Autor Thema: Die letzten Opfer der Nazi-Richter  (Gelesen 7081 mal)

Niwre

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Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« am: 17.04.07 (10:47) »
Die letzten Opfer der Nazi-Richter

Zitat
Kasseler Matrose wurde zwei Tage nach Kriegsende hingerichtet - Freispruch für die Vollstrecker [...]

Walter23

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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #1 am: 17.04.07 (11:34) »
Aus der Einleitung des obigen Verweises
Zitat
[..]
Am Beispiel seines Todes am 10. Mai 1945 wird deutlich, wie barbarisch die Militärjustiz der Nationalsozialisten selbst zwei Tage nach Kriegsende noch funktionierte.
[..]

Die Wortwahl macht es den Nachfolgern (egal welcher coleur) leicht sich nicht mit solchen Richtern von damals vergleichen lassen zu müssen.

« Letzte Änderung: 17.04.07 (12:44) von Walter23 »

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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #2 am: 17.04.07 (11:48) »
Die Militärjustiz funktionierte überall gleich, deshalb ist sie auch nicht nach dem Krieg unter Anklage gestellt worden.
Das ein zusammenbrechender Staat die Urteilsauslegung regider anwendet, als ein siegender Staat ist nur allzu verständlich.
Es gab im DDR TV  damals ein Film über die Matrosen und deren Erschiessung, keiner hat damals die Frage gestellt wie heute übrigens auch, wenn die Diziplin unter den Matrosen nicht gehalten hätte, wären dann soviel Menschen auf den seewege bis zum Schluß evakuiert worden?
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uwys

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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #3 am: 17.04.07 (17:20) »
nur weil der krieg zuende geht heisst das aber auch noch lange nicht das jeder machen kann was er will!
man sollte diese urteile auf keinen fall pauschal be- oder verurteilen, jedes einzelne für sich sollte und muss genauanalysiert werden!
jetzt von einem verbrechen zu reden ist einfach!
Keine Macht den doofen!
www.deutsche-ehrenmale.de

waldi44

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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #4 am: 17.04.07 (18:18) »
Gegen Kriegsende wurde es den meisten Deutschen klar, wessen Wasserträger sie geworden waren. Bis zum Schluss weiterzukämpfen hatte für die meisten Soldaten andere Gründe als dem Führer und seiner Clique ihr Leben zu verlängern oder aus Begeisterung für den Nationalsozialismus. Als der Krieg dann entlich zu Ende war, gab es nur wenige, die meinten, ihren alten Dienstherren bis über das Kriegsende hinaus noch dienen zu müssen und auch vor Justizmord nicht zurückschreckten.
Solche Leute wie Filbinger, um das aktuelle Beispiel zu nennen, waren die Stützen und nicht die Gegner des Naziregimes und wenn der Mann sich jahrzehnte nach dem Ende der Nazibarbarei frech und trotzig hinstellt und kaltschnäuzig behauptet: was damals rechtens war, kann heute nicht Unrecht sein (sinngemäss), hat er sich doch selbst das Zeugnis ausgestellt und jener Typ, der ihn ebenso frech und kaltschnäuzig als Nazigegner bezeichnet auch!
Im Übrigen taten die beiden Matrosen nichts anderes, wie zigtausende andere ihrer Kameraden auch: sie versuchten sich der bevorstehenden Gefangennahme zu entziehen, nicht einem bevorstehenden oder laufenden Kampf, nicht dem Wehrdienst als solchen! Andernorts lösten Kommandanten ihre Einheiten auf und entliessen ihre Soldaten um sich selbständig nach Hause oder wohin auch immer durchzuschlagen!
Statt nach Hause, schickte Filbinger sie skrupellos vor ein Erschiessungskommando!

Dass man auch nach Kriegsende im noch deutschen Machtbereich nicht machen konnte was man wollte und dass deutsche Behörden eine gewisse Verantwortungspflicht hatten ist logisch, aber ausser der Todesstrafe sah das Militärrecht schon damals viele andere Strafmasse vor. Filbinger hatte die Wahl und er richtete nach Kriegsende gnadenlos, als hänge deutschlands Schicksal von eben diesem Urteil ab!

Walter23

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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #5 am: 23.04.07 (12:35) »
@waldi44
Ich stimme mit Dir im Großen und Ganzen überein, wobei bei der geanzen Berichterstattung scheinbar einiges zu Plakativ beschrieben wird.

Zitat
[..]
 Das Gericht verurteilte Gröger auf Antrag Filbingers zum Tode. Einen Begnadigungsantrag lehnte Admiral Dönitz ab und verfügte die Vollstreckung, die Filbinger für den 16. März 1945 ansetzte, wobei er als „Leitender Offizier“ das Exekutionskommando zusammenstellte und den Feuerbefehl gab.[9][10] Die Handlungsspielräume, die Filbinger in diesem Fall (wie auch in anderen) hatte, wurden später Gegenstand lebhafter Debatten. Seine Verteidiger führen den "Befehlsnotstand" des Marine-Juristen an, Gegner dagegen unterstellen ihm mangelnden Willen zu einer alternativen Handlungsoption.
[..]
Die Filbinger-Affäre fiel zeitlich mit dem Höhepunkt der Diskussion um die innere Sicherheit zusammen, insbesondere um den Radikalenerlass. Filbinger war entschiedener Befürworter dieses von Bundeskanzler Willy Brandt und den Regierungschefs der Länder gefassten Beschlusses, wonach Mitgliedern extremistischer Organisationen nicht Beamte sein durften und alle Bewerber für den Öffentlichen Dienst zu überprüfen waren.
[..]

Wiki über Hans Filbinger

Also man kann/konnte Filbinger zum Vorwurf machen, dass er nicht mit der Wahrheit von sich aus an Licht kam. Ob die Urteile, bzw. Mitwirkungen als Ankläger, moralisch stets "sauber" waren mag ich nicht beurteilen. Auch mögen viele Todesurteile zum Kriegsende bis auch danach nicht wirklich gerechtfertigt sein, aber ich war damals zum Glück nicht an verantwortlicher Stelle und weiß wie ich gehandelt hätte. Jedoch kann man auch Todesurteile bei Flucht aus Internierungslagern gewissermaßen nachvollziehen (aus Sicht der Verantwortlichen), weil es vielleicht nicht unbedingt für jeden Befehlshaber Vorteilhaft erschien, wenn ein auf der Flucht erwischter "einfach so davon kommt", aber dass es auch anders ging hast Du auch beschrieben, aber hier kann man auch nicht pauschal über alle urteilen.

Interessanter für den moralischen Standpunkt ist in meinen Augen, wie mit den Hinterbliebenen der Opfer nach dem Kriege verfahren wurde. Auch das Selbstbild einiger von heute sollte überdacht werden, wenn diese andere moralisch in den Dreck ziehen, obwohl sie von ihrer Handlungsweise ihrem Angeklagten so ziemlich entsprechen.

- - - -

Nundenn wenn ich bedenke wie der Herr Oettinger "davongekommen" ist und wie mit Herrn Hohmann und ähnlichen verfahren wurde... nunja verkehrter Welt...

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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #6 am: 23.04.07 (12:55) »
Statt nach Hause, schickte Filbinger sie skrupellos vor ein Erschiessungskommando!

Dass man auch nach Kriegsende im noch deutschen Machtbereich nicht machen konnte was man wollte und dass deutsche Behörden eine gewisse Verantwortungspflicht hatten ist logisch, aber ausser der Todesstrafe sah das Militärrecht schon damals viele andere Strafmasse vor. Filbinger hatte die Wahl und er richtete nach Kriegsende gnadenlos, als hänge deutschlands Schicksal von eben diesem Urteil ab!


Stimmt doch gar nicht!
Nach Kriegsende gab es bei Filbinger kein Todesurteil!
Kurz vor Kriegsende zwei Todesurteile in Abwesenheit (eins Fahnenflucht in Verbindung mit Mord), also nicht vollstreckt. Alles als Richter.
Ein Todesurteil, Fall Gröger, war er Vertreter der Anklage (1943) und da bestimmt nach der Militärgerichtsbarkeit von 1872 der vorgesetzte "Militärherr" , da es ein Revisionsverfahren war, was der Anklagevertreter zu fordern hatte, in diesem Falle die Todesstrafe.
Also für mich völliger Quatsch die Formulierung, er richtete gnadenlos!
Nochmals zur Erinnerung, im Jahre 1986 wurde der Stasimitarbeiter (Name geade entfallen) wegen versuchter  Flucht in den Westen und den damit verbundenen Geheimnisverrat als einer der letzten in der DDR zum Tode verurteilt und hingerichtet!
Forderung des urteils von Mielcke und Abweisung des Gnadengesuchs auch.
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Niwre

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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #7 am: 23.04.07 (16:08) »
Nochmals zur Erinnerung, im Jahre 1986 wurde der Stasimitarbeiter (Name geade entfallen)
1981, Dr. Werner Teske.

waldi44

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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #8 am: 24.04.07 (14:13) »
Wenn sich ein zum Tode verurteiltes Opfer der Hinrichtung durch Flucht entzieht bzw schon entzogen hat, ändert das doch nichts an der Tatsache, dass ein Todesurteil verhängt wurde. Dass es nicht vollstreckt werden konnte lag nicht an Filbinger oder war gar ihm zu verdanken.
Nicht ganz klar ist mir der Hinweis auf das Urteil gegen Dr. Werner Teske in diesem Zusammenhang.

Filbinger hat als Marinerichter und -staatsanwalt an mindestens drei Todesurteilen gegen Deserteure des Zweiten Weltkrieges mitgewirkt.

Am bekanntesten davon ist der Fall des Matrosen Walter Gröger: Gröger hatte im Dezember 1943 in Oslo versucht, zu desertieren. Vor dem Kriegsgericht zog sich der Fall lange hin. Eine zunächst verhängte Strafe von acht Jahren Zuchthaus wurde von dem „Gerichtsherrn“ nicht akzeptiert. Als Filbinger in das Verfahren eintrat, hatte sich an den grundlegenden Fakten nichts geändert. Filbinger fügte sich aber der Forderung des „Gerichtsherrn“ und erwirkte die Todesstrafe. Unter der Aufsicht von Filbinger wurde der 22-jährige Gröger am 16. März 1945 von dem Exekutionskommando erschossen. Eine Benachrichtigung der Eltern hielt Filbinger nicht für nötig.

Auf die Forderung des „Gerichtsherrn“ nach der Verhängung der Todesstrafe kann sich Filbinger nicht berufen. Mit etwas Zivilcourage hätte er gegenüber dem „Gerichtsherrn“ Bedenken gegen die Weisung erheben können. Das hätte ihm keine unzumutbaren Nachteile gebracht. Bis heute ist kein einziger Fall bekannt, in dem ein Militärjurist wegen einer missliebigen Entscheidung persönlich gemaßregelt worden wäre. Die Handlungsspielräume auch eines Militärjuristen hat Filbinger ersichtlich nicht zu Gunsten des Grögers genutzt. Der militärische Dienstvorgesetzte hatte zuvor Gröger als „hoffnungslosen Schwächling“ bezeichnet.

Noch am 29. Mai 1945 – drei Wochen nach Kriegsende – verurteilte Filbinger den Matrosen Kurt Olaf Petzold zu sechs Monaten Gefängnis wegen Erregung von Missvergnügen, Gehorsamsverweigerung und Widersetzung. Das Vergehen des Matrosen: Er hatte nach Kriegsende demonstrativ das Hoheitszeichen mit dem Hakenkreuz von seiner Kleidung entfernt, schlechte Haltung beim Antreten im Glied gezeigt und einen Quartier-Umzugsbefehl mit den Worten verweigert „Ihr habt jetzt ausgeschissen, ihr Nazihunde“.

http://www.forumjustizgeschichte.de/Ausgerechnet_Ha.150.0.html


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Re: Die letzten Opfer der Nazi-Richter
« Antwort #9 am: 25.04.07 (13:43) »
Fangen wir mit letzteren an, die Engländer haben in Norwegen die Verfügungs-und Diziplingewalt in denKriegsgefangenenlagern ausdrücklich den Deutschen überlassen. Das bedeutete das die Befehlshirachie aufrecht erhalten wurde und Diziplin umgesetzt wurde. Das hat also mit 29.5.45 überhaupt nichts zu tun, es sei denn man war Hellseher und kannte die Zukunft, das dies also sowieso alles sinnlos ist. Aber heute sind ja alles scheinbar alle Hellseher und Widerstandskämpfer gewesen. Filbinger hat sich einen Befehl gebeugt, das war der Fakt und nicht die ideologische Verbrämung, es wäre weit nach dem Krieg und er hätte nicht mehr handeln brauchen.
Zu Gröger, er war als Anklagevertreter gehalten von seinen Gerichtsherrn die Todesstrafe zu fordern, weil dem Gerichtsherrn die Strafe vor dem Berufungsverfahren zu gering erschien.
Übrigens heute noch geltendes Recht, wenn der BGH ein Urteil zurücküberweist und als zu gering erachtet, hat der Anklagevertreter ein höheres zu fordern und möglichst durchzusetzen. dazu ist er da, er hat da keine Spielräume er vertritt ja den Staat und bei Filbinger explizit den Gerichtsherrn !
Gab es überhaupt mißliebige Entscheidungen in der deutschen Militärjustiz? Oder anders ließen die Gesetze eigentlich welche zu? Bedenken kann er haben, aber mit welcher Begründung ? Denn den wichtigsten Fakt hast Du nicht erwähnt, als Filbinger  die Anklagevertretung übernahm (Dezember 44), hatte er gar keinen Einfluß mehr auf die Vorbereitung der Anklage gehabt, da er viel zu spät nach Oslo beordert worden war.
Beim Stasimitarbeiter wollte ich bloß zeigen, das man wegen weitaus weniger in Friedenszeiten verurteilt werden kann, wenn man nur den Versuch wagt!
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