Autor Thema: Die Justiz und die Nazis  (Gelesen 28577 mal)

Nomen Nescio

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Re:Die Justiz und die Nazis
« Antwort #75 am: 26.09.09 (17:06) »
Ernst von Salomon fasste das in seinem "Fragebogen" sehr treffend in Worte (dem Sinn nach zitiert ;)):

Die Alliierten hatten die große Chance, 1945 das Vertrauen in Recht undG esetz wiederherzustellen, doch sie vergaben diese Chance, in dem sie eine Willkür durch eine andere Willkür ersetzen.

Das triffts wohl am ehesten  ;)
Ich bin sofort mit Dir einverstanden, daß diese "Showprozesse" keinen Schönheitspreis verdienen. Gib aber bitte eine Alternative.

Fast alles was sich mit Jura beschäftigte war mehr oder minder korrumpiert. Manche Verbrechen konnten nicht bestraft worden, weil es kein Gesetz gab, daß ein solches Handeln verbot.
Bei uns sagt man "Man muß rudern mit den Rudern, die man hat". Übersetzt ungefähr "Wer kein Messer hat, muss mit den Zähnen schneiden". So war damals einfach die Lage. Was braun war, half oft braunes Gesindel sich zu verstecken. Oder gab es eine andere Vergangenheit. Wen konnte man vertrauen???

Jan-Hendrik

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Re:Die Justiz und die Nazis
« Antwort #76 am: 26.09.09 (17:12) »
Zitat
Fast alles was sich mit Jura beschäftigte war mehr oder minder korrumpiert.

Da liegt doch das systemimmanente Problem...nicht "war", sondern "ist"  ;)

Jan-Hendrik


Nomen Nescio

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Re:Die Justiz und die Nazis
« Antwort #77 am: 29.09.09 (19:40) »
Ich fand ein Interessantes Zitat in einem Buch „Der Zweiten Weltkrieg“, herausgegeben durch Bertelsmann Lexikon-Verlag 1968.

Auf Seite 632 steht da beim Kapitel "Kriegsverbrecherprozesse"

Zitat
Der Deutsche Demokrat M.A. Bonn, 1919 in den Untersuchungsausschuß der Nationalversammlung zur Frage der Verantwortlichkeit für Ausbruch und Führung des ersten Weltkrieges berufen, schrieb 1953 in seinen Erinnerungen: »Die Einführung von Methoden religiöser Erweckungsfeldzüge in die auswärtige Politik gefiel mir gar nicht. Die Seele einer Nation kann nicht dadurch gerettet werden, daß einige ihrer Vertreter ihre sündhafte Verworfenheit bekennen. Mein Interesse galt in erster Linie der Feststellung der politischen Verantwortlichkeit.« Die Alliierten verzichteten damals auch recht bald auf die Auslieferung und Verurteilung der von ihnen benannten Kriegsverbrecher. Die Männer des Deutschen Widerstandes forderten in den Jahren von 1933 bis 1945 die Aburteilung deutscher Verbrechern durch deutsche Gerichten.
Die wenigen Kriegsverbrecherprozesse vor dem Reichsgericht in Leipzig nach 1918 hatten wenig ergeben. Aus diesem Grunde und wegen der unverhältnismäßig bedeutenderen Größe deutscher Kriegsverbrechen im zweiten Weltkrieg bestanden die Alliierten auf der Aburteilung der Verantwortlichen vor einem alliierten Militärtribunal.
Durch mich wurden im Zitat zwei wichtige Zeilen hervorgehoben.

Auch wenn es also keine Ideallösung war, es war jedenfalls eine pragmatische.

Nomen Nescio

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Re:Die Justiz und die Nazis
« Antwort #78 am: 14.02.10 (01:56) »
Bereits 1934 hätte man es wissen können. Hitler scherte sich nicht um das Recht und erst gar nicht Gerechtigkeit.
Anläßlich des Röhmputsches sagte er

Zitat
„Wenn mir jemand den Vorwurf entgegenhält, weshalb wir nicht die ordentlichen Gerichte zur Aburteilung herangezogen hätten, dann kann ich ihm nur sagen: in dieser Stunde war ich verantwortlich für das Schicksal der deutschen Nation und damit des deutschen Volkes oberster Gerichtsherr. Meuternde Divisionen hat man zu allen Zeiten durch Dezimierung wieder zur Ordnung gerufen. […] Ich habe den Befehl gegeben, die Hauptschuldigen an diesem Verrat zu erschießen, und ich gab weiter den Befehl, die Geschwüre unserer inneren Brunnenvergiftung und der Vergiftung des Auslandes auszubrennen bis auf das rohe Fleisch. […] Die Nation muss wissen, dass ihre Existenz […] von niemandem ungestraft bedroht wird. Und es soll jeder für alle Zukunft wissen, dass, wenn er die Hand zum Schlag gegen den Staat erhebt, der sichere Tod sein Los ist.“

War das Terrorsystem damals bereits so perfektioniert, daß man nicht mehr an Gegenwehr denken wagte? Oder war man verblindet, und dachte man (die Reichswehr natürlich besonders) «Dieses Pöbel ist aufgeräumt».
Dabei sich nicht realisierend, das der Fuchs im Hühnerhaus eingelassen war.

Ostpreuße

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Re:Die Justiz und die Nazis
« Antwort #79 am: 29.03.10 (15:28) »
Schon Anfang der 20er Jahre zeichnete sich ab, welchen Weg die deutsche Justiz (und nicht nur die) einmal nehmen würde.

So schrieb Tucholsky anlässlich des in Mode kommenden politischen Mordes durch rechtsextreme Kräfte bereits 1922:

„Der deutsche politische Mord der letzten vier Jahre ist schematisch und straff organisiert. (…) Alles steht von vornherein fest: Anstiftung durch unbekannte Geldgeber, die Tat (stets von hinten), schludrige Untersuchung, faule Ausreden, ein paar Phrasen, jämmerliches Kneifertum, milde Strafen, Strafaufschub, Vergünstigungen – „Weitermachen!“ (…)
Das ist keine schlechte Justiz. Das ist keine mangelhafte Justiz. Das ist überhaupt keine Justiz. (…) Balkan und Südamerika werden sich den Vergleich mit diesem Deutschland verbitten.“

Gruß Falk