Autor Thema: Blinder Gehorsam und blindes Vertrauen....  (Gelesen 4302 mal)

waldi44

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Blinder Gehorsam und blindes Vertrauen....
« am: 05.08.06 (15:28) »
...gerade in Kriegszeiten führen nicht selten in Tod und Verderben. Zwei Beispiele aus dem maritimen Bereich sollen dabei als Beispiel dienen. Zum "Glück" handelt es sich dabei um die US Marine ;)!
In der Zeit zwischen den Kriegen, genauer gesagt am 08. September 1923 verlor die US Marine mitten im tiefsten Frieden sieben ihrer mordernsten Zerstörer. Glattdecker gebaut um 1918 mit je 1215t.
Die Schiffe gehörten zum XI. Zerstörergechwader und lagen vor San Franzisco in der San Franzisco Bay, Californien. Um 07:00 Uhr lichtete das Geschwader, mit 14 Schiffen und unter dem Befehl von Captain Edward Botson mit Richtung San Diego, bei spiegelglatter See die Anker.
Um O8:30 Uhr gab es die erste Kursänderung und die Marschgeschwindigkeit auf 20 Kn erhöht. Um 11:30 Uhr wurde die letzte Ortsbestimmung durch Landsicht durchgeführt. Um 16:30 Uhr wurde eine neuerliche Kursänderung durchgeführt und das Geschwader nahm Kiellinie ein.
Schiffe ohne Landsicht oder bei schlechtem Wetter können zur Positionsbestimmung auf eine Reihe von Funkpeilstellen zur Standortbestimmung zurückgreifen. Die nächstgelegen zum Geschwader war die von Point Arguello. Von dort erhielt die "Delphy", das Führungsschiff mit Captain Edward Botson, ihre genaue Position und Fahrtrichtung. Das war gegen 18:00 Uhr auf Höhe des Nordeinganges des Santa Barbara Channel.
Nach Angaben von Point Arguello führ die "Delphy" genau auf Point Arguell zu und mit ihr das gesamte Geschwader! Das hätte Captain Edward Botson und der Navigationsoffizier der "Delphy" auch feststellen können oder hatte es auch, aber man schenkte den ermittelten werten keinen Glauben und verliess sich auf die eigenen Werte.
Um 20:00 Uhr wurde der von der "Delphy" ermittelte neue Standort den übrigen Schiffen des Geschwaders mitgeteilt, die diesen dann für sich übernahmen- übernehmen mussten, denn es war ihnen nicht gestattet bei Point Arguello selbst nachzufragen. Das blieb dem Geschwaderchef vorbehalten. Machte der einen Fehler, machten ihn alle.
Anzunehmen ist aber, dass es dem einen oder anderen Kommandanten der Zerstörer aufgefallen sein muss, dass die Angaben von der "Delphy" nicht mit den eigenen übereinstimmten. Niemand aber wagte es, das Captain Edward Botson mitzuteilen oder diesbezüglich anzufragen!
Normalerweise hätte Captain Edward Botson auch einen Kursvergleich anfordern müssen, a la "Uhrenvergleich" ;), aber auch das wurde versäumt.
Nach einer weiteren Peilung um 20:58 Uhr hätte das Geschwader nördlich von Point Arguello stehen müssen, aber da man dieser Peilung nicht traute(warum eigentlich nicht?) und sich auf seine eigenen Berechnungen verliess, "stand" das Geschwader südlich vom richtigen Standpunkt. Später sollte sich rausstellen, dass die Differenz ganze 20 Seemeilen betrug!
Inzwischen war dichter Nebel aufgezogen. Nach den eigenen Berechnungen wurde es zu einem neuerlichen Kurswechsel Zeit, der mitten in den Nebel führte. Inzwischen war es 21:00 Uhr geworen. In Kiellinie folgten die anderen Zerstörer. Allerdings dauerte ihre Nebelfahrt nicht sehr lange. Schon nach 5 Minuten knallte die "Delphy" mit 20 Knoten  auf die Felsen vor der kalifornischen Küste.
Wie Lemminge folgten die Zerstörer "USS S.P. Lee" DD-310, "USS Chauncey" DD-296, "USS Fuller" DD297, "USS Woodbury" DD-309, "USS Nicholas" DD-311, und "USS Young" DD-312. in nur 75 bis 100 Meter Entfernung voneinander lagen die sieben Schiffe an/auf der felsigen Küste. Der Zerstörer "USS Young" war beim Auflaufen gekenter, wobei 19 Seeleute ums Leben kamen. Insgesamt musste man 22 Mann betrauern.
Die andere Hälfte des Geschwaders entging dem Untergang nur knapp, in dem man "Volle Fahrt Zurück" fuhr.

Natürlich landete der Fall vor dem Kriegsgericht. 11 Offiziere wurden wegen Unfähigkeit und Fahrlässigkeit angeklagt. Vier wurden für Schuldig befunden. Drei später verurteil! Man höre /lese und staune: Zurückstellung von der nächsten Beförderung!
Kritisiert wurde vom Gericht das bedingunslose Befolgen des Prinzips: "Fahren hinter dem Führungsschiff", dass zum "Abschalten" des gesunden Menschenverstandes führte. Dieses Prinzip mag im Gefecht unabdingbar sein, aber wie wir noch sehen auch da nicht immer, in Friedenszeiten aber geradezu unverantwortlich.

Das zweite Ereigniss ereignete sich dann im des 2. Weltkrieges, während eines Taifun und betraf die 3. US Flotte. Der Fall war so interessant und Bedeutungsvoll, dass man es für notwendig erachtete, die Einzelheiten nach der obligatorischen Nachrichtensperre(kann mehrere Jahrzehnte dauern oder bis in alle Ewigkeit), schon nach nur 12 Jahren zu veröffentlichen und in einer Denkschrift der Öffentlichkeit zugänglich und somit auch als Lernstoff für andere Seeleute zugänglich wurde.
Es war der 18. September 1944, 300 Seemeilen östlich von Luzon, einer grossen  Philippineninsel, wo die Schiffe der 3. US Flotte ein grösseres amerikanisches Landeunternehmen durchführen und sichern sollten. Auch hier verlor die US Navy ohne jegliche Feindeinwirkung drei ihrer modernsten Zerstörer. Gebaut alle 1934 und zwischen 1.800 und 2.600t: "USS Hull" DD-350, "USS Monaghan" DD-354 und "USS Spence" DD-512.
Die Schiffe sanken in einem Taifun, der vom metereologischen Zentrum auf Pearl Harbor nicht angekündigt worden war, wohl aber von weitaus näher gelegenen Wetterstationen, deren Meldungen man aber keinen Glauben schenkte.
Das erste Schiff das sank war die "USS Spence". Wie alle anderen Schiffe versuchte sie ungeachtet der allgemeinen sich stark verschlechternden Wetterlage den  Kurs und Platz innerhalb der Formation zu halten.
Das Schiff begann zu rollen und zu schlingern und neigte sich so stark nach Backbord, dass durch die Lüfter Wasser ins Schiffsinnere eindrang und durch Kurzschlüsse die Ruderanlage lahmgelegt wurde. Das Todesurteil für ein Schiff im Sturm!
Schliesslich kenterte das Schiff und riss 341 Mann mit in die Tiefe. 24 wurden gerettet.
Als nächstes sank die "USS Hull". Auch bei ihr fiehl die Ruderanlage aus. Wahrscheinlich auch infolge von Wassereinbruch. Sie neigte sich (holte über) zwischen 50° und 70° nach Lee. Der Sturm tobte mit bis zu 56 m/s und drückte das Schiff so tief, dass Wasser sogar durch die Schornsteine ins Innere drang und es schliesslich mit 139  Mann versank. 62 wurden gerettet.
Schlussendlich sank eine halbe Stunde nach der "USS Hull" die "USS Monaghan". Ihr Untergang wiess die selben Merkmale auf wie bei den anderen beiden Schiffen. Wasserübernahme, Ausfall der Elektrik und anschliessendem Versagen des Antribes. Mit ihr gingen 156 Mann unter. 6 konnten gerettet werden.
Neben diesen Totalverlusten gab es bei der 3. Flotte noch jede menge anderer schäden. Neun Schiffe wurden stark bis sehr stark beschädigt. Neunzehn weitere Schiffe aller Typen wurden mehr oder weniger leicht beschädigt, insgesamt 31, wovon drei (die Zerstörer) sanken.
Ferner wurden 146 Flugzeuge zerstört oder beschädigt und 790 Seeleute fanden den Tod, 80 wurden verletzt. Verluste, die selbst bei einer grösseren Seeschlacht kaum aufgetreten wären, wie Admiral Nimitz später feststellte. Die Geplante Landung auf Luzon musste abgeblasen werden und die Flotte kehrte arg gerupft zu ihrem Stützpunkt nach dem Ulithi Atoll zurück, wo soe 10 tage in Reparatur und Auffrischung/Auffüllung lag.

Natürlich wurde auch dieser Fall gründlich untersucht. Der Hauptgrund für die grossen Ausfälle lag daran, dass man sich auf die tausende von Seemeilen entferte Wettermeldung aus Pearl Harbor verliess, statt auf die der viel näheren Wetterstationen. Ein weiterer Grund war darin zu suchen, dass die Schiffskapitäne unter allen Umständen versuchten ihren im Konvoi festgelegten Platz beizubehalten. Ein Unding bei einem Taifun.
Einige Kapitäne berichteten später, dass sie dem sicheren Untergang nur entgangen waren, weil sie eben nicht stur an ihrem Befehl den Platz zu halten festhielten. Sonst wären die Verluste noch höher gewesen!
Auch gelang es nicht allen Kapitänen ihre Schiffe durch rechtzeitige umpumpen von Öl bzw vermeiden von freien Flüssigkeitsoberflächen in den Tanks zu stabilisieren und bei einigen soll es sogar zu Panik gekommen und die Posten verlassen worden zu sein.
Diese Katastrophe machte aber einige Konstruktionsmängel bemerkbar, vor allem im Bereich der wassermachenden Räume. Das wurde später geändert. Auch fand man bei der Untersuchung eine mangelnde Einsatzbereitschaft der Besatzungen und mangelnde Kompetenz einiger Offiziere heraus.
Das Kriegsgericht befand Admiral W.F. Halsey und einige seiner Offiziere für an der Katasrophe schuldig. Allerdings ohne weitere Konsequenzen aber es befand: "Man könne wegen einer fehlenden Sturmwarnung inmitten eines Sturmes nicht annehmen, alles sei in Ordnung!"(sinngemäss).
Nur ein halbes Jahr später ereilte der selben Flotte ein ähnliches Schicksal. Diesmal vor Okinawa, wo ebenfalls in einem Taifun vier Flugzeugträger und drei Kreuzer beschädigt und weitere 21 lediert wurden. Dabei fanden 6 Seeleute den Tot, 4 wurden verletzt und 76 Flugzeuge zerstört sowie 70 beschädigt.

steffen04

  • Gast
Re: Blinder Gehorsam und blindes Vertrauen....
« Antwort #1 am: 10.10.06 (14:38) »
Das Taifun-Thema wurde in Herman Wouks Roman "Die Caine war ihr Schicksal" sehr anschaulich verarbeitet.