Autor Thema: Mein Großvater  (Gelesen 3303 mal)

matthias_AC

  • Gast
Mein Großvater
« am: 17.04.06 (20:43) »
hallo!

vor ca. einem halben jahr verstarb mein großvater 84-jährig nach kurzer krankheit. bei der haushaltsauflösung fand ich seinen militärnachlass, den ich euch hier zusammen mit einer kurzbiographie meines großvaters vorstellen möchte.

zur geschichte meines großvaters:


mein großvater wurde im jahre 1921 in viersen, NRW, geboren. dort besuchte er die volksschule und begann nach dem abschluss eine lehre als installateur. 1940 wurde er zum RAD berufen und verbrachte dort 1-2 jahre, bis er zur luftwaffe einberufen wurde. dort wurde er der flak-ersatzabteilung 94 zugeteilt und verteidigte bis 1942 "kriegs- und lebenswichtige anlagen" im heimatgebiet. zwischenzeitig wurde er der reserve-flakabteilung 541 zugeteilt.
noch im selben jahre begann seine reise über den balkan nach griechenland und von dort aus wurde seine einheit nach bangasi, lybien verlegt, wo sie bis zum rückzug des afrikakorps blieb und kämpfte. einsatzorte in nordafrika waren unter anderem die wüste sirte, el agheila und masar matruk. ob mein großvater dort die einheit wechselte oder bei seiner "alten" blieb kann ich leider nicht sagen, ich habe bis jetzt die schrift im wehrpass aus dieser zeitperiode nicht entziffern können. während seines dienstes in nordafrika wurde meinem großvater das ärmelband "afrika" inkl. urkunde sowie das flakkampfabzeichen der LW verliehen.
nachdem das DAK 1943 in nordafrika besiegt war wurde die einheit nach italien verlegt. dort nahm sie an starken rückzugskämpfen teil und war an der verteidigung des monte cassino sowie der stadt anzio beteiligt. dort erhielt mein großvater das EK II sowie das erdkampfabzeichen der luftwaffe. dort wurde mein großvater auch dreimal verwundet (2 malige verwundung in beinen und armen durch granatsplitter, 1 scharfschützenangriff, bei dem meinem großvater der unterkiefer durchschossen wurde) und erhielt somit das schwarze verwundetenabzeichen.
1944 geriet mein großvater, mitlerweile angehöriger des flakregiments 105 (mot), in norditalien in amerikanische kriegsgefangenschaft, aus der er 1945 entlassen wurde und nach hause zurück kehrte.
nach dem krieg lernte er meine großmutter kennen, heiratete sie zeugte 3 kinder und gründete einen bis heute sehr erfolgreichen textilwaren-handel mit internationalen handelsbeziehungen, hauptsächlich nach asien. die 50er jahre brachten der familie meines großvaters bedingt durch das wirtschaftswunder einen solchen wohlstand, dass mein großvater bis zu seinem tode im oktober 2005 von dem damals erwirtschafteten geld sehr gut leben konnte.

mein großvater erzählte nie freiweillig oft vom krieg, aber wenn ich ihn darauf ansprach hatte er doch immer etwas zu berichten. einige der erzählungen möchte ich euch hier präsentieren:

-"von einer bucht in griechenland sollte unsere einheit per schiff nach bengasi transportiert werden. schon kurz nach dem ablegen gab es fliegeralarm und am horizont tauchte eine gruppe "spitfire"-flugzeuge auf, die sich schnell näherten und unser boot unter beschuss nahmen. es gelang uns jedoch den angriff mithilfe der flakgeschütze an bord abzuwehren und nachdem wir zwei der feindlichem maschinen abgeschossen hatten drehten die restlichen flieger ab.
kurz vor bengasi erreichte uns dann die 2. schreckensmeldung: ein u-boot war ganz in der nähe gesichtet worden und bedrohte nun unseren transport-konvoi. von bengasi aus forderte unsere schiffsleitung kampfbomber des typs ju87-"stuka" an, die auch bald darauf auftauchten und es tatsächlich schafften, das feindl. u-boot zu orten und daraufhin zu versenken. die restfahrt verlief reibungslos, erst in bengasi wurden wir wieder ziel eines feindlichen bombenangriffs, den meine einheit jedoch unbeschadet überstand".


-"während eines fliegerangriffs in nordafrika gelang es meiner einheit, eine britische "spitfire" abzuschiessen. die maschine ging unweit unserer stellung zu boden und fing sofort feuer. wir liefen hin um unsere "beute" in augenschein zu nehmen und stellten fest, dass der pilot der maschine noch am leben war. untätig mussten wir dabei zusehen, wie der arme mann im cockpit bei lebendigem leibe verbrannte. die lage des flugzeugs sowie die hitze ließen ein eingreifen nicht zu. das war einer der traurigsten und schockierndsten momente meiner militärkarriere."

-" nachdem meine einheit in amerikanische kriegsgefangenschaft geraten war wurden wir in norditalien interniert. es wurden jeweils 3-4 mann einem zelt zugeteilt und jeder erhielt 2 scheiben zwieback, etwas butter, marmelade, zucker, salz und etwas milch. es reichte vorne und hinten nicht und so beschlossen wir, unsere rationen zusammeln zu kegen und einen kuchen "backen": wir nahmen eine scheibe zwieback, bestrichen diese mit butter und marmelade und streuten etwas zucker und salz darüber. darauf legten wir wieder eine scheibe zwieback und übergossen das ganze mit milch. auf dieses gebilde kam dann wieder zwieback, butter, marmelade, zucker usw. und wurde wieder mit milch begossen. diese prozedur wiederholten wir solange, bis wir keine rationen mehr hatten und der "turm" zu einer ansehnlichen größe angewachsen war. durch die milch war der zwieback total aufgequollen und ließ das ganze wie einen richtigen kuchen erscheinen. diesen viertelten wir und jeder bekam seinen anteil. diese mathode hatte natürlich nur einen psychologischen effekt, wir dachten, wir würden mehr essen als wir eigentlich hatten. aber es funktionierte!

nach einiger zeit im gefangenenlager hatte ich mich mit einem amerikanischen soldaten angefreundet, bei dem ich mein erdkampfabzeichen gegen zwei stangen zigaretten eintauschen konnte. natürlich bedauerte ich den verlust der auszeichnung, doch mit den zigaretten konnte ich im lager eine floriende tauschbörse aufmachen: ich gab den anderen gefangenen zigaretten und erhielt im gegenzug dafür lebensmittel. schon nach kurzer zeit schwamm ich förmlich in lebensmitteln, die ich natürlich mit meinen besten freunden aus der einheit teilte!"


zu seinem militärnachlass:


der militärische nachlass meines großvaters umfasst dokumente, fotos, auszeichnungen und ausrüstungsgegegnstände. hier eine übersicht:

- wehrpass
- ca. 300 fotos (einige in einem fotoalbum)
- feldflasche
- feldstecher
- ärmelband "afrika" + urkunde
- EK II
- deutsch-italienische feldzugmedaille
- div. nachkriegsgegenstände, die mein großvater auf veteranentreffen erworben hat (erinnerungsteller des DAK, erinnerungsmedaille des DAK, ein nachgemachtes ärmelband "afrika" etc.)


so, ich hoffe, es hat euch ein wenig gefallen und wünsche noch einen schönen ostermontag!


viele grüße


matthias




















Balsi

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Re: Mein Großvater
« Antwort #1 am: 17.04.06 (20:50) »
wow.. also ein dickes dankeschön für diesen Beitrag. Zunächst ne Bitte... halte das Konvolut ja zusammen... und denke nie ans verkaufen...))) auch wenn Du es nie vorhattest. Man ist bei sowas immer schnell dabei.

Melde Dich doch mal beim Bund der Afrikakämpfer.. viell. könne die mehr sagen oder Du kannst denen auch mit Repros der Fotos deines Grossvaters ne Freude machen, oder nen Beitrag in der "Oase" schreiben. Lässt sich sicher einige sherausfindne anhand der Bilder.

Dankeschön!!!!!

bani

  • Gast
Re: Mein Großvater
« Antwort #2 am: 17.04.06 (20:51) »
Na da hast Du ja einen schönen und vor allem ausführlichen Nachlaß aus Deiner Familie.

Hoffe, Du hälst das ganze schön in Ehren!
Auf so umfangreiche Erinnerungsstücke kann nicht jeder zurückgreifen ...

bani

  • Gast
Re: Mein Großvater
« Antwort #3 am: 17.04.06 (20:52) »
na schau - zwei Dumme und ein Gedanke ...  ;D

Ronny22

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Re: Mein Großvater
« Antwort #4 am: 17.04.06 (23:44) »
Toll Matthias das du es endlich geschafft hast und n wirklich interessanter Bericht! 

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