Autor Thema: Theorie der Sozialgeschichte  (Gelesen 2668 mal)

Balsi

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Theorie der Sozialgeschichte
« am: 16.03.07 (18:07) »
mal ne Frage zur Sozialgeschichte zum besseren Verständnis.
S. ist ja ein bestimmter Zweig der Geschichtswissenschaft, dabei  setzt sie sich im Besonderen mit der Entwicklung der Struktur bspw. eines Landes auseinander. Dabei ziel sie direkt auf die versch. Gruppen, oder Schichten ab. Die S. betrachtet weiterhin die Beziehungen der Gruppen untereinander. Laut Otto Brunner kümmert sich die S. um um die Struktur der menschl. Verbände.

Aber was heisst S. nun genau? Was sind die Prinzipien der S.? Knabber da schon den ganzen Tag dran.

steffen04

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Re: Theorie der Sozialgeschichte
« Antwort #1 am: 17.03.07 (13:05) »
Um erst mal die generelle Struktur zu klären: Soziologie und Geschichtswissenschaften gehören gleichberechtigt zu den Geisteswissenschaften. Die Sozialgeschichte kann man wohl beiden Zweigen als Hilfswissenschaft unterordnen. Da aber die Soziologie mit Max Weber einen sehr prominenten und sehr frühen Sozialhistoriker hervorgebracht hat, möchte ich mal davon ausgehen, dass die Sozialgeschichte eher als Unterabteilung der Soziologie gehandelt wird.

Die Soziologie beschäftigt sich ja mit der Interaktion verschiedener Gruppen untereinander und innerhalb einer Hierarchie, die Sozialgeschichte versucht, diese Interaktionen in historischen Zeiträumen darzustellen. Da das sehr theoretisch klingt, hier das Inhaltsverzeichnis von „Max Weber, Schriften zur Sozialgeschichte und Politik“ (gibt´s bei Reclam für unter 10EUR). Gibt m.E. eine guten Einblick in die Themen der Sozialgeschichte:

-   Zur ökonomischen Theorie der antiken Staatenwelt
-   Die Stadt des Okzidents
-   Die Lage der Landarbeiter im ostelbischen Deutschland
-   Russlands Ãœbergang zur Scheindemokratie (damit ist nicht Putin gemeint)
-   Die „Nation“(sollte jeder, der ständig das Wort "Deutsch" textet, mal lesen)
-   Die Erbschaft Bismarcks
-   Parlamentarisierung und Demokratisierung
-   Der Sozialismus
-   Politik als Beruf (hochinteressant, da er bereits vor 100Jahren Berufspolitiker als weit mehr ihren persönlichen, als den Interessen ihrer Wähler verhaftet sieht – tempus non fugit)

So meine eigene Definition: die Historie beschäftigt sich mit der Rekonstruktion tatsächlicher singulärer Ereignisse, die Sozialgeschichte versucht, dahinter Gesetzmässigkeiten (innerhalb der Grenzen der Soziologie) zu entdecken. Die Wirtschaftsgeschichte untersucht die Relevanz der ökonomischen Basis (immer noch klasse: Aufstieg und Fall der großen Mächte von Kennedy). Alle drei können und müssen sich gegenseitig als Hilfswissenschaften gebrauchen, sind also mal Pferd, mal Reiter. Daneben könnte man noch stellen: die Psychohistorie (die z.B. versucht, das Phänomen AH klinisch zu deuten), die meteorologische Historie (fehlt mir der exkate Begriff), die sehr schön geschichtliche Entwicklungen auf Klimaeinwirkungen zurückführt (Vertreibung aus dem Paradies,Völkerwanderung, kleine Eiszeit etc.)..


Mit sozial im Sinne von lieb und nett hat´s natürlich nichts zu tun

 

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