin, verfügte rein zahlenmäßig über eine ernorme Anzahl Ãœberwassereinheiten, in jeder Schiffsklasse, ihre Luftwaffe konnte wenn auch nur knapp die Lufthoheit über dem Heimatland bewahren, wie sollte Deutschland dieses Problem zwei-geteilt überwinden sollen???  :-\


Wie Kreta ein Jahr später zeigte:

Die Luftwaffe. Die Briten hätten ihre heilige Flotte ins Binnengewässer Kanal schicken, wo die Deutschen dank der nachen Flugplätze 10-12 Einsätze pro Tag gg. die brit. Flotte hätten fliegen können. Wie viele Tage, wenn man mal das Ergebnis Kretas als Beispiel herannimmt, hätten sie das durchstehen können ohne das ihre gesamte Dickschifflotte außer Gefecht ist?

Du kannst nicht ernsthaft die strategische Bedeutung Kretas mit der Verteidigung des eigenen Mutterlandes vergleichen  ???

« Letzte Änderung: 10.04.09 (11:23) von Ronny22 »
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Re: Seelöwe
« Antwort #8 am: 10.04.09 (11:15) »
Wie schon erwähnt, alle Kriegsparteien haben diese Erfahrungen machen müssen, Beispiele dafür gäbe es also noch viel mehr.

Mehr als zwei Jahre gelang es, den Verbänden in Nordafrika Nachschub durch das von den Briten beherrschte Mittelmeer zu bringen, auch wenn die Verluste dabei enorm waren. Und diese Strecke war um ein Vielfaches größer als die durch den Kanal.

Jan-Hendrik

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Re: Seelöwe
« Antwort #9 am: 10.04.09 (11:36) »
Zitat
Und das Argument das die Luftwaffe diese Flottenverbände zerschlagen hätte halte ich gelinde gesagt für Wunschdenken, die Luftwaffe war nie in der Lage die Luftherrschaft über England zu erringen. Hier hätte sie ihre Kräfte teilen müssen um die Flugzeuge die die brit. Marine angreifen sollten zu decken!?
Somit wären noch weniger Flugzeuge zur Deckung der Landungsräume vorhanden gewesen und diese den Angriffen brit. Bomber ausgesetzt gewesen.

Wozu auch? Die Lufherrschaft im Kanal war relevant, und die war zu erringen. Wenn die RAF die Luftdeckung für die Flottenteile hätte stellen sollen wäre sie gleichzeitig in den Kampf gezwungen worden, den sie tunlichst vermeiden wollte: die Abnutzungsschlacht!

Zitat
Du kannst nicht ernsthaft die strategische Bedeutung Kretas mit der Verteidigung des eigenen Mutterlandes

Es zeigt deutlich die Überlebensfähigkeit von größeren Überwassereinheiten wenn die eigene Luftdeckung nicht existent ist.

Und die wäre für die RAF nur schwer möglich gewesen in dem rel. kleinen Tümpel des Kanals mit Flugplätzen der Luftwaffe um die Ecke  ;)

Jan-Hendrik



Ronny22

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Re: Seelöwe
« Antwort #10 am: 10.04.09 (12:23) »
Es zeigt deutlich die Überlebensfähigkeit von größeren Überwassereinheiten wenn die eigene Luftdeckung nicht existent ist.

Und die wäre für die RAF nur schwer möglich gewesen in dem rel. kleinen Tümpel des Kanals mit Flugplätzen der Luftwaffe um die Ecke  ;)

Ebenso hätte die Luftwaffe ja auch die eigenen Ãœberwassereinheiten schützen müssten und die brit. Flugplätze lagen ja nun auch nicht soo weit weg.  ::)

Aber was hätte eine Lufthoheit im Kanal genützt, wenn die Luftwaffe sie hätte dann erringen können, wenn gleichzeitig die Landungsräume unter ständigem Bombardement britischer leichter und schwerer Bomber gelegen hätte???
Vor dem Hintergrund das die Jagdwaffe die RAF über dem Kanal beschäftigt, oder besser gesagt umgedreht....

Ich glaube hier is der Wunsch Vater des Gedanken, dabei sollte man dann auch das damalige Zögern der zuständigen Stellen der Marine und des Heeres berücksichtigen. Die Marine wollte einen schmalen Landungsabschnitt weil man sich nicht in der Lage sah eine breitgefächerte Landung gegen die Royal Navy abzuschirmen.

Wir als Nachbetrachter maßen uns dann hier ein Urteil an und stellen uns dann über die damaligen Zuständigen???

Ich denke mal die Führung der Kriegsmarine war sich sehr gut bewußt was die Marine leisten kann und was nicht, bzw. was auch der Gegner leisten kann.

Wie gesagt besaßen auch die Briten große Mengen an Zerstörern und Begleitschiffen und wie schwer man schwere Überwassereinheiten angreifen kann durch einen Flak-Vorhang hindurch, lernten die Japaner im Pazifik schmerzlich.
Die Weltgeschichte ist auch die Summe dessen, was vermeidbar gewesen wäre.
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Re: Seelöwe
« Antwort #11 am: 10.04.09 (12:45) »
DAS ist wieder so ein Kriegsfall, der sich im Grunde nur durch den praktischen Versuch bestätigen oder widerlegen liesse und der blieb ja bekanntlich aus. @Nomen Nescio fragte nach den Gründen und vielleicht war man sich zB. nach dem Fiasko der Luftschlacht um England und den enormen Verlusten, eben deutscherseits nicht so sicher wie Jan-Hendrik, die Lufthoheit zu erringen. Hatte Göring sie zugesagt?
Und schliesslich die Prioritäten. Hatte die Landung in England mitte/ende 1940 überhaupt noch Priorität? Übrigens trifft das mit dem "Tümpel" (Kanal) auch für die deutsche Kriegsmarine zu und das blosse Zahlenverhältnis sagt doch einiges aus. Die "Force Z" übrigens und das wird hier vergessen, war völlig ohne Luftunterstützung, die Navy im Kanal währe das sicher nich!

IM

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Re: Seelöwe
« Antwort #12 am: 10.04.09 (12:59) »
Mal davon abgesehen, daß eine Invasion des britischen Mutterlandes wohl nie ernsthaft in Erwägung gezogen wurde, noch ein ganz anderes Beispiel, wo man nicht spekulativ irgend etwas durchspielen muß:

Der ungehinderte Kanaldurchbruch der Schlachtschiffe "Scharnhorst" und Gneisenau zu Beginn des Jahres 1942. Die Fahrt dieses großen Geleitzuges durch den Kanal, vorbei an der englischen Küste, vollzog sich ohne daß die Briten diesen ernsthaft gefährden konnten. Für diesen Moment von wenigen Tagen konnte die Luftwaffe fast die absolute Luftherrschaft über den Kanal herstellen.

Terra Incognita

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Re: Seelöwe
« Antwort #13 am: 15.04.09 (20:31) »
Cerberus wurde aber grundsätzlich als Umrundung der englischen Inseln geplant, mit Ziwschenstation Norwegen ( vermutlich Drontheim). Der Kanaldurchbruch wurde praktisch beim Auslaufen der Kriegsschiffe beschlossen, weil just in einer Nacht davor, die deutsche Abwehr bei der Resistance einige englische Funkschlüssel erbeuten konnte, mit denen man ein aktuelles Lagebild erstellen konnte. Das Durchbruchsrisiko verminderte sich beträchtlich und mit den Komponenten Überraschung und Absicherung (Luft) stand am Ende ein voller Erfolg (bis auf Gneisenau Beschädigung...)

IM

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Re: Seelöwe
« Antwort #14 am: 15.04.09 (20:51) »
Wenn Du Dir allein die Aktivitäten der Luftwaffe während des Kanaldurchbruches anschaust, die Schaffung des sogenannten Luftschirmes, dann wirst Du wohl einsehen, daß dies spontan so gar nicht möglich wäre. Das wurde generalstabsmäßig geplant und keineswegs "aus dem Bauch heraus entschieden".

Von einer geplanten Umrundung habe ich noch nie etwas gehört, ...